Die Anwaltssuche

Vater4Kind
Gleichstellung in der Praxis
12 min readMar 4, 2014

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Heute ist der 4. März 2014. Die Anwaltssuche im Rückblick.

21. Februar. Wenn es nach den Erfahrungen der Väter mit Anwälten in Österreich geht, ist ein Anwalt im Familiengericht normalerweise eher unnötig. Typischerweise sind Anwälte vor allem am Honorar interessiert, aber weniger am Interesse des vertretenen Vaters. Das klingt auf den ersten Blick etwas absurd, ergibt sich aber aus der widersinnigen Konstruktion des Österreichischen Familienrechts.

Mit Gerechtigkeit hat das Familienrecht nämlich ganz prinzipiell gar nichts zu tun. Damit hat ein Anwalt eigentlich wenig Sinnvolles zu tun. Jeder Versuch, das unrichtige Verhalten des anderen Elternteils nachzuweisen, läuft Gefahr, nach hinten loszugehen, weil es kein richtiges Verhalten für Eltern gibt. Zumindest nicht für die überwiegende Mehrheit der normalen Eltern. Klar gibt es drastische Extremfälle von Vernachlässigung oder Mißbrauch. Aber in solchen Fällen ist der Gegenspieler nicht der andere Elternteil, sondern staatliche Einrichtungen. Das betrifft aber glücklicherweise nur eine kleine Minderheit im einstelligen Prozentbereich.

Der Normalfall sind getrennte Eltern, die beide gewillt und geeignet sind, sich um ihr Kind zu kümmern. Der Normalfall ist die Gerichtsverhandlung, bei der ein Richter nach irgendeinem Grund sucht, zwischen hauptsächlichem und anderem Elternteil zu entscheiden. Und für den hauptsächlichen Elternteil gibt es kein richtiges und kein falsches Verhalten.

Die Frauenbewegung des vergangenen halben Jahrhunderts hat dafür gesorgt, dass die zu 90% weiblichen hauptsächlichen Elternteile volle Wahlfreiheit haben: Sie können zu Hause beim Kind bleiben, Teilzeit arbeiten, Vollzeit arbeiten, das Kind selbst betreuen, in ganztägige externe Betreuung geben, von den Großeltern versorgen lassen oder vom bezahlten Kindermädchen. Der hauptsächliche Wohnort des Kindes bedeutet in der Praxis für das Kind im täglichen Leben nichts.

Die juristische Entscheidung für einen vorrangigen Elternteil dient nur dazu, das Leben für Behörden und einen der beiden Eltern zu vereinfachen. Der hauptsächliche Elternteil ist dann der vorrangige Ansprechpartner für Schule, Gericht und Behörden. Der hauptsächliche Elternteil bekommt alle finanziellen Beihilfen und bestimmt irgendwann de facto nach eigenem Ermessen, wann das Kind wo ist.

Die gemeinsame Obsorge bedeutet zwar eine beschränkte Mitsprache des anderen Elternteils, aber das betrifft maximal Extremsituationen wie schwerwiegende medizinisch Entscheidungen oder Übersiedlung ins Ausland. Und auch da hat bei Konflikten in der Praxis der hauptsächliche Elternteil das letzte Wort. Beim Besuchsrecht (eigentlich Umgangsrecht) ohnehin.

Damit ist fast alles, was am Anfang eines Verfahrens beschlossen wird, reine Show. Und bei der einzig wichtigen Frage des hauptsächlichen Wohnorts für das Kind entscheidet der Richter letztlich nach freiem Ermessen. Was in der Praxis auf eine frühzeitige stereotypische Fixierung auf die Mutter hinausläuft. Nachdem es keine objektiven Regeln im Gesetz gibt (alles wird schwammig auf das Kindeswohl zurückgeführt), kann ein Anwalt gegen das sexistische Klischee wenig unternehmen.

