Jens Christian Heuer
6 min readJun 3, 2015

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Edwin Hubble und die Expansion des Weltalls

In den Jahre 1922 und 1923 untersuchte der Astronom Edwin Hubble mit dem damals weltgrößten 2,5m Hooker-Spiegelteleskop am Mount Wilson Observatorium den Andromedanebel (M31, Nr.31 in dem Katalog der Sternhaufen, Galaxien und Nebel des französichen Astronomen Charles Messier), einen Spiralnebel, den man schon mit bloßem Auge am Himmel erkennen kann. Die Natur der Spiralnebel war seinerzeit umstritten. Einige Astronomen meinten, es handele sich um ferne Sternansammlungen, ähnlich unserer Milchstraße. Die meisten Astronomen betrachteten die Spiralnebel jedoch nach wie vor als Objekte innerhalb unserer Milchstraße.

Andromeda Galaxie (M31), Mt. Palomar Observatory

Hubble gelang es nun aber, den Andromedanebel M31 eindeutig in Einzelsterne aufzulösen. Unter den einzeln aufgelösten Sternen entdeckte er auch einige veränderliche, regelmäßig pulsierende Riesensterne, die Cepheiden.

Im Jahre 1912 hatte die Astronomin Henrietta Swan Leavitt (1868–1921) bei den Cepheiden einen direkten Zusammenhang zwischen der Periodendauer und der Leuchtkraft entdeckt. Je länger die Periode, je langsamer der Stern also pulsierte, umso größer war die Leuchtkraft (im Maximum und Minimum der Periode) und umgekehrt.

Mit Hilfe der Cepheiden konnte Hubble nun erstmals auch die Entfernung zum Andromedanebel bestimmen. Er verglich einfach die sich aus ihrer Periode ergebende absolute Leuchtkraft mit der von der im Teleskop zu beobachtenden relativen Leuchtkraft und leitete daraus ihre Entfernung her. Sie betrug volle 1 Million Lichtjahre, also lag auch die Andromeda Galaxie weit außerhalb unserer Milchstraße. Damit war die Sache entschieden. Der aus vielen Einzelsternen bestehende Andromedanebel war eine eigenständige Galaxie, eine Welteninsel ähnlich unserer Milchstraße.

Edwin Hubble (1889–1953) und das 2,5m (100 inch) Hooker-Teleskop im Mt.Wilson Observatorium (Wikipedia und http://www.astro.caltech.edu/).

Durch Hubbles Entdeckung der wahren Natur der Spiralnebel war das Weltall auf einmal plötzlich viel größer geworden.

Hubble unterschätzte die Entfernung des Andromedanebels sogar noch, denn es stellte sich später heraus, daß es zwei unterschiedliche Cepheidentypen mit unterschiedlichen Perioden-Leuchtkraft-Beziehungen gibt. Kalibriert man dementsprechend neu, so ergibt sich eine Entfernung von rund 2,2 Millionen Lichtjahren zur Andromeda-Galaxie. An der grundsätzlichen Richtigkeit der Erkenntnisse Hubbles ändert das aber nichts.

Hubble entwickelte auch ein System der Klassifizierung von Galaxien, das diese nach ihrem optischen Erscheinungsbild in Form eines Stimmgabeldiagramms ordnete. Es gab die elliptischen Galaxien am Griff der Stimmgabel. Sie waren rund oder eher langgestreckt (E0-E7). Dort wo die Zinken mit den Spiralgalaxien abzweigten war eine flache Scheibe (S0), eine Spirale ohne erkennbare Arme. Die Spiralgalaxien unterteilten sich in gewöhnliche Spiralen (Sa-Sc) und in Balkenspiralen (SBa-SBc), die sich jeweils in der Ausprägung ihres Kernbereichs und ihrerSpiralarmen unterscheiden. Außerhalb des eigentlichen Stimmgabeldiagramms ordnete Hubble die irregulären Galaxien ein. Dabei handelte es sich um Sternansammlung ohne erkennbare Ordnungsstruktur.

Hubble vermutete, daß sich hinter dem Stimmgabeldiagramm ein Entwicklungsprozess der Galaxien verbirgt, konnte dafür aber keine Beweise finden.

Hubble´s Stimmgabel-Diagramm zur Klassifizierung der Galaxien. Es gibt elliptische und Spiralgalaxien, daneben aber auch noch irreguläre Galaxien (Wikipedia).

Hubble gelang noch eine weitere Entdeckung, die unser Bild vom Weltall entscheidend veränderte. Er fand eine Beziehung zwischen den Entfernungen der Galaxien und dem Dopplereffekt in ihren Spektren. Fast alle Galaxien zeigten eine Rotverschiebung in ihren Spektren, die umso größer war je größer die Entfernung. Mit anderen Worten nahezu alle Galaxien entfernten sich von unserer Milchstraße, wobei die Fluchtgeschwindigkeit mit wachsender Entfernung zunahm. War am Ende, wenn nicht die Erde, so vielleicht doch immerhin unsere Milchstraße der Mittelpunkt des Weltalls?

