Die Planung eines No-Budget Musikvideos + 5 Tipps für dessen Vorbereitung

Donald Christopher Abron
6 min readApr 22, 2018

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Das fertige Musikvideo des Songs “Brainfuck”

Es muss irgendwann in der ersten Jahreshälfte 2015 gewesen sein, als Luki und ich damit beschäftigt waren, diverse Filmschnipsel zu erstellen, um allerlei tolle Effekte auszuprobieren. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt auch schon einige wenige Projekte umgesetzt, waren aber hauptsächlich damit beschäftigt, alles Mögliche zu imitieren, auszuprobieren und zu lernen.

Manche Sachen sahen auch wirklich gut aus, doch waren es meiste nur einzelne kurze Szenen und Clips, die keinen wirklichen Zweck hatten.

So entstanden Filmschnipsel, die aneinandergereiht keinen ausreichenden Unterhaltungswert boten, geschweige denn einen narrativen Sinn ergaben.

Zwar waren die Ideen für grosse Projekte da, aber diese schienen noch zu gross für unser Können. Es musste also etwas her, das klein genug war, um in realistischer Zeit machbar zu sein und dennoch ein fertiges Produkt abliefern würde.

Ein Musikvideo.

Luki hatte guten Kontakt zu Thom, dem Gitarristen einer Band. Ich kannte ihn auch, wusste aber nicht allzu viel über die von ihm und Wully gegründete Band Pale Black.

Sie hatten viel Arbeit in den Aufbau dieser Band gesteckt und sie zu einer komplett besetzten Death Metal-Truppe ausgebaut. Beide Parteien schienen bezüglich dem Thema Musikvideo auf einem ähnlichen Level zu sein, das da lautete:

Haben wir noch nie gemacht, also los!

Das erste Treffen der Band fand noch in Biglen statt, später zogen sie dann in ihren neuen Proberaum nach Bern um.

Wir verstanden uns von Anfang an alle gut und jeder wollte dieses Projekt durchführen. Folglich verabredeten wir uns regelmässig, um Ideen und Fortschritt zu auszutauschen.

Alle dieser Treffen verliefen grundsätzlich produktiv und es war immer klar, um was es im jeweiligen Treffen ging und was bis zum nächsten Treffen erledigt werden sollte. Natürlich hatten wir keinen strengen Ablauf, aber wenn man Fortschritt erzielen will, sollte man diesen definieren.

Die Band hatte noch keinen der Songs als Studio-Aufnahme, aber alle waren geplant für die kommende EP. Folglich hatten wir die volle Auswahl aus allen (noch nicht) verfügbaren Songs der Band.

Die Wahl fiel letztendlich auf den Song Brainfuck, der ein dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte behandelt. Es geht um die sogenannten „Verdingkinder“, von welchen einige für Medikamententests missbraucht wurden.

Wir diskutierten die Idee aus und entschieden uns für eine Darstellung der Story in verschiedenen Zeitlinien, die durch Erinnerungen und Einbildungen verbunden wurden. Die Visualisierung dieser imaginären Dinge sollte durch Effekte ähnlich einer Kinderzeichnung dargestellt werden.

Um die Machbarkeit dessen zu überprüfen, fertigte ich eine Probeaufnahme an, in welcher der Teddy, ein Schlüsselobjekt der Story, erstmals zu sehen war. In der Post-Production dieses kurzen Clips wurde noch einmal deutlich, wie aufwändig die Nachbearbeitungen werden würden. Doch das Resultat sah zu gut aus, um uns gegen diese Machart zu entscheiden.

Somit war ein wichtiges Element für die Story geschaffen und ich schrieb das Skript. Anhand dessen fertigten wir ein Storyboard mit Zeitlinien an, um einen ungefähren Überblick zu gewinnen, was wie viel Zeit einnehmen würde im Video und an welcher Stelle die Schnitte waren. Normalerweise wird dafür ein Skript gezeichnet, da dies aber zu viel Zeit beansprucht hätte, wurde dies in Textform gemacht. Ich will dies nicht zwingend empfehlen, aber meiner Meinung nach liegt die Wichtigkeit in der Übersicht und nicht darin, in welcher Form man diese hat.

