Stromer — quo vadis? Der steinige Weg in die Zukunft der Elektromobilität

Jens Thaele
5 min readSep 15, 2017

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Die Zukunft ist elektrisch — aber wie?

Fossile Brennstoffe sind endlich. Das ist Fakt. Ein Umstieg auf alternative Technologien — auch im Verkehr — ist notwendig und steht außer Frage. Was muss technologisch jedoch passieren — welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden — damit der Traum von Elektromobilität und autonomen Fahren Wirklichkeit werden könnten?

Ausgelöst durch den Dieselskandal ist die Diskussion um alternative Antriebsarten heftiger und ideologischer denn je entbrannt. Von ersten Erfolgen einiger aktueller Modelle emotional angefeuert, steht hier die Antriebsvariante des batteriebetriebenen Elektromotors ganz besonders im Fokus der Betrachtungen. Staatliche Kaufprämien sollen den Umstieg in die Elektromobilität beschleunigen.

Aber ist das tatsächlich der richtige Weg? Führt dies nicht hauptsächlich zu Mitnahmeeffekten bei Kunden, die eh mit dem Erwerb eines Elektroautos liebäugelten und das nötige Kleingeld für die immer noch teuren Karossen auch ohne Zuschuss aufbringen könnten? Die Industrie entlang des Wertschöpfungsprozesses derartiger strombetriebener Vehikel sind selbstredend begeistert von solchen Steuergeschenken, die auch hier gerne mitgenommen werden. Aber verstellt es nicht vielmehr den Blick auf die tatsächlichen Herausforderungen, die es zu lösen gilt und in die jeder Cent an Investitionen fließen sollte?

Fortschritte hinsichtlich Batteriekapazitäten und kürzeren Ladezeitzyklen lassen einen kommerziellen Masseneinsatz einerseits wahrscheinlicher werden, andererseits ist die größte Schwachstelle — die fehlende Lade- und Energiespeicherinfrastruktur — nach wie vor die Achillessehne dieser Technologie.

Welche technologiepolitischen Entscheidungen müssen daher getroffen werden, um den Stromern einen optimalen Weg zu bereiten?

Leistungsfähige Stromtankstellen in völlig neuer Dimension

Stromtankstellen, besser gesagt tausende davon, an denen gleichzeitig — und jederzeit — hunderte Fahrzeuge innerhalb weniger Minuten ihre Batterien aufladen können, verlangen punktuell abrufbare Netzleistungen im Megawatt Bereich — der Größenordnung eines Kraftwerkes! Das diese Aufgabe nicht mit dem Bau entsprechend vieler, neuer konventioneller Kraftwerke erfüllbar ist, ergibt sich einerseits aus dem extrem hohen Kostenaufwand für solche Projekte und andererseits macht Elektromobilität umweltpolitisch nur dann Sinn, wenn die Energie „sauber”, also von regenerativen Quellen erzeugt wurde. Daher muss eine Infrastruktur aufgebaut werden, die folgende Voraussetzungen erfüllt:

  1. Es stehen ausreichend regenerative Energiequellen zur Verfügung, die ihre Energie in landesweit verteilte Energiespeicher einspeisen.
  2. Die Energiespeicher sind intelligent vernetzt, um Strom nach Bedarf im Netz zu verteilen

Die Errichtung einer derartigen Infrastruktur kommt einer wahrlichen Herkulesaufgabe gleich, die in ihrer gesamten Dimension sofort überdeutlich erkennbar wird, wenn diese zwei Grundvoraussetzungen näher beleuchtet werden.

Betrachten wir zunächst das Thema der Speicherung von Energie, die aus regenerativen Quellen gewonnen wurde.

Das ungelöste Speicherproblem

Die größte Herausforderung ist nicht die dezentrale Einspeisung vieler unterschiedlicher Energieträger — sei es Solar, Wind oder anderer Ökostrom. Dort wurde schon ein starker Zubau erzielt. Die ultimative Herausforderung ist die intelligente Verteilung und vor allem eine ausreichende Speicherung von Energie, damit auch bei widrigen Witterungsbedingungen — Dunkelheit, Windstille, Frost — stets ausreichend davon zur Verfügung steht. Im Ergebnis entspricht es in etwa demjenigen Energiekonzept, was landläufig als Energiewende bezeichnet wird und von dem man im Jahre 2018 immer noch weit entfernt ist.
Solange die Speicherung der notwendigen, riesigen Energiemengen nicht gelöst ist, kann kein einziges konventionelles Kraftwerk abgeschaltet werden.

Nun unterstellen wir ganz mutig, die Herausforderung der Energiespeicherung sei — irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft— gelöst …

Intelligente Stromnetze als Schlüsseltechnologie

Zur Umsetzung der Energiewende gehört, als ein weiterer wichtiger Baustein, die intelligente Vernetzung aller Komponenten. Digitalisierung und erfolgter Breitbandausbau mit Glasfasernetzen sind dafür unentbehrliche Grundbedingungen.