Die einzige Chance liegt darin, positive Stimmung für den Vater zu machen. Diese Chance ist aber gleichzeitig auch eine Falle. Positive Stimmung kann man nämlich nur machen, wenn man der Erwartungshaltung mit vorauseilendem Gehorsam folgt. Und die Erwartungshaltung ist: Der Vater zahlt und hilft der Mutter, die Mutter entscheidet über das Kind. Die Anwälte wissen auch, dass sie auf gute Beziehungen zu den Richtern angewiesen sind. Auch daher wollen sie nicht zu konfrontativ auftreten. Der Familienrechtsanwalt fährt langfristig besser, wenn er den Vätern gleich von Anfang an alles ausredet, was einen Konflikt mit dem Gericht oder auch dem gegnerischen Anwalt erzeugen könnte.

Die meisten Anwälte erklären den Vätern dann ihre Möglichkeiten gar nicht mehr vollständig. Dem normalen Vater wird durch den eigenen Anwalt etwas eingeredet, was weniger dem Vater dient als dem reibungslosen Durchsetzen einer sexistischen Gewohnheit. Nachdem mir das von vielen betroffenen Vätern klargemacht wurde, wollte ich so lange wie möglich auf einen Anwalt verzichten. Durch den Vorstoß meiner Ex konnte ich mir das aber nicht mehr leisten. Die familienrechtliche Substanz hätte ich mir auch allein zugetraut. Aber bei verfahrensbezogenen Winkelzügen kann ich als Nicht-Jurist natürlich nicht mithalten. Also habe ich nach einem Anwalt gesucht, der auf den Umgang mit Behörden spezialisiert ist.

Das erste Gespräch mit einem Anwalt sollte eigentlich kostenlos sein. Also habe ich Doktor Fleischinger (Name geändert) um ein Erstgespräch ersucht. Das war schon am 20. Februar. Nachdem in der kommenden Woche gleich zwei Gerichtstermine angesetzt waren, trafen wir uns kurzfristig am 21. Februar. Dr. Fleischinger erklärte mir gleich am Anfang, dass er kein Familienrechtsexperte ist. Das war mir klar, mir ging es um die richtige Reaktion auf die Behörden. Ich hatte am 10. Februar mein Kind mit mit im neuen Bezirk gemeldet, aber der Magistrat wollte das nicht bestätigen. Das kam nicht ganz unerwartet und mir war die Zwischenlösung mit der Eingangsbestätigung ganz recht, weil ich so die Option auf eine gemeinsame Vorgangsweise mit meiner Ex offen halten konnte: Der hauptsächliche Wohnort unseres Kindes war damit offen, ich hatte weder juristische Fakten geschaffen noch meinen rechtzeitigen Anspruch versäumt.

Der Termin bei meinem Bezirksgericht war ja auch noch als gemeinsamer Termin für beide Eltern gedacht. Nach dem Einschreiben aus dem Bezirksgericht der Ex war der gemeinsame Einsatz für eine echte Doppelresidenz aber wohl hinfällig. Also was tun? Ist es ein Verfahrensfehler, zum Termin in ihrem Bezirksgericht zu kommen? Habe ich damit implizit den Wohnort des Kindes fixiert? Sollte ich gegen die nicht erfolgte Bestätigung der Meldung des Kindes Einspruch erheben? Sollte ich die Meldung noch einmal probieren und diesmal offensiver auftreten?

Dr. Fleischinger sah sich kurz die Unterlagen an. Nein, gegen die nicht erfolgte Meldung kann ich nicht berufen. Dazu reicht nämlich die Eingangsbestätigung nicht aus. Ich bräuchte einen Bescheid. Wenn mir der Magistrat keinen Bescheid geben will, müsste ich einen Bescheid verlangen, dass mir kein Bescheid ausgestellt wird. Ohne Bescheid kein Einspruch. Aber die Meldung ist derzeit nicht so relevant, weil das ohnehin das Gericht entscheiden wird. Nachdem der Gerichtstermin in meinem Bezirk früher ausgemacht war, könnte mein Gericht das Verfahren zu sich zurückholen. Aber weil ich eher vorsichtig vorgegangen bin und nur eine Beratung angefordert habe, gibt es in meinem Bezirk keine Aktenzahl, im Bezirk der Ex aber schon. Die Ex hat nämlich ih ihrem Bezirk einen Antrag gestellt, wodurch der Akt eröffnet wird.