Als wir alle damit zufrieden waren, konnten wir die „theoretische” Phase der Vorbereitung abschliessen. Jetzt galt es, Personen und Locations zu finden.

Diverse Ideen hatten wir schon und bei vielem ging es auch dementsprechend schnell. Einige der Locations und Schauspieler wurden jedoch erst nach mehreren Versuchen gefunden, was aber niemanden entmutigte.

Wir waren im No-Budget Bereich unterwegs und ziemliche Neulinge, da mussten wir ein paar Extrarunden schon mal in Kauf nehmen.

Teilweise ergaben sich die finalen Entschlüsse sogar erst kurz vor Drehbeginn. So wurde auch die geplante Location im Gymnasium nach mehreren Wochen Planung kurz vor Drehbeginn ausgetauscht. Die Gegebenheiten bezüglich möglicher Drehzeit konnten schier unmöglich mit unserem Projekt vereinbart werden.

Auch der Ort für die Bandaufnahmen war lange unklar, bis Michael, der Lichttechniker, eine Idee hatte: Sein Materiallager befand sich in einem Kellergeschoss, das früher eine Metzgerei war. Solch eine Umgebung war natürlich perfekt geeignet als düsteren Hintergrund, zudem war der Ort für alle relativ nahe und wir hatten problemlos Zutritt.

Mit Hanspeter Kissling wurde schliesslich auch jemand gefunden, der sich perfekt für die Rolle des Protagonisten eignete. Aufgrund seiner Tätigkeit als Theaterschauspieler brachte er sehr viel Erfahrung mit, was man auch von der ersten Sekunde an bemerkte und wir sind sehr dankbar, ihn bei diesem Projekt dabei gehabt zu haben.

Ich schreibe diesen Text zu einem Zeitpunkt, an dem Hanspeter leider verstorben ist und ich möchte hiermit im Namen von allen Beteiligten noch einmal herzliches Beileid ausdrücken.

Wir kannten uns nicht lange und die Zeit, die wir gemeinsam verbringen durften war knapp. Aber ich glaube im Namen von allen sprechen zu können, dass es für uns eine wunderbare Erfahrung und eine Ehre war.

Mögest du in Frieden ruhen, Hanspeter.

Was er zum Gelingen dieses Musikvideos beigetragen hat kann nun jeder sehen. Seine Rolle im Story-Teil stellt die erwachsene Version des Verdingkindes dar, dessen jüngeres Pendant von Alain verkörpert wurde.

Die Story war uns von besonderer Bedeutung, denn es war eine Sache, in der Luki und ich uns einig waren: Es gibt zu viele Musikvideos, in denen man nur die Band sieht und nicht parallel eine Story erzählt wird.

Natürlich liegt auch ein Sinn darin, die Band zu zeigen, aber wäre dies der einzige, so sähe jedes Video sehr ähnlich aus und wäre dadurch wohl auch ziemlich langweilig.

Ein Musikvideo sollte die Geschichte des zugrunde liegenden Songs erzählen. Das muss natürlich nicht immer so konkret sein wie in unserem Beispiel, aber auch ein abstraktes Video sollte sich unserer Meinung nach der Story bedienen.

Die Performance der Band kann zwar durchaus eine Atmosphäre erzeugen, lässt sich aber am ehesten mit dem Bild einer Landschaft vergleichen.

Es zeigt eine Atmosphäre, aber wenig Geschichte.

