»Z² — Zahn & Zieger unterwegs«
Die Schöneberg-Trilogie von Alf-Tobias Zahn und René Zieger

Alf-Tobias Zahn
10 min readDec 14, 2014

Kennt ihr dieses wunderbare Gefühl, diese Vorfreude auf etwas Neues? So geht es mir seit dem ersten gemeinsamen Ausflug mit René vor einigen Wochen, der uns an einen Ort entführte, den so viele Menschen tagtäglich frequentieren und wahrscheinlich gar nicht genau hinsehen. Der S-Bahnhof Schöneberg sollte die Kulisse für unsere erste gemeinsame Fotoserie “Z² — Zahn und Zieger unterwegs” sein.

Nach dem Split bei Kalinka.Kalinka — wir gingen im Guten auseinander — suchte ich nach einer neuen Möglichkeit, Grüne Mode in Szene zu setzen. Mit mir im Bild, aber nicht zwangsläufig im Mittelpunkt. Das Neue sollte mehr sein als bloß another outfit post. Nach einigen gemeinsamen Gehirnwindungen war René und mir zwar noch nicht klar, wie das Ganze am Ende aussehen wird, aber wir wollten einfach mal machen. Dieses “einfach mal machen” zeige ich euch heute, im Auftakt der dreiteiligen Fotoserie, die vor den Türen des S-Bahnhofs beginnt und bis in die höchste Etage führt.

»Abblätternder Putz, grün-gelbe Farbgebung — irgendwie Berlin pur«

Am 1. März 1933 wurde das “X” eröffnet, dieser Knotenpunkt zwischen Ringbahn und der Trasse an den Wannsee. Unten heißt uns ein alter Bahnsteig mit schönem Kopfsteinpflaster willkommen, kombiniert mit bunten Wandfließen und abblätterten Putz. Genau diese Optik hatte René im Kopf, als er diesen Ort für unsere erste gemeinsame Begehung aussuchte. Alleine die grün-gelbe Farbgebung an den Wänden strapaziert bereits die Sehgewohnheiten. Archetektonisch wird dies durch die obere Halle gebrochen. Dort gleicht der S-Bahnhof jedem anderen der Deutschen Bahn in Berlin: eine hohe Halle, zugig, ungastlich, mit matten Bodenfließen und dem obligatorischen Schaffnerhäuschen in der Mitte des Bahnsteigs. Einzig die Hallendecke mit ihrem Mix aus Stahlträgern und Holzlatten lässt das Auge kurz verweilen, wenn es der Blick überhaupt bis an die Decke geschafft hat. Störend wirkt das alles nicht, zumindest nicht für diejenigen, die sich tagtäglich hier begegnen. Wartend, rauchend, auf das Smartphone starrend. Mit oder ohne Pudel. Meist die Jacke hochgeschlagen oder mit dem Fuß tippelnd auf den coffee to go wartend.

Das Wichtigste für uns war das Gefühl, dass das Setting stimmt. Also: Kamera in Anschlag. Jacke aus. Erstes Outfit an. Klick. Klick. Klick. »Dreh dich mal! Ja! So« wechselte sich mit »Ne, so passt das noch nicht! Mehr links! Mehr rechts! Zur Seite!« und »Oh, bleib mal stehen, das könnte gut aussehen!« ab. Funktionierte.

Gut gekleidet war ich auf alle Fälle. Meine sehr strapazierte und immer noch tadellos sitzende John Slim Fit von Kings Of Indigo (heute nicht im Bild) kombinierten wir mit dem grauen Longsleeve von bleed, dessen Bio-Baumwolle durch eine mechanische Oberflächenbehandlung besonders weich und anschmiegsam ist. Ein Basic, das gerade in der kühleren Jahreszeit in keinem Kleiderschrank fehlen sollte.

»Weich wie die flauschigen Ohren eines Koala-Bären«

Genau diese beiden Eigenschaften passen 1:1 auf das Midlayer Fleece von PYUA, das ich dankenswerter Weise in den letzten Wochen testen durfte (ichberichtete). Das weiche Innenfutter aus High-Loft-Fleece fühlt sich an wie die flauschigen Puschelohren eines Koala-Bärens. So und nicht anders. Darin sollte jeder einmal geschlüpft sein, der es draußen bei kalten Temperaturen eher wohlig warm mag. Der Rest der Jacke besteht aus 100 Prozent recyceltem Polyester, ist ein 1A verarbeitet und wurde sozial verantwortlich produziert. Zusammen mit der stimmigen Optik ist das funktionale Streetwear par excellence.

Im Mittelpunkt von »Z² — Zahn & Zieger unterwegs« stehen eigentlich weder das Outfit noch Renés Bemühungen, mich in das rechte Licht zu rücken. Für uns ging es eigentlich immer nur darum, den über uns nistenden und von uns kritisch beäugten Tauben aus dem Wege zu gehen. So tippelte ich von links nach rechts und von rechts nach links zwischen kontaminierten Bodenfliesen hin und her und hatte eigentlich nur beim Umziehen hinter der mittlerweile schon hinlänglich bekannten Plakatwand meine Ruhe vor meinen gefiederten Freunden.

