Wie man die Qualität von Kommentaren auf einer Newsplattform steigert

Benja Zehr
5 min readOct 25, 2017

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Vor längerer Zeit habe ich einmal eine Idee formuliert, wie man die Qualität von Kommentaren steigern könnte. Da nichts aus der Idee geworden ist, stelle ich meine Überlegungen gerne anderen zur Verfügung.

Journalisten sind Generalisten. Immer. Jeder Text, den man schreibt, wird vermutlich von jemandem gelesen, der sich noch besser mit dem Thema auskennt — weil er oder sie auf diesem Beruf arbeitet oder sich sonst schon lange mit dem Thema auseinandersetzt.

Ziele

Heute beinhalten die meisten Äusserungen mehr Meinung als Wissen.

  • Wir möchten, dass Personen ihr Spezialwissen mit anderen teilen.

Heute kommentieren wenige User sehr viel und sehr viele User kommentieren gar nicht.

  • Wir möchten, dass sich mehr User an der Debatte beteiligen.

Heute zerstreiten sich die immerselben Personen und liefern sich einen Diskussion auf tiefem Niveau oder am Thema vorbei. 22% aller Kommentare werden nicht freigeschaltet.

  • Wir möchten, dass in Zukunft anteilsmässig mehr Kommentare freigeschaltet werden können. Dies ist ein Indikator, wie korrekt die Debatte läuft.

Heute findet man in den meisten Kommentaren viele Meinungen — oftmals rechte — und wenig Beiträge, die eine substanzielle Ergänzung zum Thema bieten.

  • Wir möchten, dass es sich für User lohnt, die Kommentarspalte zu lesen und sie deshalb länger auf einem Artikel und auf der Plattform verweilen.

Heute haben diverse Newsportale eine grosse Zahl an Besuchern pro Woche/Monat, aber nur eine kleine Zahl an User, die täglich oder mehrfach täglich die Seite besuchen.

  • Wir möchten, dass wir mehr User haben, die täglich die Seite besuchen.

Wege zum Ziel

  • Wir verstehen, dass die Grenzen zwischen Produzent und Rezipient verschwimmen. In der Folge ist nicht mehr von Usern die Rede sondern von Contributors und nicht mehr von Kommentaren, sondern von Beiträgen.
  • Wir gehen von einem mündigen Contributor aus und arbeiten in seinem Auftrag.
  • Wir sind bemüht, dass Beiträge schreiben unserer Plattform ein positives Erlebnis ist.
  • Wir belohnen neue Contributors, wenn sie sich registrieren und erstmals etwas beitragen.
  • Wir belohnen Contributors, wenn sie Beiträge schreiben (bis zu einer begrenzten Zahl).
  • Wir beschränken Contributors, wenn sie zu viele Beiträge schreiben.
  • Wir belohnen Contributors, wenn sie qualitativ hochstende Beiträge schreiben.
  • Wir bestrafen Contributors, wenn viele ihrer Beiträge nicht den Richtlinien entsprechen.
  • Wir sprechen mit den Contributorn — automatisiert und persönlich.
  • Wir erklären uns, z.B. weshalb ein Beitrag nicht freigeschaltet wird.
  • Wir zeigen Profil und Persönlichkeit und werden fassbar.

Das Belohnungssystem

Mittels Ansätzen von Gamification sollen Contributor belohnt und bestraft werden für ihr Engagement. Hierfür wird ein Badge-System eingerichtet. Oberstes Ziel ist die Qualität der Beiträge. Richtwert ist deshalb der Anteil freigeschalteter Beiträge. Wurden von einem Contributor 96% aller Beiträge freigeschaltet, erhält er beispielsweise den Gold-Badge.

Der Eintritt

Wir müssen jene Contributors, die noch nicht registriert sind, dazu motivieren, sich zu registrieren. Eine erste Massnahme könnte sein, dass das Beitragsfeld für alle sichtbar ist. Erst wenn der Beitrag eingetragen wird, wird der Contributor aufgefordert, sich zu registrieren. Er hat zu diesem Zeitpunkt also bereits Zeit in seinen Beitrag investiert und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass er sich nun registriert.

Registriert sich ein Contributor, wird er mit einer netten animierten Grafik belohnt bzw. willkommen geheissen. Im Willkommensgruss weisen wir ihn auf die Verhaltensregeln und das Belohnungssystem hin.

Bevor ein Contributor 10 Beiträge geschrieben hat, besitzt er einen Anfänger-Status. Ihre Beiträge werden prioritär behandelt. Nach jedem der 10 ersten Beiträge wird der Contributor mit einer animierten Grafik belohnt. Der Einstieg in des Leben als Contributor soll möglichst positiv sein.

Hat ein Contributor zwischen 10 und 50 Beiträge geschrieben, ist er «Amateur». Erst dann konnten genug Daten über die Qualität seiner Beiträge gesammelt werden und er wird ins reguläre Badge-System überführt.