Im nächsten Blog-Post werde ich euch über die Durchführung und die Drehtage berichten. Zum Abschluss des heutigen Artikels hier noch die versprochenen Tipps für Filmemacher und Bands, die etwas Ähnliches im Sinn haben:

  • Ein gutes Team ist sehr wichtig. Wenn es zwischenmenschlich nicht funktioniert, fangt erst gar nicht an. Ich kann mir kaum vorstellen, dass etwas Gutes dabei entsteht, wenn sich die Beteiligten nicht verstehen. Ihr werdet viel Zeit miteinander verbringen und auch mal ans Limit gehen müssen, daher sollte nicht schon im Vornherein ein schlechtes Bauchgefühl vorhanden sein.
  • Geld ist ein Werkzeug, kein Geld auch. Und das Ganze mit dem No-Budget ist immer so eine Sache. Natürlich geht es nicht, ohne wenigsten ein paar Moneten für Verpflegung und eine eventuelle Miete von Gegenständen und Lokalitäten zu investieren. Lasst es aber nicht zu, das Geld euch im Weg steht. Ein Produkt, bei dem Kompromisse eingegangen wurden, um es fertig zu stellen ist ungefähr hundert Millionen Mal besser als ein Produkt, das abgebrochen wurde, weil keine Kompromisse eingegangen wurden. Natürlich soll nicht die halbe Crew am Schluss soweit sein, das ihnen das Endresultat völlig egal ist. Aber die Kompromisse im fertigen Produkt sieht meist niemand und die Ausrede fürs nie entstanden Produkt interessiert niemanden. Als Kamera taugt notfalls auch eine Handykamera (Steven Soderbergh drehte einen ganzen Film mit einer iPhone-Kamera). Ich denke aber, mit eine wenig suchen findet ihr bestimmt jemand mit einer Kamera, der euch helfen kann. Auch zum Schneiden findet man Möglichkeiten, die nicht allzu viel kosten. Notfalls macht ihr das einmonatige Probeabo der Adobe Creative Cloud und zieht das Ganze innerhalb dieser kostenlosen Tage durch.
  • Wenn möglich, holt euch Leute vor die Kamera, die Erfahrung mit Schauspielerei haben. Theaterpersonen sind dafür auch sehr gut geeignet, achtet aber darauf, dass sie denn Unterschied zwischen Bühne und Film kennen. Auf der Bühne müssen Bewegungen viel deutlicher und etwas übertrieben dargestellt werden, im Film würde dies aber seltsam wirken.
  • Wenn es eine einfachere und eine schwierigere Methode gibt, ist es sehr oft so, dass die einfachere völlig genügt. Verbrennt nicht unnötig Zeit und Geld für etwas, das nicht absolut notwendig ist. Selbst wenn ihr z. B. eine Location habt, die viel besser wäre als die Alternative: Das Publikum weiss dies nachher nicht, wenn es das Video sieht. Die meisten Sachen sind nur ein Teil von vielen, die als Gesamtbild passen müssen. Also erinnert euch immer wieder an das grosse Ganze und verliert euch nicht zu sehr in den Details.
  • Es kann die Sache erheblich verkürzen, wenn der Song fürs Musikvideos schon im Kasten und fertig produziert ist. So hat man beim Schneiden schon die Originalvorlage und mögliche Verzögerungen können nur noch in der Produktion des Videos entstehen, aber nicht mehr in der Aufnahme des Songs.

Bonustipp:

  • Habt Spass! Vorbereiten, planen, machen, die Materialschlacht und die Ausführung sind ein Haufen Arbeit. Selbst wenn am Ende das Video kein Mensch sehen will (was eher unwahrscheinlich ist), ist es doch immer noch geiler, das Ding durchzuführen, anstatt zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen und darauf zu warten, dass irgendetwas passiert. Noch dazu generiert so ein Projekt ein paar gute Gelegenheiten, um eure Social Media-Profile mit Beiträgen zu füttern.

Du bist am Ende dieses Artikels angelangt. Vielen Dank fürs Lesen und deine Aufmerksamkeit.

Wenn du Fragen hast oder mehr über bisherige Projekte erfahren möchtest, kannst du mir gerne schreiben und/oder die Website von VenomVortex besuchen.

Bleib stilvoll und halte die Augen offen! Viel Spass und bis neulich! ;-)

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Donald Christopher Abron

Ich schreibe über narrative Medien und deren Entstehung | I’m writing about narrative media and the creation of them.