Philanthropie 4.0: Welche Form des Gebens ermöglicht einen transformativen Wandel?

Antares Reisky
10 min readDec 25, 2023

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von: Otto Scharmer |22.12.2023

Übersetzung: Antares Reisky |CoCreatingFuture

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Bild: Jayce Lee

Angesichts zunehmender Störungen und sozialer und ökologischer Zusammenbrüche sind die traditionellen Formen philanthropischen Engagements möglicherweise weniger wirksam als früher. Konfrontiert mit gesellschaftlichen Spaltungen, Kriegen und der Klimakrise stellen sich die Hauptakteure der Philanthropie die Frage, wie die Philanthropie in Momenten einer Polykrise effektiver reagieren kann. Wie kann die Philanthropie mit neuen Formen der Hyperkomplexität umgehen? Welche Rolle spielt die Philanthropie bei der Bewältigung von Zusammenbrüchen, und wie kann sie Regeneration und Wandel fördern?

Zahlreiche Experimente und Innovationen im philanthropischen Sektor reagieren auf unterschiedliche Weise auf diese disruptiven Herausforderungen — von der treuhänderischen Finanzierung über die partizipative Vergabe von Zuschüssen bis hin zu flexiblen mehrjährigen Kernzuschüssen für den Aufbau einer transformativen Infrastruktur.

Diesen innovativen Bemühungen liegt der Wunsch zugrunde, eine systemische und langfristige Wirkung zu erzielen, die zu einer Veränderung bestehender Muster führt und einen nachhaltigen und integrativen Wandel zum Wohl der Gemeinschaften und des Planeten unterstützt.

Drei Arten von Komplexität

In unserer Arbeit am Presencing Institute glauben wir, dass die meisten Lösungen für die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, bereits existieren. Was jedoch fehlt, ist unsere kollektive Fähigkeit, diese Lösungen zeitnah und in großem Umfang umzusetzen. Wir glauben auch, dass sich die Rolle der Philanthropie wandelt. Traditionelle Formen der Wohltätigkeit und von Gebern definierte Problemlösungen können wirksame Lösungen für einfache Herausforderungen bieten, aber die neue Komplexität der Polykrise erfordert neue Ansätze aus allen Bereichen. Dies hat Auswirkungen auf (a) die Beziehung zwischen Philanthropie und den Akteuren des sozialen Wandels und auf (b) das Bewusstsein und die Denkweise, die philanthropische Aktivitäten leiten.

Die Disziplin des Systemdenkens kann uns helfen, Komplexität zu verstehen. Drei Arten von Komplexität spielen bei den Herausforderungen, denen sich unsere Institutionen und Gemeinschaften gegenübersehen, dabei eine Rolle (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Drei Arten von Komplexität: dynamisch, sozial, entstehend (Quelle: Scharmer, C. O. (2019), Theorie U, S. 58).

Dynamische Komplexität betrifft verzögerte Rückkopplungsschleifen: Ursache und Wirkung sind räumlich und zeitlich weit voneinander entfernt. So wirken sich beispielsweise die Kohlenstoffemissionen der vergangenen Jahrzehnte an weit entfernten Orten auf das Klima auf der ganzen Welt aus. Der Umgang mit dieser Art von Komplexität erfordert die Anwendung ganzheitlicher Systemmethoden (z.B. die Systemdynamik).

Soziale Komplexität betrifft unterschiedliche Ansichten und Interessen: Eine Vielzahl von Akteuren bringt unterschiedliche Interessen und Weltanschauungen in eine Situation ein. Ein Beispiel aus jüngster Zeit war der Versuch der COP 28-Stakeholder, sich auf eine gemeinsame Erklärung zu einigen. Der erfolgreiche Umgang mit sozialer Komplexität erfordert den Einsatz ausgefeilter Multi-Stakeholder-Methoden, um unterschiedliche Interessen und Standpunkte in einer gemeinsamen Problemlösung zusammenzubringen.

