“Kein absichtliches Fehlverhalten”

Ari Byland
2 min readOct 6, 2016

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Heute in den Medien: Die CS bezahlt weitere Millionenbusse, diesmal für geschönte Zahlen beim Neugeldzufluss.

http://www.nzz.ch/wirtschaft/unternehmen/us-behoerden-cs-zu-millionenbusse-verurteilt-ld.120523

In den letzten Jahren haben wir uns zunehmend an solche Schlagzeilen gewöhnt, zu viele Bussen wurden zu Lasten der Banken ausgesprochen.

Auffallend fand ich jedoch die Stellungsnahme der CS:

«Kein absichtliches Fehlverhalten»

Die Credit Suisse teilte in einer Stellungnahmen mit, sie habe dem Vergleich zugestimmt und damit die Auseinandersetzung mit der SEC beigelegt. Sie habe bereits Verbesserungsmassnahmen umgesetzt. Sie legt Wert auf die Feststellung, dass ihr kein absichtliches Fehlverhalten vorgeworfen werde. Auch werde ihr nicht vorgeworfen, sie habe Neugeldzahlen falsch ausgewiesen. Kunden von Credit Suisse seien auch nicht zu Schaden gekommen. (Hervorhebung durch Autor)

Womit wir exakt bei einem konkreten Beispiels des folgenden Zitates von Ryan & Deci (siehe mein Post) sind:

Potent incentives can lead people to forego autonomy, act against needs & neglect or destroy what they value most, from relationships to the environment.

Das heisst: Es braucht gar kein “absichtliches” Fehlverhalten oder die Anstiftung dazu. Ein genügend starker Anreiz (im Falle der Banken durch einen monetären Bonus), gekoppelt mit einer simplen Kennzahl (in diesem Fall Neugeldzufluss) reicht, dass die involvierten Personen sehr vieles tun werden, um die Zielgrösse (und somit die Bonuszahlung) zu erreichen.

Oder anders ausgedrückt: Durch das Setzen eines Anreizes auf das Erreichen eines bestimmten Neugeldzuflusses erhält das System (der Mitarbeitenden) ein Ziel. Dieses Ziel übersteuert alle (oder zumindest viele) andere mögliche Ziele (bspw. Zufriedenheit, Autonomie, Beitragen zur Gesellschaft, etc.). Das System beginnt sich so zu verändern, dass das gesetzte Ziel erreicht wird. Es muss sich also niemand durch “absichtliches” Fehlverhalten exponieren, das vollkommen legale Setzen eines Anreizes reicht vollkommen aus, um Fehlverhalten ganz legal zu “provozieren”.

Diese Provokation von Fehlverhalten ist natürlich nicht Absicht. Jedoch im Mechanismus ausreichend wissenschaftlich belegt, als dass man sie ignorieren, geschweige denn leugnen könnte. Vor allem, wenn man mehrere zehntausend Mitarbeitende führt.

Die Busse ist sicher richtig. Aber: Sofern nicht die Anreize anders gesetzt werden, werden solche Fälle weiter auftreten. Strengere Regulation erschwert dabei vielleicht Fehlverhalten (ob absichtlich oder nicht), verhindert es aber nicht. Weil: Die fehlenden Regeln sind nicht die Ursache von Fehlverhalten, sondern erschweren es (was auch richtig ist). Die falschen Anreize provozieren das Fehlverhalten.

Systeme finden (meistens) einen Weg, ihre Ziele zu erreichen, und genau aus diesem Grund ist das Koppeln von Rewards an Zielerreichung sehr heikel und geht meistens schief.

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Ari Byland

Professional Scrum Trainer at Scrum.org and Agile Coach with passion for humanizing the workplace. Find trainings at https://professionalscrum.ch