Hintergrund: In einem intelligenten Energieverbund werden batteriebetriebene Fahrzeuge gleichzeitig Teil des Problems als auch Lösung der Aufgabe sein; denn künftige Fahrzeuggenerationen sind Energieverbraucher, -Erzeuger und -Speicher zugleich. Nur ein Teil des Fahrzeugparks bewegt sich gleichzeitig, verbraucht Strom oder wird geladen. Der andere, größere Teil, steht zumeist ungenutzt — verbunden mit dem Stromverbund — herum und kann so als Stromspeicher genutzt werden. Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung im Bereich der Photovoltaik, werden Autos künftig — mittels Solarzellen — einen Teil ihrer benötigten Energie selbst produzieren oder eben in Parksituationen und geladener Batterie ihren erzeugten Strom ins Netz liefern.

Die Schlüsselfunktion zur Koordination der Millionen von beteiligten Netzkomponenten — und das werden neben Fahrzeugen tausende private und öffentliche, kleine und große Kraftwerke sowie Energiespeicher sein — kommt einer sicheren und zuverlässigen Echtzeit-Informationsverteilung, mittels entsprechender Festnetz- und Mobilfunk Breitbandnetzen der 5. Generation, zu.

Das ist eine absolute Generationenaufgabe! Um der Teils naiven Vorstellung weiter Gesellschaftsbereiche von der Dimension einer wirklich technisch funktionsfähigen Energiewende mit einem Beispiel zu begegnen: Die Errichtung eines Großflughafens oder eines unterirdischen Bahnhofs, wie Stuttgart 21, ist dagegen nicht mehr als ein netter Kindergeburtstag.

Durchgängige, echte Glasfaser-Gigabitnetze fehlen

Bereits jetzt rächen sich die Entscheidungen der vergangenen Regierungskoalitionen, nicht strikt nur reine Glasfasernetze zu fördern, sondern stattdessen noch Milliarden an Subventionen in einen antiquierten Rohstoff — die Kupferader — zu stecken. Als Grundlage aller zukünftigen, anspruchsvollen Echtzeitanwendungen ist die Glasfaser ein absolutes >must have< und der Mangel daran behindert bereits heute wichtige Innovationen in Deutschland. Ein flächendeckender Ausbau würde — selbst bei unterstelltem politischen Willen, der momentan nicht erkennbar ist — mindestens 10 Jahre in Anspruch nehmen. Allein die mangelnden Tiefbaukapazitäten verhindern eine schnellere Umsetzung. Deutschland wird hier auf absehbare Zeit leider europäisches Schlusslicht bleiben — mit allen negativen Konsequenzen.

Und da war doch noch Etwas?

Ach ja, das Mobilfunknetz der 5. Generation (5G) benötigt zwingend die Glasfaser im Festnetz, um seine technischen Vorteile auszuspielen. Ohne Glasfaser kein 5G, kein intelligenter Stromverbund, keine intelligente Verkehrsführung, kein wirklich intelligentes, autonomes Fahren.

Resümee: Alle Investitionen in die Infrastruktur und als Brückentechnologie — auch in der Praxis saubere — Verbrennungsmotoren fördern

So schließt sich der Kreis an Abhängigkeiten und die eingangs gestellte Frage, ob Geld in Form von Kaufprämien gut investiert sei, beantwortet sich logisch von allein. Nein, natürlich nicht!

Alle Investitionen gehören ausnahmslos in die notwendige Infrastruktur. Steht diese zur Verfügung — und nur dann — verkaufen sich elektrobetriebene Fahrzeuge, auch ohne künstliche Kaufanreize, wie geschnitten Brot; denn sie haben gegenüber ihren Schwestermodellen mit Verbrennungsmotoren konstruktiv gesehen immense Vorteile — könnten in Anschaffung, Unterhalt und Wartung, dann in Massenproduktion hergestellt, mit ansehnlichen Kostenvorteilen aufwarten.

Bis die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, wird Elektromobilität lediglich einen Teilbereich des Verkehrs abbilden, der sich in Form von aufwendigen Hybridmodellen, Fahrzeugen mit begrenzten Einsatzradien, wie beispielsweise dem öffentlichen Personen Nahverkehr, oder auch privaten Kurzstreckenfahrzeuge, manifestiert.

Für alle anderen Anwendungen benötigen wir noch auf längere Sicht, neue, saubere Verbrennungsmotoren, die weit weniger Schadstoffe ausstoßen, als die aktuelle EU-Verordnung dies bis 2030 vorschreibt. Möglich wäre das heute schon, nur, es fehlt auch hier wiederum der politische Wille.



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Jens Thaele

Consultant und Autor: Beratung, Blogs, Fachartikel, Tipps: Gestalten Sie die Welt, wie es Ihnen gefällt http://www.jensthaele.com/