»Nach den flauschigen Ohren eines Koala-Bärens kommt jetzt die black in black Kombination«

Nach den flauschigen Ohren eines Koala-Bärens, mit denen ich das wundervolle Innenfutter des Fleeces von PYUA verglichen habe, hatte ich diesmal eine fast vollständige black in black Kombination an. Zwischen den einzelnen Positionswechseln entledigte ich mich dann auch ab und an meines Schals, wobei ich sehr froh war, den dabei zu haben — der S-Bahnhof ist einfach mal zugig, im doppelten Wortsinn. Den Loop in Basalt, hergestellt in Deutschland aus reiner Bio-Baumwolle, kennt ihr bereits an mir. Er ist von Sekai Colori, deren japanisch-italienische Halsmode in Bio-Qualität ich euch nur wärmstens ans Herz legen kann.

Darunter folgt die geballte Power Green Fashion. Alle, die mich kennen, wissen, dass ich mich nur ungerne von meinem Owen Fleece Zip Thru von People Treetrennen kann. Das Label um Gründerin Safia Miney ist Vorreiter für ethical clothing, Mitglied in der WFTO, arbeitet natürlich nur mit zertifizierter Bio-Baumwolle und etablierte die Standards des fairen Handels in der ganzen Produktionskette. Das Schöne an People Tree: das alles ist bei einem Blick auf meine Jacke vollkommen nebensächlich, denn sie sieht einfach gut aus! Die Jacke ist etwas weiter geschnitten und passt deswegen perfekt zu meinemClean Crew Iron 8 Dips von Industry of All Nations, denen ich ja bereits eineultimative Lobhudelei widmete. Verarbeitet, gefärbt und genäht wurde das Ganze im IOAN Clean Clothes Project im indischen Tamil Nadu. Das Shirt erhält nach den einzelnen Waschgängen eine ganz eigene Farbgebung, bleibt erfreulicherweise aber so weich wie gedacht.

»Einmal Farbtupfer, bitte!«

War meine sehr strapazierte und immer noch tadellos sitzende John Slim Fit von Kings Of Indigo in der ersten Folge von “Z² — Zahn & Zieger unterwegs” noch nicht im Bild, ist dessen Bruder diesmal doch im Mittelpunkt. Meine John Slim Fit Black Black Selvage besteht aus 100 Prozent Bio-Baumwolle und kann auch etwas weiter getragen werden. Eng sitzend in einer 32/32, etwas entspannter und dennoch slim in einer 32/34.

Und zum Schluss gibt es dann doch noch einen kleinen Farbtupfer: meine giftgrünen Socken von MINGA BERLIN sind aus GOTS-zertifizierter ägyptischer Baumwolle gefertigt und einfach ein Muss für alle modebewussten Männer.

Und genau in diesem Outfit tippelte ich also auf dem S-Bahnhof Schöneberg von links nach rechts und von rechts nach links, immer mit einem Blick nach oben zu meinen ganz besonderen Freunden — und René hatte seine helle Freude dabei!

»3 halbe Brötchen & 1 Pott Kaffee«

Berlin ist in aller Munde. Mauerpark, Eastside Gallery, Ku’damm. Checkpoint Charly, Admiralsbrücke, Unter den Linden. Nicht zu vergessen: das Brandenburger Tor und das Holocaust-Mahnmal. Alles bekannte und beliebte Plätze, häufig Anlaufpunkt für viele Touristen. Doch Berlin ist vielmehr als diese glitzernden Plätze. Berlin ist vielmehr “Icke” — diese typische Berliner Schnauze. Gelebt, Tag für Tag. Geradeheraus, manchmal derbe, aber immer ehrlich. Einen Ort, der genau das reflektiert, haben René und ich in unserer letzten Schöneberg-Folge von »Z² — Zahn & Zieger unterwegs« gefunden.

Im Imbiss am Werdauer Weg wurden wir mit den warmen Worten empfangen, dass wir ja nicht fotografieren sollten — die Renovierung wäre doch erst in ein paar Monaten. Wir fanden es trotzdem gemütlich, so zwischen Frittenfett, Bratwurstdunst und Filterkaffee. Dort, wo 3 halbe Brötchen & 1 Pott Kaffee nur 3 Euro kosten, arbeitet die fleischgewordene Berliner Ehrlichkeit. Unverstellt, manchmal regungslos, immer interessiert. Sowohl Heinz*, der Imbissbesitzer, als auch Peter*, der Benzfahrer im Sakko, fanden das gar nicht seltsam, dass wir zwischen rostigen Rohren, zerfetzten Rücksitzbänken und eben dem Imbiss herumstiegen und Fotos machten. Warum auch nicht. Viel eher interessierte sich Heinz dafür, ob wir was essen wollten und Peter dafür, ob man denn mit der Nikon von René auch gute Makroaufnahmen machen könnte — er würde ja selbst privat gerne mal “knipsen”. Diese Gespräche können schnell ins Peinliche abdriften, doch Peter war ehrlich interessiert und fachsimpelte mit René, während ich genüsslich in meine Bratwurst biss.

