Die Durchführung eines No-Budget Musikvideos + 5 Tipps für die Drehtage

Donald Christopher Abron
8 min readApr 29, 2018

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Behind the Scenes-Video von Brainfuck

Filmemachen ist einer der anstrengendsten Jobs, die ich kenne. Wer es schon einmal gemacht hat, weiss wovon ich rede.

Egal wie minutiös alles vorbereitet ist, es passieren irgendwie laufend Dinge, die man nicht vorausgesehen hat oder nicht hätte voraussehen können.

Am „tollsten” sind immer die Sachen, die mit einem Schlag gleich alles Weitere betreffen.

Beispielsweise kann die Location erst ein wenig später betreten werden, was gleich den ganzen Zeitplan über den Haufen schmeisst. Das kann dann zur Folge haben, dass die Sonne plötzlich untergegangen ist, obwohl man sie eigentlich noch als Lichtquelle mit eingeplant hat.

Oder ein wichtiges Teil des Equipments ging vergessen und egal wie viel kreative Bastelei man anwendet, man benötigt genau dieses Ding.

Ich weiss nicht, inwiefern der Faktor der Unberechenbarkeit bei grossen Hollywood-Produktionen mit dabei ist, aber im No-Budget Bereich muss man sich mit ihm wohl oder übel anfreunden. Das kann natürlich auch für positive Überraschungen sorgen, aber das ist leider eher die Ausnahme.

Nebst der Organisation und der Kopfarbeit kommt noch die ganze Materialschlacht dazu, die wohl jede Band nur allzu gut kennt: Einladen, ausladen, aufbauen, abbauen, einladen, ausladen. Irgendwo dazwischen passiert dann das, was man eigentlich machen will.

Aber No-Budget ist No-Budget und wer ein Resultat will, muss etwas dafür tun.

Am Abend fällt man dann todmüde ins Bett und das Hirn fühlt sich an, als hätte man es ausgewrungen wie ein nasses Kleidungsstück.

Umso schöner ist dafür die Sichtung des Materials am Tag darauf. Es macht Spass, wenn sich im Kopf bereits die ersten Szenen zusammenfügen und eine Vorahnung entsteht, wie das Ganze denn am Schluss aussehen könnte.

Davor gibt es aber noch einiges zu tun und ich will euch hier ein wenig erzählen, wie das bei uns so abgelaufen ist.

Filmen der Story

Um die Arbeit zu verteilen, haben wir bei unserer Produktion des Brainfuck-Musikvideos in verschiedenen Schritten gearbeitet.

Die Story wurde auf zwei Tage verteilt. Einen Tag für die Story-Aufnahmen des erwachsenen Protagonisten, einen weiteren Tag für die des jungen Protagonisten. Am dritten Tag fanden dann die Dreharbeiten mit den Bandaufnahmen statt.

Die Tage lagen jeweils im Abstand von mindestens einer Woche auseinander und fanden auch immer an einem Wochenende statt.

Der Tag mit Hanspeter war rückblickend der einfachste. Wir hatten nur eine Person vor der Kamera und kamen entsprechend schnell voran. Die Aussenaufnahmen wurden gleich als erstes gemacht, da wir diese im Day-for-Night-Verfahren erstellen mussten und somit das Tageslicht benötigten.

Für die weiteren Aufnahmen hatten wir dann unseren Lichtprofi Michael, der die gewünschten Stimmungen herzaubern konnte.

Ein Teil des Materials konnten wir sogar in dem kleinen Raum zurücklassen, in dem das Bett des Verdingkindes zu sehen ist. Das sparte uns zumindest den Transport von ebendiesem Bett und diversen anderen Gegenständen.

Während des anderen Story-Drehtages kamen dann die Erinnerungs-Aufnahmen zustande. Im fertigen Video sind dies die Sepia-gelb eingefärbten Szenen, in welchen die unschöne Vergangenheit des Verdingkindes gezeigt wird.

Hier gab es einiges mehr zu tun, da verschiedene Zimmer eingerichtet werden mussten und jeweils bis zu drei Personen gemeinsam vor der Kamera standen. Aber das Ganze ging eigentlich ganz geschmeidig und wir hatten danach bereits alle Aufnahmen für die Story in Rohfassung zusammen.

Bandaufnahmen

Der letzte Drehtag war dann wie geplant derjenige mit den Bandaufnahmen. Dort hatten wir den Vorteil, dass das Licht-Equipment nicht mehr transportiert werden musste. Da der Lagerraum dieser Ausrüstung sich bereits in demselben Kellergeschoss der Dreharbeiten befand, war dies natürlich bereits vor Ort.