Die sich immer deutlicher abzeichnende Komplexität stellt das prägende Merkmal für die drängenden Herausforderungen dar, mit denen sich unser Planet, unsere Institutionen und unsere Gemeinschaften konfrontiert sehen: disruptive Herausforderungen, deren Lösung unbekannt ist, zum Teil weil sich die Probleme ständig verändern und weiterentwickeln. Beispiele für diese Art von Komplexität sind Technologie (AI), Gesundheit (Covid 19), Krieg, Terrorismus, strukturelle Gewalt (z. B. im Nahen Osten) und klimabedingte Störungen. Der Umgang mit der sich abzeichnenden Komplexität erfordert eine Systembetrachtung anstelle einer isolierten Betrachtung. So hat beispielsweise das Pariser Abkommen nur wenige Jahre nach dem Scheitern der Klimagespräche in Kopenhagen gezeigt, wie ein bewusstseins- und systembasierter Führungsansatz das Denken der jeweiligen Akteure von einer Egosystem- zu einer Ökosystemsicht verändern kann. Für eine wirksame Umsetzung dieser neuen Führungsarbeit sind Methoden und Instrumente für einen transformativen Systemwandel erforderlich.

Vier Arten der Philanthropie

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Philanthropie heute, ebenso wie alles andere auch, mit einer zunehmenden Komplexität konfrontiert ist. Diese Herausforderungen bieten Chancen für innovative Antworten. Die folgende Matrix zeigt, wie vier Arten von philanthropischen Aktivitäten auf die systemische Komplexität reagieren. In der Realität können konkrete Beispiele philanthropischen Engagements Elemente von mehr als einem dieser Typen vereinen. Um die verschiedenen Arten (und die ihnen zugrunde liegende Logik) zu verdeutlichen, kann es jedoch hilfreich sein, die nachfolgende Tabelle zu betrachten.

Tabelle 1: Vier Arten der Philanthropie

Philanthropie — wörtlich: “Liebe zum Menschen” — findet traditionell in Form von karitativen und individuellen Spenden statt (Philanthropie 1.0). Die Aufgabe ist definiert, und der Spender hilft. Eine Gemeinde braucht eine Bibliothek, eine Schule eine Turnhalle oder Menschen brauchen Nahrung und Unterkunft. Ein Empfänger kann eine Spende anerkennen, indem er einen Raum nach einem Großspender benennt oder die Namen kleinerer Spender veröffentlicht. Diese Spenden decken zwar einen unmittelbaren Bedarf, beseitigen aber in der Regel nicht die eigentlichen Ursachen des Problems. Zu den Ursachen gehören Armut, Ungleichheit, Ausgrenzung von Chancen, systemischer Rassismus und Klimastabilität, um nur einige zu nennen. Das Angehen der systemischen Fragen, die zu den Problemen geführt haben, erfordert eine andere Art der Reaktion.

Philanthropie 2.0 führt messbare Ergebnisse und Resultate ein und zielt darauf ab, die Effizienz und Wirkung der Spenden zu erhöhen. Eine Stiftung könnte einen strategischen Schwerpunkt setzen (z. B. die Verringerung der CO2-Emissionen, die Reduzierung der Klassengröße oder die Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung) und ein Indikatorensystem entwickeln, das die Auswirkungen der Spenden in diesen Bereichen misst.

Die zunehmende Beliebtheit dieser effektiver Philanthropie hat verdeutlicht, dass die Verwendung quantifizierbarer Indikatoren Vorteile in Bezug auf Effizienz bietet. Gleichzeitig setzt dies jedoch voraus, dass der Philanthrop genau darüber informiert ist, was das Problem ist und wie es am besten angegangen werden kann. Kritiker dieses Ansatzes verweisen auf inhärente Machtungleichgewichte, ebenso auf eine Voreingenommenheit gegenüber Wirkungsbereichen, die kurzfristig leicht messbar sind. Darüber hinaus bemängeln sie eine unzureichende Rechenschaftspflicht seitens der Entscheidungsträger im Bereich der Philanthropie. Die US-amerikanische Philanthropie vergibt beispielsweise jährlich 500 Milliarden Dollar, die europäische Philanthropie etwa 60 Milliarden Dollar pro Jahr. Welchen Gegenwert erhält die Gesellschaft für die Steuervorteile, die die Vermögensinhaber für diese 560 Milliarden Dollar erhalten? Bringen uns diese Investitionen auf dem Weg zu einer besseren Welt voran, indem sie einige der tieferen Ursachen dieser Probleme angehen, oder führen diese Investitionen (und die Billionen von Dollar an Finanzvermögen, die sie hervorgebracht haben) nur dazu, dass die Ursachen, die sie verursacht haben, fortbestehen?

