“Zu verzeihen wird unausweichlich.”

Alexandros Tsachouridis
5 min readDec 22, 2016

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Dirk Blume (Rad-Reisender aus Deutschland, aktuell in Vietnam unterwegs. Seine Reise kann unter https://www.facebook.com/profile.php?id=100008368806508 verfolgt werden).

“Habe mir schon öfters Gedanken gemacht, wie sich wohl die Vietnamesen heute fühlen, wenn westliche Menschen ihr Land besuchen, nachdem sie erst von den Franzosen einfach vereinnahmt wurden (Kolonialisierung) und dann die USA mit Hilfe einer Lüge einen Angriffskrieg geführt hat, bei dem zwischen 2 und 5 Millionen Vietnamesen getötet, Millionen verstümmelt und dem hochgiftigen Entlaubungsmittel Agent Orange ausgesetzt wurden, was ganz klar völkerrechtlich geächtet ist.

Die Antwort ist: wir wurden so herzlich empfangen, daß es mir das Herz zerreißt, wenn ich daran denke, wie sie auf ihren Reisfeldern gearbeitet haben, als die ersten Napalmbomben fielen.

“Westliche Werte?” Ja, irgendwie schon. Denn es hat seitdem nie aufgehört, daß die Westmächte weltweit Länder überfallen, Kriegsverbrechen verübt, gefoltert und gemordet haben.

Worüber wundern wir uns also dieser Tage?

Ich persönlich nur über die Vietnamesen. Sie geben uns wohl eine zweite Chance…

Übrigens: hier in Dien Bien Phu, wo wir heute nächtigen, wurden die unbeliebten Franzosen entscheidend geschlagen. Der Kampf um die französische Festung im Kreis Điện Biện nahe der damaligen Kreisstadt Điện Biên Phủ begann am 13. März 1954 und endete am 8. Mai mit der Niederlage der Franzosen, die das Ende des französischen Kolonialreiches in Indochina besiegelte (ehemals Französisch-Indochina, heute Vietnam, Laos und Kambodscha)”

Vietnam, 2016 — Copyright — Dirk Blume

Amsterdam, Donnerstag — 22.December 2016
Alexandros Tsachouridis Mondon

Meine Frau und Ich wurden während unserer 10-monatigen Reise in keinem Land der Welt für unsere Herkunft verurteilt. In keinem einzigen Land auf dieser Welt ! Ich teile bewusst den Beitrag von Dirk Blume, da auch er in seinem Text davon berichtet, dass er ausschließlich auf herzliche Menschen trifft. In Vietnam haben wir ebenso wie Dirk viel darüber nachgedacht, dass vor allem diese Region unserer Erde sehr unter dem westlichen Einfluss gelitten hat — doch zu spüren bekommt man selbst nur echte Herzlichkeit. Die Menschen sind voller guter Kraft.

Es ist Zeit, dass wir unsere Geschichte mit mehr Haltung und Verstand betrachten und einsehen, dass unsere Vorfahren in der Vergangenheit eindeutige Fehler gemacht haben. Wir müssen, sollten und dürfen ihnen das heute verzeihen. Denn ob die Vorfahren meiner Frau aus Frankreich, meine Ur-Groß-Eltern aus dem Norden von Griechenland oder die Opa’s und Oma’s die ich beim EDEKA im Schwabenland als Kind an der Kasse angelächelt hatte — natürlich wurden all jene zu der Zeit zu schlechten Gedanken verleitet. Manipulation herrschte schon immer. Egal wo.

Es war nicht Facebook und Twitter, sondern kleine und große Parteitage, Feste in der Region und lokale Stammtische, bei denen sich jemand fest entschlossen hatte, seine eigene Weltansicht auf die Masse zu übertragen. Der Mensch, du und ich, sind oft nicht stark genug und so lassen wir uns verleiten — dazu die Welt mit fremden Augen zu sehen.

Wir hatten keinen Urlaub nötig und auch war nicht der Antrieb mediale Profilierung oder “Schau her, wir können um die Welt reisen”. Meine Frau und Ich haben die Welt bereist, um uns ein eigenes Bild zu machen.

