Twitter my love.

Eine Liebeserklärung mit ungewissem Ausgang.

Daniel Backhaus
3 min readJul 17, 2014

Seit 6 Jahren begleitet mich Twitter durch den digitalen Kosmos. Wir haben vieles miteinander erlebt und ich kann mir mein digitales Leben ohne nicht mehr vorstellen.

Als ich mich im April 2008 bei Twitter angemeldet habe, kannte kaum jemand den Kanal. Man wurde milde belächelt, wenn man davon sprach, etwas getwittert zu haben. Das war genauso albern und kopfschüttelauslösend, wie 1999 etwas zu googeln. Heute sind beide Synonyme für eine ganze Klasse an Angeboten. Aber Twitter ist mehr als eine Gattung und 140 Zeichen. Dabei geht es mir weniger darum, meine Reputation durch Publikation von möglichst intelligenten Tweets und Retweets zu beeinflussen (was nicht immer gelingt :-), sondern vielmehr um die zumeist unterschätzte Stärke von Twitter, dem Kuratieren der gefühlt und tatsächlich unendlichen Fülle von Informationen, die uns heute zur Verfügung stehen. Eben diese Fülle und die Auswahl für mich relevanter Informationen, ohne verrückt zu werden, ist die eine von vielen Herausforderungen des digitalen Kosmos.

twitter.com/Widget68/status/482610273032105984

Relevanz ist dabei eine subjektive Angelegenheit und somit nicht zu standardisieren. Google, Amazon und Facebook zeigen mir an, was sie glauben für mich an Interessantem gefunden zu haben. Das gelingt manchmal, aber immer häufiger weniger. Schon Elli Pariser hat mit “Filter Bubble” ein überaus intelligentes Buch geschrieben, welches mein Surfverhalten und meine konstruktivistische Sicht auf das Digitale beeinflusst haben. Spätestens nach diesem Buch war mir klar, dass Twitter mein Kanal sein würde, da als einer der wenigen frei von Algorithmen, die glauben mich zu kennen. Es bedeutet zwar ein wenig Arbeit, sich seine Abonnements zusammenzuklicken und diese auch immer wieder zu pflegen, nimmt man diese Mühen jedoch auf sich, hat man einen perfekt zum Informationsbedürfnis passenden Nachrichtenstream mit hoher Relevanz. Wann immer ich mich updaten möchte, also ein paar Mal am Tag, öffne ich Twitter und lasse mich informieren.

Es gibt die These, dass die Nachricht den User finden muss und nicht umgekehrt, was für mich ein überaus reizvoller Gedanke ist, der eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Auswirkung hat. Ich kann mir kaum vorstellen, welche Kosten entstehen, alleine damit, dass Menschen etwas suchen. Jede Mechanik, die dort hilft Zeit einzusparen ist bares Geld wert. Die einzige Plattform, die dieser These Rechnung trägt und annähernd bedienen kann ist Twitter.

Das Problem: Dieses eingesparte Geld kommt Twitter nicht zu Gute und auch Twitter muss Geld verdienen. Die Geldquelle ist, wie bei vielen Plattformen, die Schaltung von Werbung. Angenehmer weise ist Twitter hier sehr zurückhaltend und die in den Stream eingewebten Werbeeinblendungen sind unaufdringlich. Jedoch, ich mache mir Sorgen, denn das Targeting dieser Werbeeinblendungen ist schlecht, sehr schlecht. Eine von zehn mir angezeigten Werbungen interessiert mich, der Rest ist Schall und Rauch. Dabei verzeihe ich Twitter die 9 ungefragten, irrelevanten Werbeunterbrechungen, denn mein Nutzen an Twitter ist um ein vielfaches höher. Was mir Sorge bereitet ist, dass Werbekunden darauf aufmerksam werden könnten, dass Ihre bezahlten Einblendungen verpuffen und somit das Geld verpulvert wird. Mir ist klar, dass dieser Effekt bei anderen Werbeformaten und Plattformen ein Ähnlicher ist, aber nirgends wird es so offensichtlich wie hier.

Da ich sehr an Twitter hänge und ich es gerne weitere 6 Jahre nutzen würde, wäre ich bereit, mehr von mir bekannt zu geben, damit Twitter mich besser kennen lernt, mir passendere Werbung anzeigt und ich und tausend andere für Werbetreibende attraktiv bleiben. Dann stünde der Zukunft des gratis, aber nicht umsonst Kanals nicht mehr im Wege. Eine Win-Win-Win Situation.

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Daniel Backhaus

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