Die Philanthropie 3.0 ist kollaborativer, experimenteller und langfristiger und bezieht die Perspektive der Empfänger von Fördermitteln stärker mit ein. Die gemeindebasierte Stiftung Maine Initiatives beispielsweise ist ein Vorreiter bei der partizipativen Vergabe von Fördermitteln. Lokale Gemeinschaften legen nicht nur die Schwerpunktbereiche ihrer Spenden fest, sondern entscheiden auch, wer Zuschüsse erhält. In der 3.0-Philanthropie ist die Beziehung zwischen der Philanthropie und den Akteuren des Wandels kooperativ. Der Dialog ist von zentraler Bedeutung für den Erfolg der Philanthropie, und das Spenden ist in einen bestimmten sozialen Kontext eingebettet.

Geldgeber Kooperativen, von Spendern geförderte Fonds und Impact Investitionen sind andere Arten von Experimenten mit der Philanthropie 3.0, die Elemente der Entwicklung in Richtung 4.0 enthalten. Die Lankelly Chase Foundation beispielsweise hat einen “Übergangspfad” geschaffen, um sich selbst aufzulösen und ihr Vermögen in Gemeinden zu verlagern, die dieses Vermögen nach eigenem Gutdünken nutzen können. Der CEO der Stiftung, Julian Corner, sagte dazu: “Wir haben uns festgefahren und haben erkannt, dass wir Teil des Problems sind.”

Philanthropische Aktivitäten, die sich in Richtung 4.0 bewegen, sind durch die Absicht der Systemtransformation definiert und weisen in der Regel Merkmale wie vertrauensvolle Beziehungen, größere mehrjährige Zuschüsse, Kapazitätsaufbau und die Einbeziehung des gesamten Ökosystems der Partner auf. Ohne die klare Absicht zur Systementwicklung oder -transformation würden dieselben Merkmale nicht im Kontext von Philanthropie 4.0 in Betracht gezogen werden.

Andere Organisationen im Bereich 3.0, die sich in Richtung Philanthropie 4.0 bewegen, sind die Niederländische Postcode-Lotterie und die Ford Foundation. Die niederländische Postcode-Lotterie stellt niederländischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen eine uneingeschränkte institutionelle Grundfinanzierung zur Verfügung, um wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterstützen, und hilft ihnen, ihr Ökosystem der Zusammenarbeit zu stärken. Das BUILD-Programm (Building Institutions and Networks) der Ford Foundation, eine 5-Jahres-Initiative mit einem Volumen von 1 Milliarde Dollar, zielt darauf ab, die Fähigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Schaffung zivilgesellschaftlicher Infrastrukturen zu stärken. Diese Beispiele gewinnen an Relevanz in der aktuellen Situation, in der zivilgesellschaftliche Organisationen in vielen Ländern verstärkt Angriffen ausgesetzt sind.

Typischerweise sind systemische Grundprobleme weniger quantifizierbar und erfordern häufig längerfristige Maßnahmen. Die Verringerung von struktureller Gewalt, institutionellem Rassismus oder Umweltzerstörung erfordert die Beteiligung des gesamten Systems an der Erarbeitung von Lösungen.

Philanthropie 4.0 ist eine neue Form der philanthropischen Aktivität, die sich auf einen transformativen Systemwandel konzentriert. Die 4.0-Philanthropie zielt darauf ab, die Ursachen einer Herausforderung aus der Perspektive des gesamten Systems anzugehen. Das Hauptziel der 4.0-Philanthropie ist es, Veränderungen anzustreben, die zu Wohlstand für alle führen. Die Eileen Fisher Foundation setzt sich beispielsweise dafür ein, die Bekleidungsindustrie zu einem “regenerativen Modedesign” zu bewegen; das Unternehmen Eileen Fisher Inc. ist ebenfalls in diesem Bereich innovativ tätig. Dies erfordert einen Prozess, der es einem Mikrokosmos dieses Systems ermöglicht, sich selbst zu sehen und zu spüren und sich auf neu entstehende zukünftige Möglichkeiten auszurichten.