Normalerweise akzeptiert ein Gericht, dass es schon woanders eine Aktenzahl gibt. Das könnte sich wieder umdrehen, wenn der Wohnort des Kindes zu mir kommt. Aber dafür ist erst einmal ihr Bezirk zuständig. Den Termin am Donnerstag in ihrem Bezirk sollte ich daher auf jeden Fall wahrnehmen, das wird ein wichtiger Ersttermin, in dem viel entschieden wird. Ich sollte dort in jedem Fall mit einem Familienrechtsanwalt kommen, alles andere wäre ein zu grosses Risiko. Der Termin am Dienstag in meinem Bezirk wird wohl abgesagt, ich sollte dort einfach anrufen und die Lage erklären. Für den Donnerstag könnte er zum Beispiel als Anwalt Magistra Schwarz (Name geändert) empfehlen.

Also doch ein Familienrechtsanwalt. Mag. Schwarz war telefonisch erst einmal nicht erreichbar. Aber mittlerweile war es schon fast Freitag Mittag. Wenn ich zu lange warte und dann doch der Termin am Dienstag bleibt, finde ich vielleicht rechtzeitig keinen Anwalt, der ins Gericht kommen kann. Also habe ich die Anwälte etwas genauer gegoogelt. Dabei hat sich herausgestellt, dass Frau Mag. Schwarz teilweise eher eigenartige Dinge über die gemeinsame Obsorge gesagt hat. Absehen von der echten juristischen Doppelresidenz ist es ja auch in Österreich möglich, dass das Kind de facto je zur Hälfte bei Vater und Mutter wohnt. Die Mutter bekommt dann zwar meistens den hauptsächlichen Aufenthaltswort des Kindes, aber bei gegenseitigem Unterhaltsverzicht und einer ausgeglichenen Zeitaufteilung hält sich der Schaden für den Vater in Grenzen.

Auf ihrer eigenen website präsentiert Frau Mag. Schwarz ein Zeitungsinterview, in dem sie solche Arragements grundsätzlich kritisiert. Sie sei gegen eine 50/50-Betreuung, weil das Kind sonst zu verwirrt wäre. Wenn es in der Nacht aufsteht, wisse es dann nicht mehr, wo es aufs Klo gehen soll. Hintergrund solcher Argumentationen ist normalerweise das Geld. Wenn beide Eltern gleich viel materiellen Unterhalt für das Kind leisten, kann man den finanziellen Ausgleich nur mehr schwer argumentieren. Die Anwälte wollen aber ihre eigenen Honorare durch einen finanziellen Vorteil für die Klienten rechtfertigen. Bei Vätern geht das schwer, weil für einen Vater wenig zu holen ist. Bei Müttern wird die Kontrolle über das Kind aber als Normalfall schon vorausgesetzt. Wenn die Anwälte dann für die Mutter mehr als die staatliche Familienbehilfe herausholen wollen, müssen sie die Betreuung durch den Vater ablehnen. Nur dann sind bis zu 30% des Bruttoeinkommens als arbeitsloses Zusatzeinkommen für die Mutter erreichbar.

