Star Wars: Das Erwachen der Macht • Filmkritik

Sebastian Rothe
4 min readJan 9, 2016

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Kino 1. Ordnung oder doch nur kalter Kaffee?

30 Jahre nach dem beinahe sämtliche Jedi ausgelöscht wurden und Luke Skywalker spurlos verschwand, sind die Überreste des Imperiums unter dem Namen Erste Ordnung wiedererstarkt. Die dunkle Seite greift erneut nach der Macht in der Galaxie, das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse ist völlig aus dem Lot geraten. Mit dem Erwachen der Macht in Rey beginnt erneut der Kampf zwischen Gut und Böse — und die Suche nach Luke Skywalker.
Wem das bekannt vorkommt, der ahnt vielleicht, dass J. J. Abrams hier auf Nummer Sicher gegangen sein könnte. Und genauso ist es leider! Das betrifft leider nicht nur diesen Teil der Geschichte, sondern auch fast alle anderen, z. B. die Charaktere.

Schon Darth Vader trug Zweifel in sich und auch der neue Bösewicht Kylo Ren hadert ebenso mit sich selbst. Doch während der Großvater in seiner Ambivalenz immer gerade stand, sucht sein Enkel vergeblich nach seinem Rückgrat — und geht dabei über Leichen. Ich hätte mir einen anderen, einen weniger streitbaren Charakter gewünscht. Einen, an dem man sich ordentlich reiben kann, aber vielleicht passt die neue, weniger klare Charakterzeichnung eher zum heutigen Männerbild — er ist eben auch nur ein Mensch. Auch wenn seine Kräfte von ungeahntem Ausmaß sind.

Leia Organa hat es in des Zuschauers Abwesenheit zum General der Widerstandbewegung gebracht. Aber wie um alles in der Welt, konnte diese noch immer allzu passive und in Ketten gelegte Bikininixe zum General aufsteigen? Ich wünschte es gäbe mehr zu sagen: Ihr Verbindung zum neuen Bösewicht hätte reichlich Spielraum für eine neue, eine wenigstens zweidimensionale Charakterzeichnung gegeben, aber NEIN! Vielleicht war dafür keine Zeit, musste man doch reichlich alte Bilder präsentieren.

Klammern wir uns also an Han Solo, der, vom Schicksal in etwas weniger spektakuläre Lebensumstände versetzt, noch immer von seinem haarigen Begleiter Chewbacca unterstützt wird und ein für die Reihe typisches Popkorn-Kino abliefert. Mit Witz, Charme, Kampfeslust und einer gehörigen Portion Hoffnung folgt die alles verbindende Figur des Franchise, buchstäblich auf Darth Vaders Pfad. Das ist grundsätzlich in Ordnung, merkt man dem gealterten Helden seine Jahre doch schon ein wenig an — er ist eben nicht mehr der Flotteste. Doch warum muss er emotional so gefangen sein? Und warum gibt sich der Regisseur so wenig Mühe, für eine Figur dieser Größe den besten Abgang zu finden? Dieser ist es jedenfalls beim besten Willen nicht.

Sein Ersatz ist zu diesem Zeitpunkt schon längst eingeführt und macht einen guten Job: Der desertierte Sturmtruppler FN-2187, im Eifer des Gefechts als Finn benannt, hat zu diesem Zeitpunkt schon fast Han Solos Platz eingenommen — wenn auch nicht im Pilotensitz des Millenium-Falken. Endlich bewegen wir uns im glaubwürdigen Raum, denn dieser Schauspieler ist in der Lage einen Sturmtruppler zu verkörpern, der sich nach jahrelanger imperialer “Gehirnwäsche” erstmal neu orientieren muss. (Dieser Satz verlangt viel Vorstellungskraft.) So stolpert die Figur geradezu aus einer Division von Befehlsempfängern in den Widerstand hinein. Man darf gespannt sein, ob die Entwicklung dieses Charakters in einer ähnlichen Leichtigkeit enden wird, die der Figur des Han Solo so gut zu Gesicht stand.

Die neue UND weibliche Heldin im Star Wars-Universum heißt Rey. Sie ist taff, technisch äußerst begabt und kann sich dem Wahrheitsgehalt der Jedi-Geschichten zu Beginn der Geschichte nicht sicherer sein, als ihrer nächsten Essensration. Doch der Glaube daran wächst mit dem Verlauf der Geschichte. Früher oder später spürt auch sie die Macht in sich und wie in einem früheren Streifen auch, ist die talentierteste und am schlechtesten ausgebildete Figur, das Epizentrum der Episode . Auch hier also nichts neues — nicht mal bei der Szenerie. Was nicht davon ablenken soll, dass sie die Figur durchaus glaubwürdig und solide darstellt. Wenn auch erwähnt werden muss, dass hier erhebliches Entwicklungspotenzial besteht.

Nun wird niemanden mehr überraschen, dass es auch wieder einen herausragenden Piloten gibt, der alle anderen — egal welcher Seite — in den Schatten stellt. (Für manchen Sturmtruppler wird es also noch dunkler.) Poe Dameron trägt mit seinen Talenten natürlich entscheidend zum Kampf gegen die dunkle Seite bei, doch man erfährt auch über ihn so gut wie nichts. Es muss reichen, dass es mancher Figur nur mit ihm bzw. durch ihn gelingt, ihren Platz zum Ende der Episode einzunehmen. Und natürlich kann nur mit seiner Hilfe gelingen worauf die gesamte Episode hinausläuft. Es gilt die unglaublich mächtige Waffe der Ersten Ordnung unschädlich zu machen — ein Auftrag für den besten Piloten des Widerstands.

Und dann kommt es: J. J. Abrams präsentiert uns den großen Bruder des Todesstern. Sozusagen einen potenzierten Todesstern. Wenn man tatsächlich bereit ist, sich mit dieser simplen, wenn auch ordentlich, aber nicht beeindruckend umgesetzten, Idee (Wiederholung) abzufinden, so muss man sich zumindest mit ihrem Ende schwer tun. Warum? Weil wir es schon kennen! Wir kennen den Weg zum Ziel und — DURCHATMEN — auch den Text, den Poe Dameron im wichtigsten Moment dieses Abschnitts sprechen wird. Es ist unfassbar!

Fazit

Der Streifen ist zu lang für das was er mitbringt. Und das ist nicht viel, denn es mangelt erheblich an der Entwicklung der Charaktere und die alles überwiegenden Bilder stammen aus einem alten Fotoalbum. Der Streifen lässt sich durchaus ansehen und ist auch unterhaltsam. Etwas davon haben werden jedoch nur diejenigen, die die vorangegangen Episoden nicht kennen. Für alle anderen handelt es sich nur um solide aufgewärmten Kaffee, dessen Nachgeschmack die Frage aufwirft, ob man nicht lieber einen neuen hätte aufsetzen sollen.

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