Ein anderes Beispiel, das sich im Kontext von Philanthropie 4.0 bewegt, betrifft ein Projekt zur Gesundheit von Müttern in Namibia, das vom Presencing Institute unterstützt wurde. Die Intervention konzentrierte sich auf einen Mikrokosmos des lokalen Gesundheitssystems: von staatlichen Gesundheitsbeamten bis hin zu Krankenschwestern. In enger Zusammenarbeit mit Müttern und lokalen Gruppen konnte das Gesundheitssystem systemische Lösungen zur Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Kindern ermitteln und umsetzen. Ein Kulturwandel half dem System, neue institutionelle Strukturen zu schaffen und besser auf die Bedürfnisse der Mütter und ihrer Kinder einzugehen. Dies war möglich, weil die Fördermittelgeber, die dieses Projekt unterstützten, den Ansatz “Nicht-alle-Antworten-zu-wissen” und die radikale Einbeziehung des Krankensystems auf allen Ebenen des Prozesses akzeptierten.

Was wären Elemente gewesen, die dieses Projekt zu einem echten Philanthropie 4.0-Projekt hätten machen können? Stärkerer Fokus auf die sozialen Determinanten von Gesundheit (Ungleichheit, Unterschiede bei den Gesundheitsergebnissen nach Rasse) und Wohlbefinden.

Andere Beispiele konzentrieren sich auf den Aufbau von sektorübergreifenden, transformativen Führungsinfrastrukturen, darunter u-lab und IDEAS.

Im u-lab, einer kostenfreien Online-Lernumgebung zur Förderung von Kompetenzen im Bereich Systemwandel, haben sich in den letzten neun Jahren mehr als 240 000 registrierte Nutzer aus 186 Ländern auf eine Innovationsreise begeben. Im Rahmen von IDEAS haben wir in Zusammenarbeit mit einem Stiftungspartner in Südostasien, United in Diversity, Infrastrukturen unterstützt, die Führungskräfte aus der Wirtschaft, der Regierung, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft auf eine gemeinsame Reise zum Verständnis der grundlegenden Probleme in ihrem System und zur Entwicklung von Prototypen für Lösungen zu diesen Problemen mitnehmen. Das Interessante an diesen beiden Beispielen ist, dass die wichtigsten systemischen Auswirkungen erst Jahre später sichtbar werden.

Philanthropie 4.0 verändert nicht nur die Beziehung zwischen Philanthropie und Zuschussempfängern von einer transaktionalen zu einer transformativen Beziehung, sondern erfordert auch eine neue Form des gemeinsamen Bewusstseins und der gemeinsamen Absicht, die es allen Partnern im System ermöglicht, sich nach Bedarf anzupassen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Philanthropie, die von einem 4.0-Ansatz geleitet wird, orientiert auch ihre Investitionen an den beabsichtigten Wirkungen, die sie erzielen möchte.

Komplexe Probleme erfordern komplexe Lösungen

Welche Art der Philanthropie ist die beste? Das kommt darauf an. Bei bekannten Problemen mit bekannten Lösungen auf einem moderaten Komplexitätsniveau funktioniert eine 1.0- oder 2.0-Vorgehensweise, weil sie effizient ist. Aber in Kontexten, die durch Störungen und/oder zunehmende Komplexität gekennzeichnet sind — d. h. in Umgebungen mit sich entwickelnden Problemen und sich entwickelnden Lösungen — ist ein anderer Ansatz erforderlich. Eine anspruchsvollere 3.0- und 4.0-Philanthropie spiegelt diesen neuen Kontext des gesellschaftlichen Wandels wider. Komplexe Herausforderungen erfordern komplexe Lösungen. Sie mit einer 2.0-Philanthropie anzugehen, wäre, wie es ein Kollege von den Vereinten Nationen kürzlich formulierte, wie der Versuch, “mit einem Eselskarren zum Mond zu fahren”.

Philanthropie 3.0 und 4.0 unterscheiden sich von 2.0 dadurch, dass sie den Zuwendungsempfängern die Freiheit geben, flexibel auf sich schnell verändernde Rahmenbedingungen und Störungen zu reagieren. Wir hatten das Glück, dass wir diese Freiheit im März 2020 hatten, als die Covid-Pandemie zuschlug und ein Großteil der Welt zum Stillstand kam. Das Team vom Presencing Institute brauchte nur eininge Tage, um ein Kernteam zu mobilisieren, das unserer Theory U Gemeinschaft einen kritischen Raum der Sinnfindung zur Verfügung stellte. Im Laufe einiger Monate nahmen etwa 15.000 Menschen regelmäßig an zweiwöchentlichen Online-Treffen teil und nutzten tiefes Zuhören, Stille und bewusstseinsbasierte soziale Praktiken, um der Störung einen Sinn zu geben und ihre eigene Reise nach vorne neu zu gestalten und zu imaginieren. Diese Intervention, die als GAIA-Reise (Global Activation of Intention and Action) bezeichnet wird, hat zu zahlreichen ortsbezogenen Initiativen geführt, die auch heute noch Veränderungen bewirken. Unsere Maßnahmen wurden vollständig durch einen treuhänderischen Zuschuss ermöglicht, der es uns ermöglichte, ein Programm zusammenzustellen, von dem wir überzeugt waren, dass es den Bedürfnissen der Gemeinschaft entspricht.