Ob das Kind dann wirklich so viel mehr von der Mutter betreut wird, fragt später nämlich niemand mehr. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Mutter ist dann wichtiger als die Verhältnismässigkeit von Transferzahlungen und Betreuungsaufwand. Die grundsätzliche Kritik an einer gelebten Doppelresidenz könnte also ein rhetorischer Trick im Sinn weiblicher Klienten sein. Vielleicht vertritt Frau Mag. Schwarz einen Vater auch ensprechend. Vielleicht hatte sie nur zeitweise vor allem weibliche Kunden. Aber das muss ich klären, bevor ich mich mit ihr in ein juristisches Boot setze. Meine Ex hat zwar die Brücken zur formellen Doppelresidenz nach ausländischem Muster angebrochen. Aber sie sagt zumindest derzeit noch, daß sie kein Geld will und eine 50/50-Betreuung anstrebt. So etwas müsste der Anwalt aber auch mittragen (können).

Als dann der Rückruf vom Anwaltsbüro kommt, stellt sich heraus, dass Frau Mag. Schwarz auf Urlaub ist. Ihre Assistentin will trotzdem wissen, worum es geht. Ich erkläre die Situation und argumentiere, dass ich die Klarstellung zur Doppelresidenz eigentlich von Mag. Schwarz persönlich will. Ihre Assistentin sprudelt aber sofort munter drauflos. Nein, das findet sie persönlich auch nicht so gut. Und warum? Weil es Situationen gibt, wo das nicht im Sinne des Kindeswohls ist und weil es im Familienrecht nicht darum gehen sollte, was die Eltern wollen, sondern was gut für das Kind ist.

Ich versuche, geduldig zu sein: Natürlich kann es nicht nur darum gehen, was die Eltern wollen. Aber es geht selbstverständlich auch darum, was die Eltern wollen. Beide Eltern. Sonst bräuchte man ja auch keine Anwälte für Eltern. Dann bräuchte nur das Kind einen Anwalt. Und in der Ablehnung der Doppelresidenz war ja ein großes Wenn drin: Wenn es gegen das Kindeswohl ist… Es gibt ja durchaus Fälle, in denen es eben durchaus positiv für das Kind ist, gleichwertigen Zugang zu beiden Eltern zu haben. Ist die Ablehnung der Doppelresidenz grundsätzlich oder bedingt? Nein, das denkt sie nicht, entgegnet mir die hyperaktive Assistentin. Das denkt sie nicht, dass das im Sinn des Kindeswohls ist. Weil wenn das Kind das gar nicht will und dann muss es jede Woche Koffer packen, dann ist das Kind unglücklich.

Für mich wird es immer schwieriger, höflich zu bleiben und gleichzeitig effektiv zu kommunizieren: Entschuldigen Sie, wenn ich das offen sage, aber dass man so eine Regelung nur dann machen soll, wenn das Kind dann glücklich ist, ist eine banale Selbstverständlichkeit. Es gibt viele Beispiele aus anderen Ländern, wie das sehr gut im Sinne der Kinder funktionieren kann. Die Frage kann ohnehin nur Mag. Schwarz selbst beantworten. Aber mir ging es darum, ob das eine strategische Argumentation von ihr war oder eine grundsätzliche Ablehnung. Sie wird offensichtlich nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkommen und so, wie es aussieht, könnte sie mich mit solchen Überzeugungen auch nicht sinnvoll vertreten. Die Assistentin wiederholt ihre ausweichende Argumentation zum dritten Mal, dann ist das Gespräch beendet.

Jetzt muss eine andere Suchmethode her. Ich brauche einen Anwalt, der sich öffentlich für Väterrechte positioniert hat, sonst muss ich gegen die Vorurteile von Richtern, gegnerischen Anwälten und eigenem Anwalt gleichzeitig kämpfen. Nach einiger Suche finde ich einen Wiener Anwalt, der an exponierter Stelle für eine väterfreundliche Reform des Familienrechts Stellung bezogen hat. Dr. Blumauer (Name geändert) ist ziemlich beschäftigt und er weiss auch nicht, ob er am Donnerstag Zeit hat. Aber angesichts der Dringlichkeit vereinbart er einen Termin mit mir am Samstag vormittag.

