Not macht erfinderisch! — Auch in der Verwaltung.

Vanessa Burgardt
Öffentliches Gestalten
4 min readApr 29, 2020

Wie Probleme in der Zusammenarbeit und Kommunikation in Projekten in der Verwaltung zu einem Training in Systematischer Kreativität führten.

Arbeitsergebnis © Vanessa Burgardt
Arbeitsbeispiel © Vanessa Burgardt

Sie kennen es bestimmt auch. Oft funktioniert die Zusammenarbeit in Organisationsprojekten nicht zufriedenstellend, weil die Beteiligten meistens unterschiedliche Ansichten über das Thema oder Problem haben, verschiedene Denkstile pflegen und aus diversen Organisationskulturen kommen. In gemeinsamen Beratungsprojekten „prallen“ die Welten dann für eine begrenzte Zeit aufeinander. Doch will nicht diese wertvolle Zeit genutzt werden, um erfolgreich ein Problem zu lösen? Was können die Beteiligten tun damit das auch gelingt? Die beratende Person kann Fähig- und Fertigkeiten in Methodenwissen den ratsuchenden Personen vermitteln, wenn diese neugierig und bereit sind die Stimme ihrer inneren Kritik hinter sich zu lassen. Dann funktioniert es gemeinsam und macht Spaß! So entwickelte ich als interne Organisationsberaterin in der Stadt Leipzig das Training in Systematischer Kreativität, um gemeinsam mit den Beschäftigten in Organisationsberatungsprojekten in der Stadtverwaltung gut zusammenarbeiten zu können. Die Microtrainings in den Beratungsprojekten wurden gut angenommen und haben sich schnell in der Verwaltung herumgesprochen. Daraus entstand die Idee, offene Trainings in der gesamten Verwaltung anzubieten. Die positive Resonanz auf die Microtrainings nahm ich auch zum Anlass und gründete im Oktober 2018 das Amt für kreative Problemlösungen.

Um was geht es bei der Systematischen Kreativität genau?

Das systematisch kreative Arbeiten basiert auf der Nutzung der zwei unterschiedlichen Denkansätze: Divergieren und Konvergieren. Das Grundprinzip dahinter ist die getrennte Anwendung dieser beiden Denk- und Arbeitsphasen. Die Trennung ist wichtig, um bisher nicht miteinander verknüpfte Ideen und Gedanken verknüpfen zu können, um dadurch Neues zu schaffen. Im Training wird das intensiv in jeder Phase geübt.

Kreatives Verwaltungshandeln — Vom Wunschdenken zum Handlungsplan

Die Systematische Kreativität ist ein integriertes Modell mit sieben Phasen. Es hat seinen Ursprung in Teilen im Design Thinking, wurde aber maßgeblich aus dem Creative-Problem-Solving-Prozess heraus entwickelt. Beide Modelle sind systematische Prozesse die nicht nur die Entwicklung von Ideen im Blick haben, sondern den gesamten Prozess der kreativen Problemlösung. Konkret geht es dabei darum zu Beginn das Thema oder Problem zuerst genau zu erkunden, um es zusammen verstehen zu können. Erst danach können konkrete Herausforderungen eruiert und bewertet werten, zu denen dann wiederum Ideen erkundet und bewertet werden. Wie formuliere ich praktikable Herausforderungen und untersetze sie mit Ideen? „Das geht nicht!“ „Das haben wir schon immer so gemacht!“ — Bekannte Antworten auf diese Frage unter Verwaltungsmitarbeitern.
„Wie können wir …“ „Auf welche Art und Weise können wir …“ sind die effektiveren Antworten. Die richtige Fragestellung macht also den entscheidenden Unterschied, wenn es darum geht, Herausforderungen erfolgreich anzugehen. Diese zu formulieren und in den richtigen Kontext zu setzen, ist ein spannender und notwendiger Prozess, der im Training erlebt und geübt wird.
Wurden genügend Ideen generiert, bewertet und ausgewählt, kann die Lösung erarbeitet und deren Akzeptanz erkundet werden. Zum Schluss wird ein konkreter Handlungsplan erarbeitet, damit alle gemeinsam wissen was zu tun ist.

