Worauf bist Du stolz — auch wenn keiner guckt?

Pia Pusteblume
5 min readApr 15, 2018

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Ich habe ihn entdeckt. Diesen kleinen Gedanken, der mir irgendwie ständig die Tour vermiest. So klein. So unschuldig. Und doch immer da. So zentral, dass er alles prägt. Alles färbt. Nicht mal ein fester Gedanke, sondern eine Frage.
Egal was ich tue, ich kann sie immer hören:

„Ist das eigentlich gut genug?“

Diese Frage. Ich höre sie immer wieder. Überall. Und fühle mich getrieben. Jeden Tag, jede Stunde, jeden Atemzug. Sie treibt mich an und ich treibe mich an, sie zu beantworten. Schaue mich um und hole mir Bestätigung.

Wer kann mir sagen, zeigen, helfen, zu beweisen, dass das was ich gerade tue wirklich gut genug ist?

Und - Gott sei Dank - sind die Möglichkeiten zahlreich: Facebook, Instagram, Snapchat, Twitter. Likes, Follower, Kommentarfunktionen, Statistiken. Ich tue und die Welt reagiert. Ich frage „Ist das gut genug?“ und die Welt antwortet.

„Picture, or it didn’t happen.“

Und so bin ich beschäftigt. Mit fotografieren, teilen, kommentieren, Likes checken. Und das ist auch gut so. Denn würde ich kurz innehalten, würde mir bewusst, dass ich der wahren Frage so bloß davonlaufe. Dass hinter der Frage „Ist das gut genug?“ etwas fundamentaleres steckt. Eine Frage, die ich mir so zurecht forme, dass mir eine Chance bleibt sie zu beantworten.

Eine Frage, vor deren Antwort ich wahnsinnige Angst habe:

„Bin ich gut genug?“

Und ich kann nicht antworten. Denn ich kann niemanden fragen.

Und so frage ich stattdessen weiter: „Ist das, was ich hier tue, gut?“ Und die Welt antwortet. Mal sagt sie mir „ok“, mal sagt sie mir „fantastisch“, oft sagt sie mir „Naja, geht so.“ und an schlimmen Tagen „Was du tust interessiert mich nicht.“.
Und ich höre: „Du interessierst mich nicht.“ und „Du interessierst niemanden.“

Im Versuch mir selbst die Frage zu beantworten, ob ich gut genug bin, zerreiße ich mich schier, einer Welt, die es nicht beurteilen kann, zu beweisen, dass ich es bin.

Ich tue. Die Welt reagiert. Regiert.

Und dabei ist mir eigentlich völlig unklar, auf welche Antwort ich eigentlich warte. Welche Antwort mir wirklich beweisen würde, dass ich gut genug bin.

Woran würde ich merken, dass ich gut genug bin?

Wie viele Likes? Wie viele Follower? Wie viele Leser, wie viele Claps, wie viele Kommentare? Wie viele Trolls kann ein „gut genug“ vertragen, bevor es zum „doch nicht gut genug“ degradiert?

Momente. Allein mit der wahren Frage

Und dann gibt es sie, diese ruhigen Momente. Und ich suche sie, denn ich habe Angst vor ihnen. Denn dann bin ich ganz alleine mit ihr, der wahren Frage: „Bin ich gut genug?“

Und kann sie dann nur an mich selbst richten. In den Spiegel schauen, mich ansehen, in mich sehen. Suchen, nach Beweisen, die mir zeigen, dass ich gut genug bin.

Und dann muss ich aushalten, dass ich die Antworten nicht in meinem Tun finde.
Dass ich mich stattdessen der Frage stellen muss, was hinter dem ganzen Tun für ein Sein steckt.
Was für ein Mensch ich bin und was ich selbst von mir halte.

Was ist mir wichtig? Was ist richtig? Was ist falsch? Wie gehe ich mit mir selbst um? Bin ich überhaupt in der Lage, mir selbst im Spiegel mit Wohlwollen ins Gesicht zu blicken? Und was ist für mich eigentlich „gut genug“?

Halte ich es überhaupt für möglich, „gut genug“ zu sein? Ohne dafür etwas tun zu müssen? Ohne durch Statistiken, Likes und Tweets beweisen zu müssen, dass ich eine Daseinsberechtigung habe?