Kurz darauf kommt eine email von meiner Ex. Wir hatten vorher unterschiedliche Meinungen über den richtigen Ort für die Übergabe des Kindes. Ich hatte einen neutralen Ort in der Mitte zwischen unseren Wohnungen vorgeschlagen. Das wollte sie nicht. Jetzt hat sie mir einfach dekretiert, dass das Kind in ihrer Wohnung am Sonntag um 5 am Nachmittag abzuholen ist. Ich vermute, dass sie Zeugen für sich selbst für dieses Datum arrangiert hat, die dann später entsprechende Dinge behaupten können. Das werde ich dann mit Dr. Blumauer besprechen.

Aber jetzt ist es Freitag Abend und nach all dem Dauerstress geht es zuerst einmal ins fitness studio und danach auf ein Bier mit einem alten Bekannten. Irgendwann muss man auch einmal ausspannen.

22. Februar. Dr. Blumauer gibt mir gleich am Anfang des Gesprächs die schlechte Nachricht: Am Donnerstag vormittag habe ich keine Zeit. Ich könnte ja meinen Vertreter hinschicken, aber bei so etwas braucht man Erfahrung. Aber das Ganze sieht ja nicht so schlimm aus. Das ist noch recht freundlich formuliert. “Es wird eine gemeinsame Lösung angestrebt”. Da habe ich schon schlimmeres gesehen. So, wie es aussieht, will die Mutter ohnehin die gemeisame Obsorge. Dann ist der Anwalt vielleicht beim ersten Termin gar nicht so wichtig.

Das ist der Unterschied zwischen der allgemeinen Positionierung für Gleichberechtigung und der juristischen Praxis. Selbst der bekennende Väterrechtler kapituliert angesichts der Gerichtspraxis gleich am Anfang und erklärt dem eigenen Klienten nicht einmal die Wichtigkeit des hauptsächlichen Wohnorts. Da muss ich noch nachhelfen. Ich habe mich die letzten drei Jahre um Haushalt und Kind gekümmert, die Mutter hat Vollzeit studiert und macht jetzt daneben auch noch 20 Stunden pro Woche ein Doktorat. Gemeinsame Obsorge haben wir schon jetzt, das stellt auch niemand in Frage. Aber es wäre einfach sinnvoller, wenn ich den hauptsächlichen Wohnort bekomme, weil das Kind sonst früher oder später nur mehr von Kindermädchen betreut wird, obwohl es einen Vater gibt, der Zeit hat, der will und an den das Kind auch jetzt mehr gebunden ist als an die Mutter.

Dr. Blumauer macht einen kurzen Blick auf die offizielle Ladung des Gerichts für Donnerstag: Das Gericht geht offenbar davon aus, dass das Kind bei der Mutter lebt, sonst wäre die Ladung nicht von dort. Das ist auch kein Problem, da kann man trotzdem eine Regelung treffen, wonach das Kind einen Teil der Woche beim Vater ist. Wenn die gemeinsame Obsorge bleibt, kann der Vater weiter mitreden. Und ich habe wie gesagt keine Zeit am Donnerstag. Notfalls müsste man den Termin verschieben. Aber daran können Sie kein Interesse haben, weil dann tickt die Uhr und das Kind bleibt so lange bei der Mutter.

Und schon ist man als Vater in eine ganz bestimmte Ecke manipuliert. Mein Kind hat meine Staatsbürgerschaft nicht, weil ich ein Mann bin. Weil mein Kind Ausländer ist und ich keine Mutter bin, findet der Wiener Magistrat immer eine Ausrede, um die Meldung des Kindes zu verweigern. Weil die Meldung verweigert wurde, ist der offizielle Wohnort bei der Mutter, deswegen erklärt sich das Gericht im Bezirk der Mutter für zuständig und gleich wird davon ausgegangen, dass das Kind immer dort wohnt. Dass die Polizei gleich gerufen wird, wenn der Vater das Kind einmal ohne Erlaubnis der Mutter mitnimmt, verstärkt den Eindruck. Und wenn die Mutter dann vorübergehend Urlaub nimmt und das Kind bei sich behält, reicht das schon für die Manipulation der Wahrnehmung.