Doch dem ist nicht so, wie man sich anhand eines einfachen Modells schnell klar machen kann. Der Hefeteig eines Rosinenkuchens stehe für das Weltall und die Rosinen für darin befindlichen Galaxien. Beim Aufgehen dehnt sich der Teig in alle Richtungen aus, so daß auch die Abstände zwischen den Rosinen größer werden. Aus der Sicht jeder beliebig herausgegriffenen Rosine eilen alle anderen Rosinen davon und zar umso schneller, je weiter sie entfernt sind. Das muss auch so sein, da mit wachsender Entfernung sich mehr Teig zwischen ihnen befindet, der sich ausdehnen kann. Genauso ist es auch beim Weltall. Der Raum zwischen den Galaxien dehnt sich aus und damit auch das gesamte Weltall (Expansion des Weltalls). Mögliche Beobachter in jeder dieser Galaxien wähnen sich im Mittelpunkt des Weltalls, da sich aus ihrer Sicht alle anderen Galaxien entfernen. Da alle Galaxien gleichberechtigt sind gibt es aber überhaupt keinen wirklichen Mittelpunkt des Weltalls.

Hubble fand einen gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen den Entfernungen der Galaxien und ihrer Fluchtgeschwindigkeit, der auf eine Expansion des Weltalls hindeutet, Edwin Hubble (http://www.pnas.org/).

Wie oben beschrieben beobachtet man bei nahezu allen Galaxien eine Rotverschiebung. Aber warum nicht bei allen? Galaxien schliessen sich über begrenzte Entfernungen infolge ihrer gegenseitigen Masseanziehung (Gravitation) zu Gruppen und Haufen zusammen. So bildet unsere Milchstraße mit der Andromedagalaxie (M31) und anderen Nebeln die “lokale Gruppe”. Gruppenmitglieder nähern sich dabei desöfteren sogar einander an. Deshalb beobachtet man unter den näheren Galaxien auch immer wieder einmal eine Blauverschiebung im Spektrum. Im größeren Maßstab betrachtet, entfernen sich jedoch alle Galaxien voneinander und man misst regelmäßig eine Rotverschiebung.

Große Unsicherheiten gab es aber bei der Entfernungsbestimmung der Galaxien. Bei weiter entfernten Galaxien waren die Cepheiden nicht mehr auszumachen und Hubble musste auf andere, höchst unsichere Methoden ausweichen. So gab es beispielsweise die Möglichkeit die scheinbare Helligkeiten von Gaswolken oder Sternexplosionen (Novae und Supernovae) in weit entfernten Galaxien mit der Helligkeit ähnlicher Erscheinungen in näheren Galaxien zu vergleichen, deren Entfernung man bereits kannte. Bei weit entfernten Galaxienhaufen machte sich Hubble die Tatsache zu Nutze, daß es dort immer eine besonders massereiche elliptische Galaxie im Zentrum gab. Hubble ging davon aus, daß sie eine Obergrenze für die mögliche Masse von Galaxien darstellten, also die maximal mögliche Galaxienhelligkeit besaßen. Unter dieser Annahme ließen sie sich als Standardkerzen für die Entfernungsbestimmung nutzen.

Trotz all dieser Unsicherheiten, an der von Hubble entdeckten Expansion des Universums war kaum zu zweifeln.

Das Universum erschien nun erstmals nicht mehr statisch und zeitlos, sondern es war dynamisch, es hatte eine Geschichte und veränderte sich dabei. Rechnete man die Expansion des Universums rückwärts in die Vergangenheit, so schrumpfte es immer mehr zusammen bis irgendwann einmal Raum und Materie in einem Punkt vereint waren. Das Universum musste also einen Anfang haben. Diese Überlegungen führten dann direkt zur Theorie vom Urknall.

In den darauf folgenden Jahren versuchte Hubble herauszufinden, ob das Weltall offen war, sich also immer weiter ausdehnte, oder ob die Expansion irgendwann zum Stillstand kam, um sich dann umzukehren, das Weltall also geschlossen war. Die entscheidende Frage war: Gab es genug Materie und Energie, so daß die Gesamtschwerkraft ausreichte, um das Universum zu einer geschlossenen Raum-Zeit-Blase zu krümmen oder nicht?

Um das heraus zu bekommen versuchte Hubble zunächst die Anzahl der Galaxien als Funktion ihrer Entfernung zu bestimmen. Dabei ging er davon aus, daß im Durchschnitt die scheinbare Helligkeit der Galaxien mit ihrer Entfernung abnahm. Die über- oder unterdurchschnittlich hellen Galaxien würden sich bei einer ausreichend großen Anzahl herausmitteln.

Nahm die Anzahl der Galaxien überproportional mit ihrer Entfernung zu, so war das ein Hinweis auf ein positiv gekrümmtes, also geschlossenes Weltall. War die Zunahme dagegen unterproportional, so wies das auf ein negativ gekrümmtes, offenes Weltall hin. Eine proportional mit der Entfernung zunehmende Galaxienzahl deutete auf ein flaches Weltall, das lediglich in der Nähe größerer Massen lokal begrenzt gekrümmt ist.

Zum besseren Verständnis eine 2-dimensionale Analogie: Eine Kugeloberfläche ist positiv gekrümmt, ein Pferdesattel (Hyperboloid) dagegen negativ. Eine Steinplatte ist flach, hat also die Krümmung Null. Hier gelten im gegensatz zu den beiden anderen Fällen die Gesetze der euklidische Geometrie (z.B. Winkelsumme im Dreieck =180°).

Das Problem war auch hier die Entfernungsbestimmung der Galaxien, die mit großen Unsicherheiten behaftet war. Hubble meinte aber deutliche Hinweise auf ein geschlossenes Universum gefunden zu haben.

Jens Christian Heuer

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Jens Christian Heuer

Jens Christian Heuer, verheiratet (@Kornblume1966), eine Tochter (@arianeheuer)