Das gute digitale Leben

Lea Gimpel
3 min readMay 19, 2015

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Photocredit: getrefe.com

Wir sind ziemlich normal. Wir nutzen Smartphones, Tablets und E-Reader so wie jeder andere auch. Tagsüber sind sie unsere ständigen Begleiter. Nachts wachen sie an unserer Seite. Wir tracken unseren Schlaf und unsere sportlichen Aktivitäten. Und fragen uns, wo eigentlich unsere Daten landen. Wir nutzen Google Mail, aber überlegen schon länger, zu Posteo zu wechseln. Wir haben uns Verschlüsselung schon einmal angeschaut und auch alles eingerichtet. Einige PGP-verschlüsselte Mails später war dann aber Schluss: Der Freundeskreis mit PGP-Key war zu klein, das Masterpasswort zu sicher. Wir googeln. Aber wir haben auch alternative Suchmaschinen installiert, die weder Suchanfragen noch IP-Adresse speichern — allerdings nur auf der Hälfte unserer Geräte. Wir sind schrecklich inkonsequent und bequem. Wir tauschen uns mit Freunden in Australien, Vietnam, Äthiopien oder Brasilien über Facebook und Twitter aus, manchmal auch auf Instagram oder Pinterest. Es ist toll zu sehen, wie die Kinder unserer Freunde aufwachsen, obwohl sie einen Interkontinentalflug weit entfernt leben. Und doch fragen wir uns, ob auch wir Bilder unserer Kinder bei Facebook hochladen würden.

Wir haben keine Angst. Weder vor selbstfahrenden Autos und dem Internet der Dinge, noch vor künstlicher Intelligenz. Im Gegenteil: Fortschritt, das hört sich erstmal gut an. Und es fühlt sich gut an, dabei zu sein. Wir sind gespannt darauf. Aber insgeheim fragen wir uns, wie weit wir am Ende bereit sind mitzugehen. Wenn es nicht mehr nur darum geht, das neue iPhone mit dem noch größeren Bildschirm und der noch besseren Kamera wie ein Kleinod aus der Verpackung zu heben, designed in California. Sondern wenn Wearables, Implantate und Roboter Teil unseres Alltags werden. Wenn wir die Liebe in Zeiten künstlischer Intelligenz erleben, wie Joaquin Phoenix in Spike Jonzes Film “Her”. Sind wir bereit, uns mit unseren Kindern über die eine Maschine oder das eine Programm zu unterhalten, das sie wie niemand sonst versteht? Nein — und dann wieder doch. Weil so etwas zwar noch Zukunftsmusik ist, aber bereits in allem, was uns umgibt, vorgezeichnet ist. Und wir sind dabei mitten drin. Allerdings mit einem Unbehagen, das mit jeder Nachricht, in der die Potenziale von Big Data für Versicherungen gefeiert werden und jeder Industrie 4.0-Meldung wächst. Was passiert hier eigentlich?

Wir wollen nicht weiter zusehen, wie globale Konzerne die Regeln bestimmen, nach denen unser digitales Leben funktioniert. Und unsere Politiker, wenn überhaupt, schlecht informierte Entscheidungen treffen. Wir wollen einen reflektierten Diskurs über die digitale Zukunft unserer Gesellschaft mit mündigen Bürgern führen, die von Anbietern und der Politik darüber informiert werden, welche Risiken und Nebenwirkungen die Digitalisierung hat. Wir wollen ein sinnvolles Upgrade von Gesetzen und Normen, die zu unserem digitalen Leben passen und das Internet als Allgemeingut schützen, zu dem jeder einen gleichberechtigten Zugang hat. Das Internet muss eine Stütze der offenen, solidarischen Gesellschaft weltweit sein, nicht ihr Totengräber. Dafür brauchen wir eine starke Zivilgesellschaft, eine neue Bewegung, die sich Transparenz und den Schutz unserer privaten digitalen Daten auf die Fahne schreibt. Denn diese Daten sind ein Abbild unserer selbst. Wir wollen Alternativen zu dem, was es jetzt gibt. Im digitalen Raum genauso wie im analogen. Denn eine Wahl zu haben, ist die Grundlage von Freiheit.

Müssen wir dafür politisch sein? Ja. Wir sind so politisch, wie es die digitale Revolution von uns verlangt. Denn wir wollen ein selbstbestimmtes Leben, für alle, digital und analog.

Wie das aussehen soll? Wir wissen es noch nicht. Aber wir sind auf der Suche. Nach einem Weg, der zwischen digitaler Selbstaufgabe und dem Rückzug ins Analoge entlang führt. Zwischen Treibenlassen im Datenstrom und Holzhacken im Wald. Zwischen Mae und Mercer.

Wir erleben eine digitale Revolution, die wir momentan noch gestalten können. Das ist unsere Mission, das wollen wir. Wir suchen das gute digitale Leben. Und Mitsuchende. Denn wir glauben, dass diese Reise wichtig ist — und nicht zuletzt eine Menge Spaß machen wird.

Das hier ist unser Anfang.

#gutesdigitalesleben #dagudil

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Lea Gimpel

Impatient optimist. Digital rights advocate. Public sector innovation enthusiast. Digital transformation lead @giz_gmbh. All views are personal.