Das Badge-System

  1. Kein Badge
  2. Bronze-Badge (mehr als 90% freigeschaltet)
  3. Silber-Badge (mehr als 93% freigeschaltet)
  4. Gold-Badge (mehr als 96% freigeschaltet)
  5. Platin-Badge (mehr als 99% freigeschaltet)

Durch dieses System werden jene Contributors eher benachteiligt, die sehr viele Beiträge schreiben. Die Wahrscheinlichkeit steigt mit jedem Beitrag, dass einer einmal nicht freigeschaltet wird.

Je höher ein Contributor eingestuft ist, desto höher werden seine Beiträge priorisiert. Diese erscheinen im Backend oben in der Liste und werden schneller freigeschaltet.

Motivationen für Zwischendurch

Um die Contributors zu motivieren und dafür zu sorgen, dass sie regelmässig wiederkehren, sind zusätzliche Massnahmen nötig.

Beim ersten Beitrag nach 24 Stunden erschient eine animierte Grafik und eine «Willkommen zurück» Botschaft.

Beim fünften Beitrag innerhalb von 24 Stunden erscheint einer weitere animierte Grafik im Sinne von «wow du bist aber fleissig heute».

Bestrafungen

Zu Zuckerbrot gehört Peitsche. Contributors sollen für Fehlverhalten bestraft werden.

  • Wenn von einem Contributor weniger als 50% aller Beiträge freigeschaltet werden, wird er für einen Monat gesperrt.
  • Wenn von einem Contributor innerhalb von 24 Stunden die ersten fünf Beiträge zurückgewiesen werden, wird er für 24 Stunden gesperrt.
  • Nach 15 Kommentaren innerhalb von 24 Stunden wird ein Contributor gesperrt. Dies soll auf eine nette Art geschehen. Beispielsweise: «Oh du hast heute aber so richtig in die Tasten gehauen. Vielen Dank für deine Beiträge. Wir versuchen, hier alle zu Wort kommen zu lassen. Deshalb bitten wir dich, eine Pause einzulegen».

Zusätzliche Auszeichnungen

Es wären zusätzliche Auszeichnungen denkbar. Beiträge könnten allenfalls als «wertvoll» eingestuft werden. Wurden die Beiträge eines Contributors besonders oft als wertvoll gekennzeichnet, erhielte dieser einen zusätzlichen Badge. Hier lauert die Gefahr, dass andere Contributors nicht nach Qualitätskriterien ihre Stimme an Beiträge vergeben, sondern nach politischer Gesinnung. Hier ist deshalb Vorsicht geboten.

Ausserdem könnte mit dem System eines «Staff Pick» gearbeitet werden. Vom Moderator aus besonders wertvoll ausgezeichnete Beiträge könnten zuoberst dargestellt werden. Für diese Auszeichnung könnte ein weiterer Badge eingeführt werden.

Feedbacksystem

Contributors müssen spüren, dass sie in uns ein Gegenüber gefunden haben. Dafür ist es unabdingbar, dass sie regelmässig etwas von uns hören. Dies geschieht einerseits durch computergenerierte Antworten, andererseits dadurch, dass sich Moderatoren in die Diskussion einschalten und Persönlichkeit und Profil zeigen.

Es sollte möglich sein, dass von einem Beitrag ein Teil freigeschaltet wird und ein anderer zurückgewiesen. Wenn ein Moderator einen Beitrag zurückweist, muss er angeben weshalb. Zur Auswahl stehen die einzelnen Regeln aus den Community-Richtlinien. Der Contributor wird per automatisch generiertem Mail informiert, ob sein Beitrag freigeschaltet wurde und wenn nicht, gegen welche Regeln er verstossen hat.

Contributors können in ihrem Account diese Mails abbestellen. In diesem Fall müsste aber ein Notification-System eingerichtet werden, wo sie diese Feedbacks einsehen könnten.

Vom User zum Contributor

Contributors könnten zusätzlich belohnt werden, wenn Sie mehr über sich verraten. Auf einer Contributor-Seite könnten die Informationen über einen Contributor aufgelistet werden. Dazu gehören Name und Badges eines Contributors, aber auch eine kurze Bio und ein Bild wären denkbar. Zusätzlich könnte man alle Beiträge des Contributors auflisten. Interessant könnte auch eine Zeile sein, die bei jedem Beitrag dazugestellt wird, in dem ein Contributor seinen Beruf oder ein spezielles Hobby angeben könnte, das ihn als Experten auf einem gewissen Gebiet kennzeichnet.

Entschuldigt die diversen Anglizismen. In der Kommunikation nach aussen würde ich eher auf Deutsche Begriffe setzen. Contributors könnten Beitragende, Mitdiskutierende oder Autor*innen bezeichnet werden.

Was haltet ihr von einem solchen Ansatz?

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