“Mentoring heißt: Lernen für’s Leben”

Peter Diekmann
5 min readFeb 18, 2018

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Coverbild von Mentoring — Wissenswertes und Persönliches

Vor einiger Zeit haben Die Karrieremacher nach freiwilligen Autoren gesucht, die Erfahrungen im Mentoring gemacht haben und dies unter Aspekten neuer Arbeitsformen und -welten reflektieren. Da mich dieses Thema seit Jahren beschäftigt, habe ich gern einen Teil dazu beigetragen, den ich Euch nun auch hier zur Verfügung stellen möchte. Dies ist nur ein kleines Kapitel eines ganzen, kostenlosen (!) Buches, dass sich an Menschen richtet, die sich für Mentoring interessieren und wissen wollen, was sich dahinter verbirgt. Neben mir teilen auch andere erfahrene Mentoren ihre Geschichten und geben damit wertvolle Anhaltspunkte, was sich tatsächlich mit Mentoring erreichen lässt. Im Gegensatz zur existierenden und sehr wissenschaftlichen Literatur, die sich häufig mit Mentoring als Förderinstrument für Frauen, Migranten, etc. beschäftigt, richtet sich das Buch an jeden Menschen, der sich persönlich oder fachlich weiterentwickeln möchte — sowohl als Mentee als auch als Mentor. Zugleich gibt das Buch Tipps & Tricks für die verschiedenen Phasen eines Mentorings. Dazu wird ausgehend von einer Darstellung von Mentoring in der Vergangenheit über Mentoring-Arten eine Brücke zu Mentoring im digitalen Zeitalter geschlagen. Hier könnt Ihr das Buch als eBook bestellen bzw. direkt downloaden. Es steht unter einer Creative Commons Lizenz, die eine nicht-kommerzielle, kostenfreie Verbreitung zulässt.

Mentoring ist etwas, das ich eigentlich erst verstanden habe, als ich schon mittendrin war. Als ich 2004 mein zweijähriges PR-Volontariat in einem DAX-Konzern begann, wurde ich einer überaus engagierten Ausbilderin zugeteilt. Sie brachte mir nicht nur viele fachliche Dinge bei, sondern fühlte sich auch für mich als Person und meine Weiterentwicklung zuständig. Erst als sie das Unternehmen verlassen hatte, und mir aus der Ferne trotzdem noch zur Seite stand, begriff ich, dass sie für mich eine Rolle als Mentorin eingenommen hatte. Gleichzeitig bemerkte ich, dass denen, die nach mir anfingen, genau so jemand fehlte. Als ich 2010 die selbst Ausbildungskoordination für PR-Volontäre übernahm, bin ich nach und nach selbst in die Rolle des Mentors geschlüpft und habe diese bei einem Wechsel des Arbeitgebers drei Jahre später beibehalten. Die Erfahrungen mit meiner ersten Ausbilderin haben mir auch geholfen, die Rolle des Mentors von allen anderen Rollen zu trennen und sie besser zu verstehen. Auch deswegen möchte ich ihr diesen Text widmen.

Parallel stellte der Verein der Leipziger PR-Studenten (LPRS e.V.) an meiner ehemaligen Uni Überlegungen an, ein Mentoring-Programm mit Studierenden und Alumni aufzubauen. Für mich als aktiver Alumni im Verein war klar, dass ich dabei mitwirken würde. Wir haben zuerst versucht, unser Mentoring mit externer Hilfe aufzubauen, das jedoch schnell wieder sein lassen, als wir bemerkt haben, dass wir uns das als Verein unmöglich leisten konnten. Also haben wir die Sache selbst in die Hand genommen, und ich hatte die große Ehre und das Vergnügen, bei den ersten zwölf Mentoren dabei zu sein. Mittlerweile betreue ich meinen dritten Leipziger Mentee und möchte davon nicht mehr lassen, weil es so bereichernd ist.

In meinem aktuellen Job bei der Bertelsmann Stiftung habe ich als Ausbildungskoordinator die Verantwortung für unsere Volontäre im Digital-Team. Auch wenn es bei uns kein formales Mentoring-Programm gibt, verstehe ich meine Rolle doch auch als Mentor — so wie meine Ausbilderin damals. Das wollen unsere Volontäre auch und fordern das zum Teil aktiv ein. Dabei mache ich die schöne Erfahrung, dass einige auch nach ihrer Ausbildung sowohl untereinander als auch mit mir in Kontakt bleiben und den Austausch suchen. Unabhängig davon sehe ich jede von Ihnen immer gerne wieder.

