Ein Jahr PropTech1: Unsere Dealflow-Statistik & ein Blick auf die europäische PropTech-Landschaft

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8 min readApr 9, 2019

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Vor einem Jahr sind wir mit PropTech1 Ventures an den Start gegangen, um den ersten unabhängigen VC-Fonds im deutschsprachigen Europa aufzubauen, der sich auf das Digitalisierungspotential der Immobilienwirtschaft fokussiert und in die erfolgversprechendsten PropTech-Startups in Europa investiert.

Ein Jahr, 5 Investments und mehr als 200 analysierte Startups später haben wir eine Datengrundlagen geschaffen, die es uns erlaubt hat, auf unserem zweiten Family Day am 21.03.2019 in Berlin-Kreuzberg anlässlich unseres ersten Geburtstags einige statistische Aussagen über das europäische PropTech-Ökosystem zu treffen.

Dabei erheben wir nicht den Anspruch einer repräsentativen Abbildung, jedoch scheint eine Datenbasis von gut 200 Unternehmen durchaus eine gewisse kritische Masse darzustellen, insbesondere weil es derzeit noch vergleichsweise wenig belastbare Erhebungen mit substanziell größeren Stichproben gibt.

Hier sind unsere Erkenntnisse.

Wer sich unsere Ergebnisse lieber in visueller Form ansehen möchte, kann dies auch gerne auf YouTube tun.

Größe des Anlageuniversums

Als PropTech1 2017 noch in der Konzeptionsphase steckte und wir uns fragten, ob ein einzig und allein auf PropTech-Startups spezialisierter Fonds überhaupt eine gute Idee sei, war unsere größte Sorge, dass ein derart spitzer Fokus schlicht und ergreifend nicht genug Beteiligungsmöglichkeiten bieten würde, also das Anlageuniversum für einen hochselektiven Venture-Capital-Fonds schlicht (noch) zu klein wäre.

Etwa anderthalb Jahre später können wir vermelden, dass diese Sorge unbegründet war, denn auch nach 200 analysierten PropTechs aus unserem Dealflow haben wir bei Weitem nicht den Eindruck, dass wir keine neuen Unternehmen mehr sehen würden. Nach aktuellen Schätzungen im Markt wird derzeit von ca. 1.500 PropTechs in Europa gesprochen, eine Zahl, die sich mit unserer Impression gut deckt, wobei wir ebenfalls von Jahr zu Jahr ein quantitatives wie qualitatives Wachstum des Anlageuniversums beobachten können.

Woraus sich der PropTech1-Dealflow zusammensetzt

Der Ursprung unseres Dealflows ist dabei etwa zur Hälfte das eigene „Netzwerk“, also insbesondere unser Investment- und Management-Team, unsere zwischenzeitlich sechs Venture Partner und über 20 Gesellschafter aus der Immobilien- und Serial-Entrepreneur-Szene sowie Co-Investoren, die uns gezielt auf Anlagegelegenheiten ansprechen.

Erfahrungsgemäß stellt dieser „originäre Dealflow“ auch die erfolgversprechendste Deal-Quelle dar, so haben wir auch im ersten Jahr vier unserer fünf Investment auf diesem Wege generiert. Gut ein Viertel der Leads entstand durch aktive Anfragen vonseiten unseres Investmentteams („Outbound“), das durch Recherchen einzelner Marktsektoren und Peergroups die entsprechenden PropTechs als interessant befunden und Kontakt zu ihnen aufgenommen hat. Eines von fünf unserer 2018er Investments kam auf diesem Wege zustande. Das letzte Viertel der Leads sind die sogenannten „kalten“ Anfragen („Inbound“), die Startups direkt ohne eine Empfehlung aus dem Netzwerk an uns richten.

Das thematische Universum der verschiedenen PropTech-Subsegmente haben wir in die Felder ConstructionTech, Finanzierung, Asset Management, Property Management, Broker Tools und Smart Home / IoT eingeteilt. Die weitestgehend gleichmäßige Verteilung zwischen den einzelnen Sektoren zeugt davon, dass Gründer an der gesamten immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ansetzen und an allen Anknüpfungspunkten Digitalisierungspotential sehen.