Versuche ich nicht täglich durch mein Tun erst einmal mir selbst zu beweisen, dass ich gut genug bin? Suche ich nicht täglich die Bestätigung und Anerkennung anderer, weil ich selbst nicht fähig bin mein Sein selbst und ohne Hilfe wertzuschätzen? Mich selbst als wertvoll zu sehen? Als einfach gut genug?

Bin ich gut genug, auch wenn keiner guckt?

Einfach so, wie ich bin.

Weil ich bin.

Nicht weil ich tue?

Ein Gedankenexperiment

Angenommen es sähe keiner zu…

Woher wüssten wir, ob das was wir tun gut ist? Ob die Person, die wir sind gut genug sind?

Um wieder zu lernen, uns selbst zu beurteilen, anzuerkennen und wertzuschätzen, müssten wir zunächst verstehen, dass wir selbst die einzigen sind, die uns überhaupt beurteilen, bewerten und wertschätzen können.
Uns unabhängig machen, von einer Welt, die sich selbst auch nur durch die Bestätigung einer gesichts- und seelen- und ratlosen Masse definiert. Eine Masse, die selbst verlernt hat, was sie für gut und richtig hält.

Doch dafür müssen wir zunächst selbst wieder verstehen, was wir für gut und richtig halten. Was uns wichtig ist. Und wieder lernen, dass wir selbst diejenigen und die einzigen sind, die insgeheim doch ganz genau wissen, was gut genug ist und was nicht.

Und dann wären wir wieder in der Lage eigene Gedanken zu fassen. Selbst zu denken, ohne dem hinterherlaufen zu müssen, von dem wir ausgehen, dass es uns die Anerkennung einer Welt geben wird, der nicht egaler sein könnte, was wir tun und wer wir wirklich sind. Eine Anerkennung, die wir uns selbst verlernt haben zu geben.

Wir hätten wieder Mut unsere Meinung zu vertreten. Wir hätten überhaupt wieder eine echte Meinung.
Eine Meinung, hinter der wir authentisch und sicher stehen könnten. Weil es unsere ist.
Eine Meinung, die die Welt verändern kann. Weil sie echt ist.

Stellen wir uns die revolutionäre Frage

Was täte Ich, sähe keiner zu?

Für wen tue ich Dinge?

Für wen lebe ich mein Leben?

Für wen bin ich?

Und warum?

Worauf bin ich stolz, auch wenn keiner guckt?

Ich bin stolz auf tausende vollgedachte Seiten in meinen Tagebüchern, die niemals jemand lesen wird.

Ich bin stolz darauf, ein Mensch zu sein, der auf eine Bierkiste klettert, um eine Hummel aus dem Keller zu retten.

Ich bin stolz darauf, dass sich die Kinder meines Freundes freuen, wenn ich nach Hause komme.

Ich bin stolz darauf, das Schöne in kleinen Dinge sehen zu können.

Ich bin stolz auf das kleine Universum in mir drin, das nur ich sehen kann, wenn ich die stillen Momente suche.

Ich bin stolz darauf, meine Eltern zu meinen besten Freunden zählen zu dürfen.

Ich bin stolz darauf, morgens aufzuwachen und die Frage „Bin ich gut genug?“ schon vor Beginn des Tages mit einem immer sicherer werdenden „Ja“ zu beantworten.

Und Du? Worauf bist Du stolz, auch wenn keiner guckt?

Hi, ich bin Pia.
Ich schreibe aus dem Bauch heraus über Dinge, die mich beschäftigen.

Ich freue mich, wenn meine Gedanken bei Dir zu neuen Gedanken jeglicher Art führen. Dafür schreibe ich: Für weniger Hinterherlaufen. Für mehr Hinterfragen, mehr Reflektion, mehr Selbsterkenntnis, mehr Bewusstsein und mehr Meinung.

Wenn Dir gefällt, was ich schreibe, bring auch andere zum Nachdenken und verbreite meine Gedanken gerne wie, wo und so oft Du willst.

Cheers,
-Pia-

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Pia Pusteblume

Pferdemädchen, Sinnsucher, Weltretter, Brandredner, Pusteblume, Achtsamkeits-Coach.