EUTOPIA.works: Unsere gemeinsame digitale Zukunft

Politics for Tomorrow
Öffentliches Gestalten
8 min readMay 21, 2019

Expert*innen brüteten zwei Tage transsektoral in Mannheimer Architektur-Ikone Multihalle in einem Open-Government-Labor über digitalisierte Nachhaltigkeitsgesellschaft und Künstliche Intelligenz

Oliver Rack, Politics for Tomorrow; CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Wie können Digitalisierung und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen besser zusammenwirken und die Digitalisierung stärker in den Dienst der Nachhaltigkeit gestellt werden, um unsere planetaren Lebensgrundlagen zu sichern? Und wie müssen wir Künstliche Intelligenz offen und gemeinsam entwickeln, damit sie nach unseren europäischen Werten in einer gedeihlichen Zukunft für Gesellschaft und Wirtschaft dient?

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Mit solche Fragen und konkreten Handlungsfeldern, die sich daraus ergeben, beschäftigten sich am Montag und Dienstag (13.-14.5.2019) rund 80 Expert*innen aus Wissenschaft, öffentlicher Verwaltung, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wirtschaft auf den Gebieten Nachhaltigkeit, Daten-Governance und Künstliche Intelligenz. Eingeladen wurden die Teilnehmenden aus ganz Deutschland von Politics for Tomorrow, unserer Initiative für Innovationen im öffentlichen Sektor und Open Government in Kooperation mit der Digitalakademie@bw, einem Bildungsprojekt der Landesregierung unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände, der Führungsakademie Baden-Württemberg, dem baden-württembergischen kommunalen IT-Dienstleister ITEOS und Fraunhofer IAO.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Am ersten Tag lag der Fokus auf der Einordnung und strategischen Entwicklung von Open Data als Grundlage für die Messung von Nachhaltigkeit und die Fortschritte bei der Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG) auf der Ebene deutscher Kommunen. Bezugspunkte waren die erst Tage zuvor veröffentlichte erste Variante des “Musterdatenkatalog für Deutschland” im Rahmen des Angebots “Wegweiser Kommune” der Bertelsmann Stiftung und der Ausbau des “SDG-Portals” der Bertelsmann Stiftung zu Jahresbeginn sowie die Veröffentlichung des Gutachtens “Unsere gemeinsame digitale Zukunft” des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderung (WBGU) der Bundsregierung vor einigen Wochen. Henrik Riedel und Mario Wiedemann von der Bertelsmann Stiftung und Jasmin Honold vom Deutschen Institut für Urbanistik hatten mit Vorträgen und bei den Workshops mit ihrer Expertise insbesondere bei den SDG-Indikatoren wesentlich unterstützt.

Einen besonderen Akzent setzte auch das eröffnende Werkstattgespräch “Nachhaltigkeit in Bezug auf Good Governance und Finanzstabilität unter Berücksichtigung internationaler Aspekte”, bei dem Vertreter der Städte Freiburg, Mannheim und Köln — allesamt deutsche Vorreiter im Bereich Nachhaltigkeit und nachhaltige und generationengerechte Finanzierung — von ihren Vorgehensweisen und Erfahrungen berichteten und diese diskutierten. Auf dem Podium waren Christian Hübel, Leiter Strategische Steuerung und Leitbildprozess Mannheim 2030 der Stadt Mannheim, Max Künnemann, Projektleiter “Leistungsfähige Infrastruktur generationengerecht finanziert” von der Stabsstelle im Dezernat Finanzen der Stadt Köln sowie Simone Pflaum, Leiterin Stabsstelle Nachhaltigkeitsmanagement der Stadt Freiburg.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Am zweiten Tag widmeten sich die Expert*innen den Fragen ob und wie Künstliche Intelligenz in einem transsektoralen und offenen Prozess aus gemeinsamer interdisziplinärer Kompetenz und Technikfolgenabschätzung entwickelt werden kann, welches Vorgehen und welche Maßnahmen daraus resultieren und wer insbesondere in Baden-Württemberg in ersten Schritten einbezogen werden müsste und ob sich dadurch der Handlungsstrang “openKI” auftut. Bezugspunkte waren hier die KI-Strategie Baden Württembergs und ebenso das Gutachten “Unsere gemeinsame digitale Zukunft” des WBGU. In mehreren Runden wurden sowohl mögliche Kooperationsmodelle für eine intelligente Datenverarbeitung zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert, als auch konkrete Ideen für den Einsatz von regelbasierten oder lernenden IT-Verfahren in der Verwaltung entwickelt. Die Ergebnisse fließen auch in die Potenzialstudie “KI@Verwaltung” der Digitalakademie@bw mit der Zeppelin-Universität ein, die im Sommer 2019 erscheinen wird.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Auch hier kam wichtige Expertise von Steffen Braun, Rebecca Elena Litauer, Johann Jakob Häußermann und Johannes Sauter, allesamt von Fraunhofer IAO, sowie von Kai Eckert, Professor für Data and Web Science an der Hochschule der Medien Stuttgart.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Konzipiert und durchgeführt wurde EUTOPIA.works von Oliver Rack, Bereich Grundsatzfragen und Open Government bei Politics for Tomorrow und Vorstand des in Berlin ansässigen Trägervereins nextlearning e.V.