Zudem hatte Michael auch einen Kamerakran zu Verfügung, den wir für die Shots der ganzen Band benutzten konnten. Er hat selber schon an viel grösseren Produktionen mitgearbeitet, für uns als Neulinge war dies aber schon ziemlich cool, Zugriff auf solche Ausrüstung zu haben. Dank ihm waren wir auch an jedem der Drehtage bezüglich Licht auf der sicheren Seite. Seine Erfahrung in diesem Gebiet war für uns unerlässlich, denn beim Licht ist es ungefähr so, wie bei Special-Effects: Wenn die Arbeit gut gemacht ist, fällt sie den meisten Zuschauern nicht auf. Wenn sie schlecht ist, sticht es ins Auge und man empfindet es als unpassend.

Bei der Aufnahme der ganzen Band passierte dann auch etwas der anfangs erwähnten, alles verzögernden Ereignisse: Ein Kabel, das benötigt wurde um das Metronom am Verstärker anzuschliessen, blieb im Bandraum liegen.

Das Metronom war wichtig, damit später die Filmaufnahmen und die Studio-Version des Songs synchron sein würden. Folglich fuhr Dani noch einmal zurück in den Bandraum, um dieses Kabel zu holen und wir anderen stellten das Programm um. Für die Aufnahmen der einzelnen Musiker war das Metronom alleine laut genug, also filmten wir erst diese, um keine Zeit zu verlieren.

Wir wollten, dass jeder der Musiker in seiner Einzelaufnahme einen anderen Hintergrund hatte, also musste das Licht auch an jedem Ort angepasst werden.

Während jeweils ein Musiker gefilmt wurde, hat Michael parallel das Licht für die nächste Aufnahme aufgebaut und dasjenige der letzten abgebaut.

Jeder Musiker wurde ungefähr drei Mal gefilmt, Miriam als Sängerin mit mehreren Locations sogar noch häufiger (Ja, der Song lief an diesem Tag einige Male …).

Irgendwann war dann auch für die Aufnahme der ganzen Band alles bereit und nach mehreren Durchgängen waren auch diese im Kasten. Am Ende dieses Tages konnten wir den Abschluss der Dreharbeiten feiern und drei anstrengende Wochenenden kamen zu einem Abschluss.

Postproduktion

Die Filmaufnahmen habe ich immer gleich mehrfach kopiert, als ich von den Dreharbeiten nach Hause kam. Nach dem ganzen Aufwand der Drehtage steigert sich der Wert einer SD-Karte plötzlich ins unermessliche und man will das Filmmaterial auf keinen Fall verlieren.

Als wir alle Aufnahmen zusammen hatten, starteten wir die Schneidearbeit. Begonnen mit der Story, fanden wir schnell heraus, dass wir uns nicht sorgen mussten, zu wenig Material für diesen Teil des Musikvideos zu haben.

Das passte uns gut, denn wie schon im vorneherein geplant, wollten Luki und ich ca. 70% des Videos Story und 30% der Zeit Bandaufnahmen zeigen.

Die Szenen, in denen Elemente vorkommen sollten, die wie Kinderzeichnungen aussehen würden, waren erwartungsgemäss einen riesen Aufwand. Ich habe diese vorwiegend alleine gemacht, denn dafür muss man nicht unbedingt zu zweit sein. Ansonsten hätte eine Person der anderen die meiste Zeit über beim Kritzeln zusehen müssen, was dann doch eine eher langweilige Angelegenheit gewesen wäre. Manche Szenen mussten während diesem Verfahren Frame für Frame gezeichnet werden, aber diese Effekte waren von Anfang an eingeplant und geben dem Video ein gewisses Alleinstellungsmerkmal.

So waren Luki und ich vorwiegen bei Color correction, Cutting- und Pacing-Arbeiten gemeinsam am werken, um jeweils eine zweite Meinung zu haben.

Irgendwann einmal wurde uns dabei klar, dass die anvisierte 70/30-Verteilung der Laufzeit dem ganzen Video die Geschwindigkeit und den Schwung nehmen würde. Also beschlossen wir, entgegen unserer anfänglichen Überzeugung, dies zu ändern, damit das fertige Video nicht zu träge werden würde.

Learning by doing nennt man das wohl.

Also wurden die Story-Teile wo immer möglich zusätzlich eingekürzt. Jede zusätzliche Sekunde konnte für einen der schnellen Schnitte während einer Bandaufnahme benutzt werden, welche vor allem gegen Ende des Videos zu sehen sind.

Solch kurz aufeinanderfolgende, schnelle Schnitte verleihen den Stellen Tempo, in denen es mehr um Eindrücke als um Details geht. Bei Bandaufnahmen funktioniert das wunderbar, in Storyteilen ist dies nur bedingt möglich. Werden erzählerische Elemente so geschnitten, entsteht daraus eher eine Art Filmtrailer. Das muss nicht schlecht sein, war aber nicht das, was wir in diesem Fall beabsichtigten.

So entstand nach und nach das fertige Video, das wir mit Hilfe von Test-Screenings noch weiter verbessern und perfektionieren konnten.

