Wie Bindungstrauma Beziehungen zerstört — Alexander Bohley

Die drei häufigsten Wege

Alexander Bohley
5 min readMay 1, 2024

Die Geiz-Struktur

Wenn wir als Kind emotionalen Mangel erlebt haben und um menschliche Ressourcen (wie z.B. Liebe oder Aufmerksamkeit) kämpfen mussten, kann eine Geiz-Verzerrung entstehen.

Verstärkt wird diese, wenn man in seiner Kindheit emotionalen Verletzungen und Enttäuschungen ausgesetzt war.

Geiz-Verzerrung bedeutet, dass man im Kontakt Ressourcen chronisch zurückhält. Sei es Liebe, Aufmerksamkeit, emotionale Tiefe, Zeit, Anerkennung, Offenheit, körperliche Nähe, usw.

Man geht in der Partnerschaft also nicht “All-In”, sondern stehts quasi nur mit einem Fuß in der Beziehung und mit einem Draußen.

Dahinter stehen verschiedene Verzerrungen, resultierend aus Bindungstrauma, also bindungstraumatischen Erfahrungen aus der Kindheit:

  • Angst vor emotionaler Verletzung
  • Angst davor “sich selbst zu verlieren
  • Angst davor selbst zu wenige Ressourcen zu haben

Die Geiz-Struktur geht häufig mit einer Gier-Struktur einher. Man möchte also die Ressourcen des anderen für sich gewinnen:

  • Zeit
  • Aufmerksamkeit
  • Zuhören
  • Gefälligkeiten
  • den anderen nur für sich haben wollen
  • usw.

Auch diese Gier stammt aus dem Mangel der Kindheit, in welcher diese Ressourcen defizitär waren.

Menschen mit Geiz-Verzerrung werden ihre Beziehung früher oder später ruinieren und damit genau die Erfahrung machen, die sie eigentlich so dringlich vermeiden wollen: verletzt zu werden.

Um die Struktur zu lösen, geht darum in der Beziehung, trotz Angst, All-In zu gehen oder die Beziehung zu beenden.

Außerdem bewusst immer mehr zu geben. Selbst der aufmerksame Partner zu werden, den man sich wünscht. Und in diesem Zuge wird sich die Geiz-Struktur auflösen.

Wenn es absolut nicht möglich ist, entgegen der eigenen Struktur zu handeln, ist Traumaarbeit erforderlich.

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Verbindungsstörung

Eine weitere Möglichkeit, wie Bindungstrauma die Beziehung zerstören kann ist, wenn Blockaden entstanden sind, welche den freien Fluss der Verbindung stören.

Störung der körperlichen Verbindung

Es können zwei verschiedene Blockaden im Bezug auf körperliche Verbindung vorliegen:

  1. Bei körperlicher Zuwendung des Partners blockieren
  2. Selbst keine körperliche Zuwendung geben können oder wollen

Ersteres zeigt sich z.B. in Form von:

  • verkrampfen, wenn der Partner körperliche Nähe initiiert
  • Angst vor Kuscheln oder Sexualität, wenn sie vom anderen ausgeht
  • Abgestoßen sein davon, wenn der Partner Nähe möchte (z.B. eine Umarmung)
  • die ausgestreckte Hand des Partners beim Laufen nicht nehmen wollen

Wichtig: Selbst körperlich in den Kontakt zu gehen ist bei dieser Störung problemlos möglich. Solange man die Kontrolle über Nähe und Distanz behält.

Die zweite Blockade kann sich wie folgt manifestieren:

  • man nimmt körperliche Nähe des anderen gerne an, aber gibt sie ungern
  • Beispiel: man lässt sich sexuell befriedigen, aber möchte selbst nichts geben
  • man sucht nicht proaktiv die körperliche Nähe des Partners

Störung der mentalen Verbindung

Auch hier können wieder zwei verschiedene Blockaden vorliegen:

  1. Schwierigkeiten die eigenen Gedanken mitzuteilen
  2. Die Gedanken des Partners nicht hören können oder wollen

Ersteres zeigt sich häufig wie folgt:

  • der Mensch redet kaum und hört lieber nur zu
  • ist sehr zurückhaltend
  • ist in sich gekehrt und macht lieber alle Themen mit sich selbst aus

Und bei Zweiterem kann es sich so darstellen:

  • den Partner ständig unterbrechen / nicht aussprechen lassen
  • nicht oder nur schwer zuhören können
  • nicht zuhören wollen
  • schnell die Aufmerksamkeit und Konzentration verlieren, wenn der andere spricht
  • Genervt zu sein, von den Mitteilungen des Partners

Störung der emotionalen Verbindung

Wie du dir bestimmt schon gedacht hast, gibt es auch bei dieser Störung die zwei verschiedenen Blockaden:

  1. Probleme damit Emotionen zu zeigen
  2. Die Emotionen des anderen nicht ertragen können

Auch hier beschreibe ich wieder kurz mögliche Symptome. Beginnen wir mit 1.:

  • kann oder will nicht über Gefühle sprechen
  • ist emotional kalt und zurückhaltend
  • Vermeiden von emotionaler Themen
  • unempathische und gefühlskalte Reaktionen
  • teilweise spontane, unverhältnismäßige emotionale Ausbrüche
  • passive Aggressivität (Kritisieren, Sarkasmus, usw.)