Der Schritt seine gewohnte Komfortzone zu verlassen, um sich fremde Kulturen näher anzuschauen und in ihnen zu leben, sich fremden Sitten und Ritualen zu öffnen und sich mit seiner eigenen Persönlichkeit in eine fremde Gesellschaft einzubringen, folgte aus einem ganz natürlichen Trieb heraus: Sich die Liebe und Vielfalt, die Magie und das Geschenk unserer massiven Geschichte mit eigenen Augen anzuschauen.

Wir haben auf dieser Reise um die Welt unseren Respekt, den wir aus unseren Familien und unserem engsten Umfeld erfahren haben einfach auf ganz natürliche Weise an die Menschen weitergeben, die uns auf der Reise begegnet waren. Es machte keinen Unterschied ob wir den Thailander oder den Australier anlächeln — ein Lächeln bleibt ein Lächeln. Es machte für uns keinen Unterschied, ob jemand mit uns Arabisch sprach, denn ohne Worte verstanden wir, dass er uns Hilfe und Schutz, Geborgenheit und Fürsorge anbieten möchte. Die Sprache des Herzens kennt keine Unterschiede — ihre Wurzeln führen immer auf Herzlichkeit zurück. Egal wo auf dieser Welt. Verstehen tut das auch ein blinder Mensch, denn es ist ein universelles Gefühl.

Am Ende zählt doch gar nicht woher wir kommen, sondern wohin wir gehen wollen. Schlussendlich leben wir gemeinsam auf dieser Erde und was uns bleibt sind die Unterschiede zwischen jedem Einzelnen von uns. Wir können das als Geschenk betrachten — denn in der Vielfalt liegt auch die Schönheit unseres Planeten.

Es ist unglaublich schwer sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist — mit allen seinen guten und nicht so guten Seiten. Und daher kann ich oft verstehen, dass es noch schwerer ist jemanden anzunehmen, der ganz anders ist. Doch wer gibt mir das Recht darüber zu urteilen, ob jemand Teil der ganzen Sache sein darf oder nicht ? Ich kann nicht Schöpfer und Herrscher spielen — denn das steht mir gar nicht zu.

Hätten mich die Menschen in mehr als 30 Ländern für meine Nase, für meine Haare, für mein Geschlecht, für meine Sprache, für meine Art wie ich bin verurteilt, dann wäre ich vermutlich heute ein fettes Arschloch, der die ganze Welt abgrundtief hasst. Doch ich habe in fünf Jahren Weltreise eine Sache gelernt: Wenn ich ein fettes Arschloch war, dann war das Leben massiv scheiße zu mir. Das hat ganze 3 mal — beinah — zu meinem vorzeitigen Ende geführt. Beim letzten Mal in Asien wurde ich verschont und ich weiß bis heute nicht weshalb. Doch ich habe daraus gelernt.

Ich habe gelernt, dass ich nur ein wenig Sternenstaub bin, der das Glück hatte, dass sich über Millionen von Umwegen meine Eltern fortgepflanzt hatten und ich vor fast 30 Jahren das Licht der Erde in Weingarten, Deutschland erblicken durfte. Ich habe gelernt, dass das Leben viel zu schön ist, um ein Arschloch zu sein. Denn Arschloch sein ist einfach scheiße. Keiner will ein Arschloch sein und doch sind wir es manchmal. Mal ein Arschloch sein ist komplett menschlich. Doch es ist viel menschlicher ein Mensch zu sein. Das liegt uns mehr und es ist auch viel angenehmer.

Für uns alle.

In diesem Sinne: Lasst uns unsere Arschloch-Seiten ablegen und lasst uns unsere fette, massive, geniale und so unglaublich wundervolle Menschlichkeit in die Welt hinaustragen — das ist viel gechillter und um einiges cooler, als als Arschloch in die Geschichte der Welt einzugehen.

Ein “Mal-Arschloch, aber öfters viel lieber ein Mensch-Typ”
namens, Alexandros Tsachouridis Mondon

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Alexandros Tsachouridis
Alexandros Tsachouridis

Written by Alexandros Tsachouridis

Traveler, Ex-Husband, motivational and inspirational speaker, believing that brutal honesty & personal responsibility is the key to live the full potential.