Warum ich “Scrivener” (meistens) nicht mehr benutze

Falko Löffler
3 min readJan 19, 2016

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Scrivener habe ich entdeckt, als es Beta-Version 0.8 war. Es war eine kleine Offenbarung: ein komplettes Schreibstudio, eine vielseitige Textverarbeitung, viele Features, ein Monster, ein Traum. Es war viele Jahre mein Tool der Wahl für alles. Version 1 gab es nur für den Mac, und viele Schreibende wechselten nur wegen Scrivener zu Apple. Inzwischen gibt es Version 2 auch für Windows und sogar eine inoffizielle Linux-Portierung.

Und ich benutze es nur noch fürs Schreiben von Drehbüchern.

Die Stärke von Scrivener ist, dass die Phasen des kreativen Schreibens darin abgebildet werden. Man kann das Gerüst eines Plots in der “Outline”-Ansicht aufbauen oder mit einem Klick zur virtuellen Pinnwand wechseln, während man die eigentliche Schreibarbeit auch im Vollbildmodus ungestört erledigen kann. Arrangieren per Szenen? Drag and Drop. Organisieren der Szenen im Bezug auf Figuren oder Details? Mit den Metadaten. Sammeln von Recherchematerial? Einfach in den entsprechenden Ordner in Scrivener ziehen.

Während ich über die Jahre (*hust*) an meinem Politthriller geschrieben habe, bin ich mit dem Ding an die Wand gefahren. It’s not you, it’s me — es lag nicht an Scrivener, ich brauchte für das Projekt eine neue Schreibumgebung. Was war passiert?

  • Schön ist, dass ein Scrivener-Projekt ein einziges File auf der HDD ist. Allerdings ist es ein Paketfile, in dem jedes Asset einzeln gesichert wird. Hat man viele einzelne Textdokumente im Projekt und massig Recherchematerial reingeladen, sind das ruckzuck tausende kleine Files. Mein Romanprojekt hatte schnell an die 200 MB — und die auf einen Stick zu kopieren, dauerte ewig.
  • Außerdem hatte ich massig Textdokumente mit Notizen und Ideen angelegt und darin völlig den Überblick verloren.
  • Trotz der Funktionen, die Scrivener bot, machte ich Fehler bei der Figurenführung. Wie gesagt, Szenen lassen sich schnell per Drag and Drop rumschieben, aber macht man dann den Fehler, eine Szene nicht direkt durchzugehen, vergisst man, dass darin eine Figur vorkommt, die nun nicht mehr passt. Klingt banal, aber wenn man den Text in einem langen Doc manuell markiert, ausschneidet, kopiert, überfliegt man ihn auch und kann das auffangen. Damit verbunden:
  • Ich merkte, dass ich mehr Zeit damit verbrachte, die Metadaten der Szenen zu verwalten als einfach zu schreiben. Vergisst man ein paar Mal, die Metadaten zu bearbeiten, nachdem man eine Figur aus einer Szene rausgeschrieben hat, muss man den gesamten Text und alle Metadaten überprüfen.

Irgendwann war mir klar, dass ich den Moloch von Roman aufgeben musste oder etwas ändern. Ich entschied mich, aus dem riesigen File NUR den Romantext in der aktuellen Fassung, mit allen Fehlern darin, rauszukopieren und in ein Google Doc einzufügen. Außerdem machte ich mir ein einziges Doc für Notizen, in das ich alle relevanten Sachen notierte, die ich in den unzähligen Scrivener-Textfiles notiert hatte.

Das half. Klar, ich musste den Text mehrmals intensiv durchgehen, aber es war nur noch EIN Text vor meiner Nase. Vor allem habe ich von der Plattformunabhängigkeit profitiert. Ob Notebook, Tablet oder Smartphone — ich hatte immer Zugang zu meinem Romantext, musste nur kurz synchen und konnte weiterarbeiten. Gespeichert wird automatisch, Versionen werden gesichert — keine Abstürze mehr, kein Textverlust. Ich musste feststellen, dass das für mich eine größere Erleichterung als die Komfortfunktionen eines Scrivener darstellt. Für Drehbücher ist die Struktur des Programms vor allem im Hinblick auf seinen Preis ungeschlagen.

Damit will ich nicht sagen, dass Scrivener ungeeignet wäre. Im Gegenteil, wer ernsthaft schreiben will, sollte die paar Euro für das Programm unbedingt lockermachen. Es könnte ein unübersichtliches Buchprojekt retten, das gerade in einem Google Doc schlummert.

(Der Roman ist übrigens fertig. Wann er erscheint, liegt in der Hand des Verlags.)

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