Mit im Gepäck hatte ich noch meine ganzen Klamotten, die wir vorher auf dem S-Bahnhof Schöneberg ablichteten. Ihr wisst ja noch, »Weich wie die flauschigen Ohren eines Koala-Bären« und »Einmal Farbtupfer, bitte!« und so. Der Wind pfiff uns um die Ohren und ich war froh, dass ich mich für unser letztes Outfit bereits umgezogen hatte. Ohne Mütze ging es allerdings nicht. Mit einem jetzt weinenden Auge sehe ich mir die Fotos mit meiner wunderbaren Wollmütze von TWOTHIRDS an, da diese vor Kurzem im Waschgang fein verfilzt wurde. Keine weiteren Fragen, bitte. Es schmerzt noch. Das Label mit Sitz in Barcelona war mein Einstieg in die Grüne Mode. Produziert wird in Portugal, verwendet werden hauptsächlich (leider nicht mehr ausschließlich) biologisch angebaute oder wiederverwertbare Materialien. Meine Wollmütze war ein treuer Begleiter bei gerade kalten Tagen — jetzt bin ich auf der Suche nach einem Nachfolger bei Folkdays fündig geworden.

Noch nicht in meinem, dafür aber in Renés Kleiderschrank schlummert Joe. Er ist ein wunderbares Exemplar eines Zipped Hoodie von armedangels, einem der führenden und vor allem auch im Massenmarkt erfolgreichen Grüne Mode-Labels. Das Kölner Label setzt auf faire Produktion, biologisch angebaute Materialien und zertifizierte Stoffe. Joe besteht aus 100 Prozent Bio-Baumwolle, versehen mit dem GOTS-Zertifikat, absolut weich in ausgezeichneter Qualität. Anschmiegsam — und umso schwerer für mich, Joe wieder in die Obhut von René zurückzugeben.

»Ein absolutes Meisterstück an funktionaler Lässigkeit«

Darüber streifte ich etwas ganz Exquisites: die Rope-Y von PYUA. Als erste Funktionsbekleidungsmarke weltweit fertigt PYUA seine Kleidung aus bereits recycelten oder recycelfähigen Polyester-Materialien und kann diese durch ein einzigartiges Rücknahmesystem wieder vollständig verwerten. Die Weste besteht aus GOTS-zertifizierter Schurwolle aus kontrolliert biologischer Tierhaltung — eine Kombination, die es so nicht allzu häufig gibt. Im Brust- und Schulterbereich wurde windabweisendes sustainaBlend-Material eingesetzt. Zwei schöne Details: die Brusttasche mit Zipper und die beiden Seitentaschen mit PYUA-Knöpfen. Dem Label, das “Ecorrect Outerwear” herstellt, ist mit der Woll-Weste ein absolutes Meisterstück an funktionaler Lässigkeit gelungen.

Diese Kombination, gepaart mit meiner John Slim Fit von Kings Of Indigo habe ich wirklich ungerne wieder abgelegt. Von PYUA und auch von armedangels bin ich nach unserer kleinen Tour definitiv überzeugt. Von den Berliner und ihrer so berühmten Schnauze sowieso. Heinz und Peter wünschten uns, als wir den Imbiss wieder gen Heimatkiez verließen, noch viel Spaß und alles Gute. Mit warmen ehrlichen Worten. Und während ich diese Wort schreibe, merke ich, wie gegensätzlich unsere nächste Doppelfolge von »Z² — Zahn & Zieger unterwegs« sein wird. Wieder typisch Berlin, aber vollkommen anders. Ein wunderbarer Kontrast — ungewollt erzeugt, umso schöner gerade deswegen. Fotografen- und Modeherz, was willst du mehr …

In der neuen Fotoserie “Z² — Zahn & Zieger unterwegs” entdecken René und ich Orte, die wir schon immer einmal sehen wollten oder die uns besonders gefallen. Auf den ersten oder den zweiten Blick. In und um Berlin. In unserem dreiteiligen Auftakt verschlug es uns nach Schöneberg. Für unsere nächste Doppelfolge haben wir das Bikini Berlin unsicher gemacht. Immer mit dabei: das Auge für das Skurrile, das Schöne, das Alltägliche. Im Gepäck, feinster Stoff aus der Grünen Modewelt.

Text: Alf-Tobias Zahn
Fotos: René Zieger

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Alf-Tobias Zahn

Father, Communication Consultant and Green Fashion Blogger from Berlin // www.grossvrtig.de