Die Bereitstellung von Open Data der öffentlichen Institutionen, insbesondere zu Nachhaltigkeitsindikatoren, müssen dringend als digitale Daseinsvorsorge verstanden werden. Sie können somit in Monitoring-Systeme einfließen, die Entscheidungen zur Stärkung von Nachhaltigkeit wesentlich unterstützen, aber auch von allen überprüfbar machen. Der Musterdatenkatalog sollte weiter gedacht werden und für die Bedarfe des Nachhaltigkeitsmonitoring zum einem Bedarfsdatenkatalog entwickelt werden.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

In der Beziehung Digitalisierung und Nachhaltigkeit zeigen sich drei Dimensionen:

Wie lässt sich Nachhaltigkeit durch Digitalisierung besser steuern?

Welche digitalen Lösungen unterstützen in ihrer Funktion Aspekte von Nachhaltigkeit?

Und wie kann die Digitalisierung, vor allem die digitale Transformation des Öffentlichen, nachhaltig gestaltet werden?

Hierzu müssen Kompetenzen der zuständigen Akteure im Bereich Nachhaltigkeit zum Umgang mit Daten und zu den Potentialen der Digitalisierung gestärkt werden. Gleiches gilt umgekehrt für die Zuständigkeiten im Bereich Digitalisierung. Hier sollte zudem, das Bewusstsein geschärft werden, die Digitalisierung mit nachhaltiger gesellschaftlicher Akzeptanz zu entwickeln und dahingehend die Bevölkerung einzubeziehen. Gerade dafür gilt es, die Vorstellungskraft der Entscheider zur längerfristigen Folgenabschätzung zu schulen — eine Fähigkeit, die beispielsweise den Akteuren auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit naturgemäß und traditionell gegeben ist. Dafür braucht es zeitgemäße Bildungsangebote bzw. Lernmethoden und vor allem die intensive Zusammenarbeit unterschiedlicher Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Im Feld der Künstlichen Intelligenz, also regelbasierten oder lernenden IT-Verfahren, steht die Überlegung im Raum, einen Prozess zur offenen KI anzustoßen, bei dem der Entwicklungsprozess, die Programme, die Heuristik und die Daten offen und transparent sind. Als Prozessfeld wurde die öffentliche Verwaltung vorgeschlagen, da sie dem Gemeinwesen und dem Gemeinwohl verpflichtet ist und in einer Technikfolgenkultur die Funktion eines positiven Vorbilds, eines Rollenmodells, übernehmen kann und sollte sowie die Technologiehoheit ihrer Aufgaben zum Wohle der Gesellschaft aufrechterhalten muss.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Zu etlichen Verwaltungsprozessen seien jedoch schon alleine für die Digitalisierung immer noch nicht ausreichend rechtlichen Grundlagen geschaffen — eine Voraussetzung für eine Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung. Hier müsste zeitnah nachgebessert werden, auch um damit die zunehmend demografisch bedingten Schwächen in der Personaldecke der öffentlichen Verwaltung zu mildern.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Auch sollte zusätzlich zum KI-Einsatz bei der Eingabe, dem “Frontoffice”, (z.B. Chatbots für Bürger*innen) und der Verarbeitung im “Backoffice” (z.B. automatische Ordnung von Vorgängen nach Lebenslagen und selbstständige Erkennung von Prozesszusammenhängen) ein stärkeres Augenmerk auf lernende Systeme gelegt werden, die auf den anfallenden Prozessdaten aufbauen und Verwaltungsspitze sowie Politik, dem “Headoffice” mit zusätzlicher Evidenz bei Entscheidungen unterstützen.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Hierzu sind bereits weitere Workshop-Veranstaltungen durch die Digitalakademie@bw und der Zeppelin Universität geplant.

Politics for Tomorrow und die Mannheimer Multihalle:

Politics for Tomorrow ist eine nichtparteiliche Initiative für zeitgemäße Politikgestaltung und Innovation im öffentlichen Sektor in Trägerschaft des nextlearning e.V. und Mitglied im Open Government Netzwerk Deutschland.

Das griechische Wort „Eutopia“ bedeutet „ein guter Ort“, der — im Gegensatz zur Utopie — durchaus realistisch zu erreichen ist.