Auf Basis dieses oben beschriebenen Datensatzes können wir folgende fünf Thesen ableiten:

1. Berlin ist die PropTech-Hauptstadt Deutschlands

Auch wenn unsere Stichprobe durch die eigene Präsenz primär in Berlin „befangen“ sein mag, Berlin ist als Startup-Hotspot auch im PropTech-Bereich ganz vorne dabei. Mehr als die Hälfte der Unternehmen, die wir uns angesehen haben, stammt aus der Hauptstadt. Hamburg, die Metropolregion Rhein-Ruhr und München stechen darüber hinaus mit jeweils ca. 10% ebenfalls hervor. Bis auf Frankfurt mit einem 5%-igen Anteil stellen sich uns keine weiteren PropTech-Zentren in Deutschland dar.

2. Frauen sind im PropTech-Sektor stark unterrepräsentiert

Bei der Gesamtheit der von uns unter die Lupe genommenen PropTechs haben leider nur 14% der Teams eine Gründerin an Bord. So unbefriedigend diese Zahl ist, so wenig überrascht sie, deckt sie sich doch mit den Ergebnissen des Deutschen Startup Monitors, der bezüglich des gesamten deutschen Startup-Ökosystems Jahr für Jahr ähnlich niedrige Zahlen ausweist (2018: 15%).

3. PropTech-Gründer besitzen Branchenerfahrung

In unserer Kommunikation mit einer Vielzahl an PropTech-Gründern ist uns wiederholt aufgefallen, dass viele von ihnen ein stark ausgeprägtes Branchenverständnis besitzen. Häufig (44%) waren sie zuvor lange Jahre in der Branche tätig und haben hautnah miterlebt, wo dringender Optimierungsbedarf besteht.

Ein ausgeprägtes Branchenverständnis der Gründer ist auch dringend notwendig, denn zu fast 80% entwickeln die untersuchten Startups Lösungen für die Immobilienwirtschaft (B2B oder B2B/B2C). Dies ist ein vollkommen logischer Ansatz, da der Immobiliensektor mit seinen gelernten, aber oftmals gänzlich unoptimierten Abläufen ein enormes Wirtschaftsvolumen und damit Potential für effizienzsteigernde PropTechs aufweist. Der starke B2B-Überhang bestätigt zugleich unsere These, dass das Beherrschen von klassischen B2C-Akquisekanälen wie Performancemarketing alleine nur die wenigsten Startups zum Erfolg bringen wird. Vielmehr muss der oftmals steinige Weg von B2B-Sales gegangen werden und ein hochwertiger Investor sollte hier auch entsprechend Mehrwerte einbringen können.

4. Der PropTech-Sektor weist noch starkes Wachstumspotential auf

Dass sich das PropTech-Ökosystem noch in der Entwicklung befindet, zeigt sich an den verhältnismäßig niedrigen Unternehmensbewertungen. 45% der Unternehmen, die wir analysiert haben, suchten eine Finanzierung zu einer Bewertung von weniger als 5 Mio. Euro pre-money. 41% der Unternehmen konnten bereits die 10-Millionen-Euro-Marke knacken. Die eher in der Growth Stage angesiedelten Unternehmen jenseits der 25 Mio. Euro sind mit 14% noch eher selten. Firmenbewertungen von über 50 Mio. Euro kamen uns nur in absoluten Ausnahmefällen unter. Insgesamt ergibt sich in unserem Sample damit eine durchschnittliche Unternehmensbewertung von moderaten 12 Mio. Euro.

Bei der Erfassung der Absagegründe ist zu beachten, dass hier oftmals mehrere Faktoren zusammenkommen bzw. ein und derselbe Absagevorgang sowohl eine Rubrizierung als „zu früh“ also auch „zu teuer“ erlaubt, da oftmals mehrere Punkte nur die zwei Seiten der gleichen Medaille darstellen. In Summe spielt die geforderte Bewertung oftmals eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung. 39% der Pitches fallen bei uns durch das Raster, weil die Produkte in einem (zu) frühen Stadium noch in der Findung sind. Das kann zum einen daran liegen, dass sich das Startup schlicht und ergreifend noch nicht in der richtigen Phase für ein VC-Investment befindet und bspw. mit einem Investment von Business Angels zunächst noch besser bedient ist, zum anderen aber auch daran, dass die Bewertungsvorstellungen bei den bislang (nicht) gelieferten KPIs zu hoch ausfallen. Auf eine ausreichende Skalierbarkeit bzw. die potentielle Marktgröße sollten PropTechs zudem auch schon in frühen Phasen achten, denn dies stellt den zweithäufigsten Absagegrund dar, da insbesondere Venture Capital ein Skalierungspotential von Faktor 10 (als Hausnummer) im Firmenwert benötigt. Ein zu unerfahrenes oder sich nicht komplementierendes Team sowie fehlende Innovation folgen auf den weiteren Plätzen.

