“Lieber Blogger als Influencer!” Der Reisedepeschen Verlag im Interview

Frankfurter Buchmesse
4 min readJul 2, 2018

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Der von zwei Travelbloggern gegründete Reisedepeschen Verlag hat 2018 die Wildcard der Frankfurter Buchmesse (national) und damit einen Messestand gewonnen. Dessen „Reisedepeschen” werden als aufwendig gestaltete Printbücher zusammen mit anderen Travelbloggern und Designern konzipiert. Zeit für ein Interview mit den Gründern Marianna Hillmer und Johannes Klaus.

1. Ihr seid neben dem Verlag hauptberuflich Reiseblogger — wie ist es dazu gekommen?

Marianna: Richtig, vor sieben bzw. acht Jahren haben wir unsere Reiseblogs begonnen, die sich recht schnell zu einem richtigen Job entwickelten — obwohl wir nie diesen Plan hatten. Wir schrieben über unsere Reisen, haben viel positives Feedback bekommen und aus Neugierde an den daraus resultierenden Möglichkeiten unsere Selbstständigkeit aufgebaut. Dabei dienen die Blogs vor allem als Portfolio, also um zu zeigen, was wir können — beraten, schreiben, fotografieren oder Videos machen. Unsere Rolle als Blogger hat sich allerdings über die Jahre gewandelt, vom aktiven Blogger hin zu einer eher redaktionelleren Aufgabe, insbesondere bei reisedepeschen.de. In den letzten Jahren schnupperten wir als Buchautorin bzw. als Herausgeber in die Buchbranche hinein. Aus dieser Erfahrung heraus ist die Idee für einen eigenen Verlag gewachsen.

2. Das besondere an Reiseblogs ist das schnelle, digitale Publizieren — tägliche Updates inklusive. Warum habt Ihr euch zusätzlich für gedruckte Bücher entschieden?

Johannes: Wir haben mit unseren Blogs nie das recht neue Profil eines schnellen, täglichen Updates bedient, das vor allem durch das stetige Veröffentlichen auf den Social Media Kanälen, vor allem Youtube und Instagram, aufgekommen ist. Die Blogs waren immer der Kern. Sie sind Spielwiese ohne die Einschränkungen eines Businessplans — ob Video, Text, Foto, Beitragslänge oder auch Aktualität der Thematik. Was wir zuletzt mit travelepisodes.com nochmal deutlich gezeigt haben. Daraus entstanden auch drei gleichnamige Bände in Zusammenarbeit mit Malik National Geographic. Bei der Arbeit an den Büchern ist eines ganz besonders deutlich geworden: Viele Geschichten gewannen ungemein, lektoriert und auf Papier gedruckt. Sie machten mehr Freude. Ich konnte mich besser an die Inhalte erinnern. Ein Buch bietet viel weniger Ablenkung, man muss nur lesen und umblättern.
Gleichzeitig haben wir immer deutlicher gemerkt, dass Bücher, die wir im Reisebereich gerne finden würden, viel zu selten existieren.

3. Ihr habt in der Wildcard-Bewerbung eure Community in den Vordergrund gestellt. Wie unterscheidet sich das Community-basierte Publizieren vom klassischen Verlag?

Marianna: Wir haben zwei unserer drei Bücher komplett als Mehrautorenbücher konzipiert. Dabei sind jeweils zwischen zwanzig und vierzig Blogger und Reiseautoren an einem Titel beteiligt. Eine unglaubliche Vielfalt an kreativen Ideen, Erlebnissen und Wissen kommt so zusammen! Wir haben versucht den Autoren so wenig Vorgaben wie möglich zu machen, um den individuellen Charakter beizubehalten, schließlich heißt die Reihe nicht umsonst “Geheimtipps von Freunden”. Für das “Deutschland im Winter”-Reisehandbuch sind wir sogar noch einen Schritt weitergegangen und haben unsere Newsletter-Abonnenten mit eingebunden, aus deren Einreichungen eine wundervolle Sammlung an ungewöhnlichen Weihnachtsmärkten und Museen entstanden ist. Und schließlich wurde ein wichtiger Grundstein für den Verlagsstart gelegt, in dem wir die drei Bücher durch ein Crowdfunding vorbestellbar machten — die wahnsinnig positive Rückmeldung hat gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind.

4. Ihr finanziert euch durchs Bloggen. Was ratet Ihr Jugendlichen, die als Berufswunsch „Influencer“ angeben?

Johannes: Erst einmal sehen wir einen große Unterschied zwischen einem Blogger und einem “Influencer”, der sich hauptsächlich mit Minibeiträgen auf Social Media-Plattformen bewegt. Ein Blogger kann Influencer sein, aber ein Influencer muss kein Blogger sein — dazu gehört ein eigener Blog als zentrales Medium. Davon abgesehen können wir nur betonen, dass Bloggen als Beruf ebenso zeitaufwendig ist wie viele andere auch. Die allgemeine Vorstellung, man knipst mal eben ein Foto, schreibt ein paar Sätze dazu und stellt es dann online entspricht nicht der Realität. Das Wichtigste ist: Seh das Bloggen nicht als Aufgabe oder als Weg, schnell reich zu werden oder kostenlos die Welt zu bereisen. Hab eine Thematik, für die du brennst! Nur dann bist du überzeugend, kannst gut werden und andere Leute dafür gewinnen. Der Rest ist Retorte und völlig austauschbar.

5. Welche Erwartungen habt Ihr an die 5 Messetage im Oktober?

Marianna: Wir sind neugierig auf die Branche. Wir haben uns als Quereinsteiger einen ersten Einblick erarbeitet und wünschen uns, diesen durch die Buchmesse in allen Bereichen deutlich zu vertiefen. Wir hoffen auf viele interessante Gespräche, auf einen ehrlichen Austausch und das Kennenlernen neuer interessanter Menschen. Auch wollen wir Menschen aus den Online-Communities und der Verlagswelt zusammenzubringen. Am Ende wollen wir das Gefühl haben, dass wir im nächsten Jahr definitiv wiederkommen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch!

(Das Interview führte Frank Krings, PR Manager der Frankfurter Buchmesse.)

Tickets zur Frankfurter Buchmesse sind hier erhältlich.

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