Ich versuche einen anderen Zugang, um den Anwalt aus seinem üblichen Trott aufzuwecken: Es ist mir klar, dass ich als Mann vor Gericht keine Gleichberechtigung erwarten kann. Aber es geht mir nicht unbedingt in erster Linie darum, einen kurzfristigen Erfolg zu erreichen. Ich will im Sinne des Kindes das beantragen, was ich für richtig finde und vor allem will ich gründlich dokumentieren, was die Fakten sind und wozu wer bereit war. Es geht ja nicht nur um eine Regelung für jetzt. Es geht darum, dass es in ein paar Jahren eine andere Situation geben wird und einen anderen Richter. Und der nächste Richter weiss dann nur mehr, was im Akt steht. Deswegen will ich alles dokumentieren, was wichtig ist. Wie kann ich das tun?

Dr. Blumauer ist noch immer freundlich, aber reserviert. Normalerweise würde man eine Eingabe vor dem Termin machen, da kann man alles hineinschreiben, was man will, aber das geht sich mit den Fristen diesmal nicht mehr sinnvoll aus. Kann man eine schriftliche Erklärung im Gericht überreichen? Das sieht nicht gut aus. Besser wäre, etwas vorzubereiten und dann in der Sitzung zu sagen, dass man etwas zu Protokoll geben will. Und wie kann ich so weit wie möglich klarstellen, dass ich davon ausgehe, dass ich mit dem Kind übersiedelt bin und auch in Zukunft kein Besuchsonkel sein werde? Schliesslich gab es ja den Termin am Dienstag früher. Dafür soll ich bei ihrem Gericht anrufen, der Termin bei meinem Gericht wird dann vermutlich gestrichen. Das Ganze sieht eher harmlos aus, es gibt ja keine Vorwürfe, es wird auch nicht mit einem Psychologen gedroht oder so.

So ganz kann ich das nicht bestätigen. Schliesslich gab es vor kurzen eine für mich unerklärliche email, in der meine Ex plötzlich angekündigt hat, mein Kind aufgrund des “durch die Ereignisse des 10. Februar hervorgerufenen Traumas” psychologisch betreut werden soll. Die Augen von Dr. Blumauer weiten sich wie nach zwei Tassen Kaffee: Das ist ja doch ein interessanter Fall. Wie war das? Sie hatten einen Termin in Ihrem Bezirk und die Mutter hatte dort zugesagt? Und wo wohnt das Kind jetzt wirklich? Sie haben es nächste Woche? Wie war denn der Tagesablauf bisher? Wer hat das Kind von der Schule abgeholt? Wie sind die Arbeitszeiten der Mutter?

Dass der Fall erst interessant wird, wenn es Verdacht auf schmutzige Tricks gibt, ist für mich ernüchternd. Aber jetzt habe ich einen Anwalt, der einigermassen auf meiner Seite steht. Offenbar findet er es illusorisch, dass ich als Mann den hauptsächlichen Wohnort des Kindes anstrebe und er versteht mein Verlangen nach umfassender Dokumentation nicht. Aber er wird mich vor unnötigen Fehlern schützen und für Respekt sorgen. Das reicht fürs erste. Was machen wir jetzt mit den beiden Gerichts-Terminen nächste Woche? Dr. Blumauer wird sich vielleicht doch Zeit nehmen können. Offenbar erzeugt der interessantere Fall dann auch eine flexiblere Zeiteinteilung. Er wird sich Montag früh bei mir melden, ob er Donnerstag Zeit hat. Wenn er Zeit hat, kümmert er sich um die Terminkonsolidierung. So verbleiben wir dann.

Fortsetzung folgt. Nächster Teil: Welches Gericht?

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Gleichstellung in der Praxis

Tagebuch eines Vaters. Von der Mutter getrennt. Mit dem Kind vereint.