5. Immobilienunternehmen wollen die Digitalisierung nicht verschlafen

Wenn wir einen Blick auf die Cap Tables der Startups werfen, fällt auf, dass sich die meisten von ihnen bereits externes Kapital sichern konnten, bevor sie bei unseren Investment Managern auf dem Tisch landen. Business Angels sind wie üblich mit 72% am häufigsten vertreten, aber knapp 30% der PropTechs konnten sich bereits strategische Investoren aus der Branche sichern. Das ist gerade im Kontext des skizzierten B2B-Übergewichts nicht verwunderlich, denn es liegt im Interesse der Corporates, bei der digitalen Entwicklung nicht einfach unbeteiligt von der Seitenlinie aus zuzuschauen, sondern aktiv bei der Entwicklung der Unternehmen involviert zu sein. Insgesamt konnten wir eine zunehmende Diversifizierung der PropTech-Investoren-Landschaft verzeichnen.

Warum strategische Direktinvestments nicht das Allheilmittel sind

Es ist nicht verwunderlich, dass viele Marktteilnehmer aus der Immobilienwirtschaft im PropTech-Umfeld aktiv werden, da Segmente wie der Einzelhandel, die Finanzwirtschaft und die Medienbranche in der jüngeren Vergangenheit mehr als genug Anschauungsmaterial geliefert haben, dass eine passive Haltung in Zeiten zunehmender Digitalisierung zum eigenen Untergang führt. Dabei glauben wir jedoch auch gut ein Jahr nach dem Start von PropTech1 unverändert an die regelmäßige Überlegenheit von neutralen Finanzinvestoren versus klassischen Direktinvestments von Strategen, gerade in frühen Unternehmensphasen.

Die besten Startups reagieren oftmals beinahe allergisch auf strategische Investoren. Das liegt zum einen in der Befürchtung, dass sich ein Startup mit Aufnahme eines Strategen in seinen Gesellschafterkreis praktisch von dessen Wettbewerbern — sei es als Kunde, zukünftigen Investor oder auch Käufer — abschottet. Dieser Wettbewerbsnachteil kommt besonders in der Immobilienbranche bei B2B-Geschäftsmodellen zum Tragen, da es häufig in den einzelnen Stufen entlang der Wertschöpfungskette nur wenige Markteilnehmer mit signifikanter Größe gibt und entsprechend die Barrieren zwischen ihnen hochgezogen sind.

Zum anderen fürchten Startups die — wer hätte es gedacht — strategischen Interessen eines strategischen Investors. Während das vordergründige Ziel eines Startups das Wachstum ist, spielt für Corporates in vielen Fällen die aus ihren Investments generierte Finanzrendite in der eigenen Bilanz eine untergeordnete Rolle. Sie verfolgen daher oftmals strategische Ziele, wie bspw. genau die Herbeiführung der Abschottung des Startups vom restlichen Markt, um ihren Wettbewerbern den Mehrwert des Startups zu verwehren oder einen Verkauf des Startups — und somit auch der eigenen Daten — zu verhindern.

Zwar gibt es durchaus löbliche Ausnahmen in der harmonischen Zusammenarbeit von Startups, Strategen und Finanzinvestoren (beispielsweise bei unserer Beteiligung Architrave), ganz allgemein gesprochen liegen die Interessen von reinem Finanzinvestor und Startup aber oftmals deutlich enger beieinander bzw. sind zumindest substanziell transparenter und damit berechenbarer.

Im Ergebnis riskieren strategische Investoren, die ausschließlich auf direkte Beteiligungen setzen, oftmals eine adverse Selektion, da sich die besten Startups die — subjektiv — besten Investoren aussuchen.

Wir sind daher auch nach gut einem Jahr Investmentaktivität überzeugt von unserem Ansatz, mit PropTech1 nach außen, also gegenüber den Startups, rein als unabhängiger Finanzinvestor aufzutreten. Zugleich können wir jedoch, durch eine Vielzahl (heute bereits mehr als 20, mit steigender Tendenz) an Immobilienunternehmen und -unternehmern als Gesellschafter in unserem Fonds, den Startups die gleichen oder oftmals sogar mehr Mehrwerte als ein einzelner Immobilieninvestor bieten.

Ebenfalls erschaffen wir für unsere Gesellschafter so einen zusätzlichen Weg für Investments in Startups in Ergänzung zu ihren eigenen Direktinvestmentaktivitäten und erlauben daher aus deren Sicht ein mehrgleisiges Programm-Management mit sowohl direkten als auch indirekten Investments — und somit ein „Best of Both Worlds“.

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