Prozessschaubild © Vanessa Burgardt, erstellt mit www.canva.com

Das Training in Systematischer Kreativität

In zwei Tagen erhalten maximal 10 Teilnehmer aus den verschiedensten Verwaltungsbereichen vielfältige Kenntnisse zur Theorie des kreativen Denkens und Arbeiten und bekommen die wichtigsten divergierende und konvergierende Methoden zu den einzelnen Prozessphasen und Denkfertigkeiten an die Hand. Aha-Momente bei der Anwendung der Methoden, Erfahrungsaustausch sowie Spaß sind garantiert. Ein umfassendes Workbook und ein kleines Heft nur für die Moderation begleiten die Teilnehmer und geben Orientierung. Darüber hinaus gibt es Tipps und Übungen zum Visualisieren, zur Moderation und zum richtigen Umgang mit Post-Its.

Was sagen kreative Bürokraten aus der Stadtverwaltung Leipzig zum Training?

In der Retrospektive zum Training wird das Training gemeinsam ausgewertet. Dieser Prozess findet gegenwärtig freiwillig statt. Die Retrospektive ist eine agile Methode zur Rückschau auf Vergangenes, um es in der Zukunft kontinuierlich zu verbessern. Die bisher 90 Teilnehmer aus der Stadtverwaltung Leipzig, sind mit folgenden Erkenntnissen, Aha’s, Lerneffekten und Überraschungen aus den Trainings gegangen:

  • Querdenken sollte man nie vergessen.
  • Ein systematisch kreativer Prozess braucht eine gute Vorbereitung.
  • Es ist erstaunlich, wie man durch einen sehr strukturierten Prozess zu kreativen Ergebnissen kommen kann; aus einer Vielzahl an gesammelten Ideen finden wir am Ende eine wichtige Idee und konnten sie untersetzen.
  • Ich bekomme Lust auf neue Methoden, die zum mitmachen anregen.
  • “Zwischenfreuen” ist wichtig und wird unterschätzt.
  • Die klassischen Methoden helfen uns nicht zu divergieren, um bessere Lösungen zu erzielen.
  • Systematische Kreativität hilft uns, eigene Prozesse abwechslungsreicher zu optimieren, um durch kontinuierliche Verbesserung Spaß an der Arbeit zu haben.

Die Feedbacks verdeutlichen, dass es möglich ist, Verwaltungsthemen und Projekte auch auf eine einfache und kreative Art zu bearbeiten. Das Training bietet den Teilnehmern die Möglichkeit zum Ausbrechen aus dem Verwaltungsalltag und es hilft ein Netzwerk unter den Teilnehmern zur Zusammenarbeit und zum Wissensaustausch zu bilden, jenseits der formalen Organisationsstruktur. Deshalb werden insbesondere die offene Atmosphäre und Stimmung unter den Teilnehmern, der Teamgedanke und die Diversität als sehr wertvoll empfunden.

Es gibt auch kritische Stimmen, welche verdeutlichen, dass der Arbeitsansatz noch ungewohnt ist. Es fehlt momentan noch an Best Practice Projekten, die mit dieser Methode vollumfänglich umgesetzt wurden. Das ist wiederum darauf zurückzuführen, dass gegenwärtig kaum ausreichend zeitliche, personelle und räumliche Ressourcen für die Arbeit mit dem Prozess der systematischen Kreativität bereitgestellt werden.

Übung macht den Meister

Das häufige und bewusste Anwenden der kreativen Werkzeuge der systematischen Kreativität schult das eigene Denken in divergierende und konvergierende Richtungen und hilft Vorurteile abzubauen. In diesem Sinne, eine gute Nachricht: Kreativität in Verwaltungen kann man bewusst beeinflussen. Je mehr man mit den Methoden und Techniken arbeitet, desto besser funktioniert der schrittweise Aufbau von Ideen, sogar von verrückten und originellen Ideen. Haben Sie Mut und entdecken Sie die Kreativität in Ihrer Verwaltungsarbeit wieder.

Vanessa Burgardt arbeitet seit 2011 als interne Organisationsberaterin bei der Stadtverwaltung Leipzig. 2018 gründete Sie nebenberuflich das Amt für kreative Problemlösungen und bietet Trainings in Systematischer Kreativität an.

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