Verschiebung des Fokus philanthropischer Maßnahmen auf die präventive Ebene

Die Intensivierung der philanthropischen Aktivitäten auf der 4.0-Ebene erfordert eine Verlagerung des Wirkungsschwerpunkts der Philanthropie von nachgelagerten (kurzfristige Messgrößen) zu vorgelagerten (Entwicklung und Veränderung von Denkweisen und Betriebssystemen).

Diese Entwicklungen erfordern eine Untersuchung der Ursachen für die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Eine erstaunliche Anzahl von Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt geht diesen Fragen nach. Aber sie müssen oft isoliert vorgehen, und häufig fehlen ihnen die Methoden und Werkzeuge, um den Wandel bewusster und kollektiver anzugehen.

Im Laufe der Jahre haben wir gelernt, dass der Erfolg eines Transformationsprozesses in einem System von zwei Dingen abhängt: erstens von einer veränderten Denkweise der Menschen, die diese Systeme umsetzen, und zweitens von einer unterstützenden Infrastruktur, die diesen Veränderern hilft, diese Reise zu bewältigen. Diese unterstützenden Infrastrukturen waren die Voraussetzung für Bewegungen auf der ganzen Welt (von der Entkolonialisierungsbewegung in Indien über die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika bis hin zu den Bürgerrechtsbewegungen in den Vereinigten Staaten in den 1960er Jahren und in Ost- und Mitteleuropa in den 1980er Jahren usw.). Verhaltensänderungen und Umwälzungen brauchen eine gezielte Unterstützungsstruktur. Zivilgesellschaftlichen und sektorübergreifenden Initiativen mangelt es häufig an solchen hochwertigen Unterstützungsstrukturen.

Die aktuelle Polykrise und die Welle von Systemzusammenbrüchen können nicht mit demselben Denken gelöst werden, das sie verursacht hat. Philanthropie 4.0 packt die systemischen Herausforderungen an der Wurzel an, indem sie den Ort der Intervention von nachgelagert (ergebnisorientiert) auf vorgelagert (mit neuen Denkweisen und Betriebssystemen) verlagert:

  • Skalierbare institutionelle Infrastrukturen, die alle relevanten Akteure zusammenbringen, um die Entwicklung des Systems mitzugestalten.
  • Ko-kreative Führungskapazitäten für eine Bewusstseinsverschiebung von einer Silo- zu einer Systemsicht — d.h. vom Ego zum Öko.
  • Methoden, Werkzeuge und Räume, die neue kollaborative und ko-kreative Fähigkeiten unterstützen.

Alle diese Komponenten sind vorhanden, zumindest in Form von Samen und Prototypen. Was fehlt, ist das unterstützende Umfeld — der Boden, die Nährstoffe, das Wasser, das Licht -, das es diesen Samen und Prototypen ermöglicht, zu wachsen, sich zu verbinden und kollektiv funktionsfähig zu werden. Die Verlagerung des primären Schauplatzes des Wandels bei philanthropischen Maßnahmen von der nachgelagerten zur vorgelagerten Ebene könnte einen dringend benötigten Impuls für Initiativen zum Wandel geben, die dazu beitragen, die Absicht mit dem Handeln auf der Ebene des gesamten Systems in Einklang zu bringen.

Ich danke Saskia van den Dool-Gietman, John Heller, Antoinette Klatzky, Emma Paine und Katrin Kaufer für ihr Feedback und ihren wertvollen Beitrag sowie einem Netzwerk von Interviewpartnern, die ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben.

Weitere Ressourcen finden Sie unter: u-school for Transformation

Weitere Blogs von Otto: Homepage Otto Scharmer

Weitere deutschsprachige Informationen zu finden auf: Theory-u.de

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