Fertigstellung

Alles in allem sind von der ersten Idee bis zur Premiere des Videos fast drei Jahre vergangen. Das ist nicht gerade üblich, aber dafür konnten auch im Bereich Crowdfunding noch zusätzlicher Erfahrungen gesammelt werden. Eventuell werde ich diesem Thema auch noch einen Blogartikel widmen.

Vor einigen Wochen konnte dann das fertige Musikstück mit dem fertigen Video verheiratet werden und nach den letzten Feinarbeiten kann man dies nun auf YouTube ansehen.

Das Behind the Scenes-Video findet ihr am Anfang des Artikels, das fertige Musikvideo unter diesem Link.

Ich möchte zum Schluss noch einmal ein riesiges Dankeschön aussprechen an all diejenigen die in irgendeiner Form an diesem Projekt beteiligt waren und es ermöglicht haben.

Ich glaube, der Aufwand hat sich gelohnt und das Ergebnis kann sich sehen lassen!

5 Tipps

Zum Schluss findet ihr hier wie angekündigt 5 Tipps, die euch möglicherweise das Leben während der Dreharbeiten etwas einfacher machen können:

  1. Wenn ihr einmal angefangen habt, bleibt am Ball, komme was wolle. Wer anfängt zu zweifeln, hört nie damit auf und viel besser als der heutige ist der morgige Tag nicht. Also, nutzt eure Kreativität falls etwas nicht klappt wie es sollte, aber hört nicht auf.
  2. Am Ball bleiben heisst dennoch nicht gleich total überzuschnappen und alles an einem Stück durchrackern zu wollen. Wie im Artikel erwähnt, haben auch wir in Blöcken gearbeitet und damit positive Erfahrungen gemacht. Die richtige Balance zwischen Vorwärtsmachen und Pausieren ist auch während der Dreharbeiten wichtig, bleibt aber immer möglichst auf Kurs.
  3. Schickt all diejenigen Leute, die während der Drehzeit nicht vor oder hinter der Kamera stehen, weg in einen anderen Raum oder an einen etwas entfernten Platz. Es kann unglaublich störend sein, wenn man konzentriert etwas drehen will und daneben mehrere Leute herumkaspern und das Team oder den Cast ablenken. Wer sich still und ruhig verhält, darf natürlich zusehen. Die richtige Planung der Drehreihenfolge kann dabei helfen. Beispiel: In manchen Szenen kommen alle drei Schauspieler vor, in anderen nur noch einer. Dreht die Szene mit den drei Schauspielern zuerst. Danach können zwei Schauspieler schon wieder nach Hause gehen und sind nicht gezwungen zu bleiben. Wer bleiben will soll dies natürlich tun dürfen, aber als Regisseur ist es dann nicht mehr eure Aufgabe, sie bei Laune zu halten.
  4. Apropos bei Laune halten: Sieht zu, dass die Leute nicht wegen Kleinigkeiten die Lust verlieren. Wenn das Essen ausgeht, drückt jemandem, den es nicht gerade braucht, Geld in die Hand und schickt ihn einkaufen. Auch ansonsten gilt: Wenn etwas nicht klappt oder jemand schlecht Laune hat, bewahrt trotzdem die Fassung. Lasst nicht zu, dass wütend herumgeschriehen wird (es sei denn, es ist vor der Kamera und muss so sein).
  5. Brecht das Eis. Selbst wenn Leute es gewohnt sind, aufzutreten und vor anderen Leuten zu stehen, funktioniert die Performance nicht immer gleich von Anfang an. Es benötigt fast immer eine gewisse Aufwärmzeit und um diese abzukürzen, kann man als Regisseur einfach vormachen, was zu tun ist. Ihr braucht einen affigen Tanz? Dann tanze als Regisseur affig und sieh zu, dass die Person vor der Kamera sich deinem Gehüpfe anschliesst und ihr euch gegenseitig hochschaukelt. Die Band bewegt sich zu wenig? Stell dich so hin, dass sie dich sehen können und spiele ausgelassen Luftgitarre. Dies wird wohl nicht in allen Fällen nötig sein, aber wenn es nötig ist, tut es. Gebt alles für die bestmögliche Performance, denn so etwas kann in der Postproduktion nicht mehr nachgebessert werden.

So, nun bist du am Ende dieses Artikels angelangt. Vielen Dank fürs Lesen und deine Aufmerksamkeit.

Wenn du Fragen hast oder mehr über bisherige Projekte erfahren möchtest, kannst du mir gerne schreiben und/oder die Website von VenomVortex besuchen.

Bleib stilvoll und halte die Augen offen! Viel Spass und bis neulich! ;-)

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Donald Christopher Abron

Ich schreibe über narrative Medien und deren Entstehung | I’m writing about narrative media and the creation of them.