Reverse Mentoring: Als Mentor selbst fit bleiben für den digitalen Wandel

Aber zurück zum Mentoring-Programm des LPRS: Anstatt zu viele Worte über Rahmenprogramm, Matching und Auswertung zu verlieren, möchte ich an dieser Stelle lieber einige meiner Erfahrungen als Mentor teilen. Was ich am LPRS sehr schätze ist, dass er mir ermöglicht, mit der Lebenswelt junger Menschen im Kontakt zu bleiben und von ihnen zu lernen. Ich verdanke es meinen Mentees (und dem LPRS-Netzwerk drum herum), dass ich auch bezüglich neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse immer auf dem laufenden bin. Das ist für meine Arbeit unglaublich wertvoll. So lerne ich beständig über neue Medien und Kommunikationskanäle wie bspw. Musical.ly oder Snapchat dazu, die mir sonst eher fremd währen. Dazu gehört auch, kritisch zu reflektieren, dass mich neue Mentees als Experten für digitale Kommunikation kaum ernst nehmen würden, wenn ich neue Tools nicht wenigstens ausprobieren und mich selbst damit beschäftigen würde. Das ist schon eine enorme Challenge, und ich bekenne ehrlich, für manch ein Kommunikationsverhalten nicht mehr geeignet zu sein. Wenn mich aber meine Mentees in diesem Punkt für voll nehmen, dann weiß ich auch, dass ich mich in meinem Arbeitsumfeld gut behaupten kann. Andererseits fordere ich ja auch meine Mentees heraus: ich frage viel, will alles wissen und kann auch unbequem sein, wenn im Tandem nur einer strampelt.

Ein schönes Beispiel hierfür ist meine erste Mentee im LRPS, die ich vom Anfang ihres Masters bis zum Berufseinstieg begleitet habe. Am Ende ihres Studiums überraschte sie mich damit, in einer Unternehmensberatung arbeiten zu wollen. Davon war vorher nie die Rede gewesen. An der Stelle bin ich schon auch zu einem Widerpart geworden, der sie mit Gegenargumenten bombardiert hat, weil ich nicht glauben konnte, dass sie in der Beratung glücklich wird. Was soll ich sagen? Sie hat es trotzdem gemacht und hat es nie bereut. Als ihr Mentor wollte ich aber sicherstellen, dass alle Fragen beantwortet, alle Argumente ausgetauscht waren. Und ich habe auch hier dazu gelernt und Vorurteile gegenüber Beratungshäusern abgebaut.

Lernen im Tandem: Beide Seiten gewinnen

Mentoring hat für mich immer zwei Seiten. So wie ich Fragen stelle und Dinge wissen will, so brauche ich als Mentor natürlich auch die Neugier und Wissbegierde von Seiten der Mentees. Da bin ich bis heute noch nie enttäuscht worden. Ich ermutige ja meine Mentees auch, aktiv bei mir nachzubohren. Was ich nach all den Jahren überaus faszinierend finde ist, dass die Absolventen von Jahr zu Jahr emotional intelligenter werden. Das fordert mich als Mentor. Und es wird die zukünftigen Vorgesetzten und Firmen dieser Absolventen fordern. Denn sie definieren mit ihrer emotionalen Intelligenz Führung ganz anders als meine Generation und die darüber. Das lässt für die Zukunft Gutes für das Thema Führung in den Betrieben erhoffen.

Als Mentor ist es für mich eine Bereicherung zu erleben, wie meine Mentees in ihren jungen Jahren unverkrampft und direkt an Herausforderungen rangehen und sie dann auch unkompliziert lösen. Von dieser Leichtigkeit können wir Älteren wiederum viel lernen. Von daher bedeutet für mich Mentoring Lernen fürs Leben auf beiden Seiten. Es ist keine Einbahnstraße; ich nehme daraus auch viel für mein Berufsleben mit. Der Verzicht auf den Austausch mit meinen Mentees wäre Gift für meine persönliche Weiterentwicklung. Mentoring gibt mir für mich selbst die Bestätigung, dass ich noch auf dem richtigen Weg bin. Es ist schön, sein Wissen weiterzugeben und widergespiegelt zu bekommen, dass es wertvoll ist. Wenn Mentees das anerkennen, was ich ihnen als Mentor geben kann, ist das für mich das größte Kompliment.

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Peter Diekmann

Digitale Kommunikation @ Bosch Stiftung, normal nerdig, fragt gerne nach dem "Why"?