Und jetzt zu 2.:

  • flüchtet, wenn der andere emotional wird
  • versucht die Gefühle des anderen abzuwerten oder zu relativieren
  • ärgerliche Reaktion, wenn der Partner Gefühle zeigt
  • Unfähigkeit zu trösten

Alle drei (bzw. sechs) Verbindungsstörungen beruhen auf bindungstraumatischen Erfahrungen aus der Kindheit.

Beispiele:

  1. körperliche Nähe, die von Bindungspersonen ausging war gefährlich, unangemessen oder nicht einvernehmlich
    ➡ ️körperliche Verbindungsstörung: empfangen
  2. es gab Zwang und Druck körperlich in den Kontakt zu Bindungspersonen (Eltern, Großeltern, usw.) zu gehen
    ➡ ️körperliche Verbindungsstörung: geben
  3. einem wurde als Kind nicht zugehört, eine eigene Meinung wurde abgesprochen
    ➡ ️mentale Verbindungsstörung: geben
  4. die Eltern haben auf das Kind ununterbrochen eingeredet
    ➡ ️mentale Verbindungsstörung: empfangen
  5. die eigenen Gefühle wurden von den Eltern abgesprochen oder nicht anerkannt
    ➡ ️emotionale Verbindungsstörung: geben
  6. die Hauptbindungsperson (meistens die Mutter) war überemotional und hat das Kind damit überfordert
    ➡ ️emotionale Verbindungsstörung: empfangen

Die Lösung ist hier sich entgegen des Musters zu verhalten:

  1. üben körperliche Nähe in der Partnerschaft langsam zuzulassen, mitteilen, wie man sich damit fühlt und Grenzen sowie Bedürfnisse klar kommunizieren
  2. sich überwinden proaktiv in die körperliche Verbindung zu gehen. Dabei die Gedanken, Gefühle und Handlungsimpulse (z.B. Fluchtimpulse) kommunizieren. Den anderen fragen, ob es wirklich einen Zwang zu körperlichem Kontakt gibt (Grundidee abfragen)
  3. langsam anfangen sich mehr und mehr verbal mitzuteilen. Der Partner sollte einem täglich 10 Minuten Gesprächszeit ohne Unterbrechungen(!) einräumen.
    Wichtig: Auch wenn man 10 Minuten schweigend da sitzt, kein Abbrechen und keine Unterbrechung!
  4. 10 Minuten schweigend zuhören und anschließend mitteilen, wie man sich damit gefühlt hat
  5. damit beginnen über die Abneigung und Distanz von Gefühlen zu sprechen (Einstieg!)
  6. die Angst vor Überforderung mitteilen. Dem Fluchtimpuls widerstehen und im Kontakt bleiben. Ehrlich kommunizieren, wie man sich damit fühlt, wenn man den Emotionen des Partners ausgesetzt ist

Wie auch bei der Geiz-Struktur gilt: wenn dafür noch nicht genug Kapazität vorhanden ist, ist zuerst Traumatherapie erforderlich.

Fehler-Zoom

Der Fehler-Zoom ist Teil des Bindungsangst-Spektrums (Bindungstraumafolge).

Er tritt in Beziehungen häufig nach der initialen Verliebtheitsphase auf und stellt ein Symptom eines Bindungstraumas (Autonomietrauma) dar.

Merkmal ist, dass man sich nicht mehr dazu in der Lage sieht, sich auf die positiven Aspekte des Partners und der Partnerschaft zu fokussieren, sondern zwanghaft “Fehler” sucht. Außerdem werden übertriebene Erwartungen an den Partner gestellt.

Mental beschäftigt sich der Mensch in der Beziehung hauptsächlich mit dieser Fehlersuche:

  • “Passt er überhaupt zu mir?”
  • “Ist sie vielleicht doch toxisch?”
  • “Könnte er ein Narzisst sein?”
  • “Ist sie gut genug für mich?”
  • “Er hat so eine komische Nase. Das gefällt mir nicht.”
  • “Ich mag ihr Lachen nicht.”
  • usw.

Das System versucht sich mit der überproportionalen Wertung von vermeintlichen Fehlern beim Partner in eine (gefühlt) überlegende Position zu bringen.

Es soll keine Tiefe und keine starke emotionale Bindung entstehen. (Bindungsangst)

So behält der Mensch die (gefühlte) Sicherheit, dass er die Beziehung jederzeit problemlos verlassen kann und dabei emotional nicht (stark) verletzt wird.

Doch in Wirklichkeit zerstört der Mensch einfach nur die Beziehung!

Bindungsangst (und der “Fehler-Zoom” als Folge dessen) entsteht durch Bindungstrauma:

  • unsichere Bindung zu den Eltern
  • Mangel an Vertrauen und Sicherheit in der Herkunftsfamilie
  • fehlende Modellfunktion für eine sichere Beziehung
  • übermäßige Selbstständigkeit als Kind
  • starke emotionale Verletzungen durch Bezugspersonen in der Kindheit
  • usw.

Bei der Tendenz zu “Fehler-Zoom” ist Traumatherapie indiziert. Denn in der Beziehung oder für sich alleine ist diese Struktur kaum zu durchbrechen.

Alexander Bohley
Traumatherapeut

Die Deep-Connect-Methode

https://deep-connect.net/

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