Wir führen EUTOPIA.works exemplarisch als ein transsektorales sowie interdisziplinäres Open-Government-Labor in der Mannheimer Multihalle durch und greift dabei die Vereinbarung der Bundesregierung im Koalitionsvertrag auf, solche regionale Open-Government-Labore zu ermöglichen.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Gleichzeitig möchten wir dazu beitragen, dass das kulturelle Erbe der Multihalle als Ikone für Nachhaltigkeit (z.B. durch Leichtbau), für eine offene Gesellschaft, für die Europäische Stadt und für das Denken in Modellen insbesondere im Zuge der digitalen Transformation nicht nur erhalten bleibt, sondern auch Ergebnisse nahe an Umsetzbarkeit und Übertragbarkeit durch öffentliches Gestalten darin entwickelt werden. Eine Bedeutung, die Politics for Tomorrow auch verstetigt im Kontext der Multihalle sieht und als ein Ziel ihrer Nachnutzung verfolgt.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Open Government Netzwerk

Das Open Government Netzwerk Deutschland ist ein Bund aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, der die Bundesregierung beim gestalten und implementieren der Kulturtechnik Open Government in der öffentlichen Verwaltung Deutschlands im Rahmen der Teilnahme an der Open Government Partnership unterstützt. Open Government Partnership ist ein globales Kompetenz- u. Evaluationsnetzwerk aus über 75 Regierungen, das u.a. die Administration Barack Obamas 2011 ins Leben gerufen hat. Die Regierungen verpflichten sich darin, alle zwei Jahre neue Nationale Aktionspläne (NAP) mit Maßnahmen zu Open Government gemeinsam mit der Zivilgesellschaft zu entwickeln, deren Umsetzung durch einen unabhängiges Berichtwesen überprüft und evaluiert werden. Seit Dezember 2016 nimmt Deutschland an der Open Government Partnership teil und nimmt im Mai 2019 für drei Jahre einen Sitz im globalen Lenkungskreis der OGP ein.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Open Government

Open Government ist ein Instrument, eine Kulturtechnik, für einen Kulturwandel in der Verwaltung und der Zivilgesellschaft zur gegenseitigen Vertrauensbildung, um die Belastbarkeit dieser Beziehung auch für die Zukunft zu stärken. Denn ein sozialer Frieden wird stark vom Vertrauen in die Grundstrukturen des Staates von Infrastruktur über Dienste, Vorsorge, Recht und Vollzug als modern, menschlich und funktionierend abhängen.

Tragende Elemente sind dabei Transparenz und offener Umgang miteinander, aber vor allem auch co-kreative Zusammenarbeit und transsektorale Nutzung aller Kompetenzen für Innovation in der öffentlichen Verwaltung, auch im Bereich Digitalisierung und weit darüber hinaus. Denn erst die verstetigte Zusammenarbeit ermöglicht Kenntnis und Empathie zwischen unterschiedlichen Organisationskulturen. Offene Informationen, wie Open Data, ist dabei ein zentrales Thema, das sowohl Transparenz und gemeinsame Informationsgrundlage für Zusammenarbeit und Ideenentwicklung bedient.

Open Government ist insbesondere für die kommunale Ebene wichtig, da dort die Schnittstelle unmittelbar zur Lebenswirklichkeit der Bürger ist.

CC BY — Arthur Bauer | Film & Photography

Teilnehmende EUTOPIA.works:

Teilgenommen haben u.a. Vertreter*innen von: Bertelsmann Stiftung, Fraunhofer IAO, Universität Stuttgart, Digitalakademie@bw, ICLEI — Local Governments for Sustainability — Europe, Deutsches Institut für Urbanistik, GovData — das Datenportal für Deutschland, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, Open Government Netzwerk Deutschland, Kommune 2.0 e. V., Hochschule der Medien Stuttgart, Duale Hochschule Baden-Württemberg, The Open Government Institute an der Zeppelin Universität, Verband Region Rhein-Neckar, Open & Agile Smart Cities, Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V., Transferzentrum der Pädagogische Hochschule Heidelberg und der Kommunen bzw. Kreise Hamburg, Köln, Freiburg, Frankfurt, Ludwigsburg, Friedrichshafen, Groß-Gerau, Mannheim, Heidelberg, Dornstadt, Ludwigshafen, Landratsamt Enzkreis, Marburg-Biedenkopf und Politics for Tomorrow, Tagesspiegel Background

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EUTOPIA.works wird unterstützt durch digitalakademie@bw, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg

Das Gesamtprogramm EUTOPIA 2019 wird gefördert durch die Stadt Mannheim, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Europäisches Kulturerbejahr 2018 “sharing heritage”

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Öffentliches Gestalten

Politics for Tomorrow is a non-partisan initiative fostering democratic innovation with and for the public sector based on human-centered learning formats.