Das Kabinett der Grausamkeiten — wenn Liebe zum Machtkampf wird

Volker Schmidt
6 min readJul 6, 2016

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Das Kabinett der Grausamkeiten

Wenn Liebe zum Machtkampf wird

Liebeskonflikte sind ein erstaunliches Phänomen. Vormals und in der Außenwelt sozial intelligente, feinfühlige, souveräne Menschen verwandeln sich in blutrünstige Furien, in eiskalte Sadisten oder in manipulative Fallensteller. Im archaischen Kampf um “Du oder ich?” steht der Wahl der Mittel keinerlei störende Moral im Weg.

Hast du gerade einen Konflikt mit deinem oder deiner Liebsten? Möchtest du ein Exempel statuieren? Bist du entschlossen genug, die Machtfrage in deinem Sinne zu klären, auch wenn du dabei ein großes Stück von deiner Liebe opfern musst?

Fein!

Dann komm mit mir mit! Folge mir in die Hinterkammer und dann ein paar Stufen treppab. Da habe ich die fiesen Dinge aufbewahrt. Die, über die man nicht mit Freunden spricht. Die, die wirklich weh tun.

Wer in den Krieg zieht, der braucht dafür das richtige Werkzeug. Kommen mit mir! Nur keine Scheu! Hier wirst du geholfen.

Folge mir! Hier unten betreten wir das Kabinett der Grausamkeiten und die Kammer des gepflegten ehelichen Sadismus.

Demütigung — ziele auf den Unterleib!

Verzeih’ mir, dass es hier ein wenig unordentlich ist! Du glaubst ja gar nicht, wie viele enttäuschte Liebende hier vorbei schauen und stöbern. Ich komme kaum zum Aufräumen zwischendurch.

Schau mich kurz an! Was bist du für ein Typ?

Willst du vielleicht einen kurzen, vernichtenden Schlag austeilen? Wie wäre es mit einem stumpfen Treffer in den Unterleib? Die Demütigung hat sich hierfür als Schlagring millionenfach bewährt. Nur wenige Worte sind nötig. es sollten natürlich die Richtigen sein. Aber ich vertraue dir: Du kennst deinen Partner lang genug. Du weißt, was ihm weh tut.

Die Demütigung erzeugt zuverlässig einen scharfen, stechenden Schmerz, raubt deinem Gegner (verzeihung: Partner!) den Atem und mit ein wenig Zielgenauigkeit und Glück zugleich den sicheren Stand.

Hm… nicht das Richtige? Zu unsicher vielleicht? Zu verkopft? Ich verstehe! Wie wäre es dann … mit ein wenig mehr … Drama?

Drama —Nutze die Scham schamlos aus!

Wichtiges Element beim Drama ist — wie bei jeder Form des szenischen Theaters — die Wahl des richtigen Publikums. Verschwende deine darstellerischen Gaben nicht in trauter Zweisamkeit! Geh’ raus ins leben! Eine Grundsatzdebatte im Supermarkt beim Wochenendeinkauf zieht mit Sicherheit die begeisterte Aufmerksamkeit aller Mitkonsumenten auf sich. Eine eifersüchtige Szene, gerne unter Einsatz von pointiertem Tränenfluss und halb unterdrücktem Schluchzen unterhält mit Leichtigkeit ein ganzes Café. Bei geschickter Platzwahl sogar die Passanten vor der Tür. Auch die Kassenschlange im Kino, der Wochenmarkt oder die Ruheräume in der Sauna eignen sich ganz hervorragend für diese Art der Machtdemonstration.

Das Schönste an der öffentlichen Eskalation ist, dass sie bei deinem Gegenüber Unmengen an Scham freisetzt. Er wird sich seiner selbst schämen, und das setzt im Handumdrehen all seine Klarheit und Souveränität schachmatt. Dieses Spiuel entfaltet eine perfide Eigendynamik. Mit großer Wahrscheinlichkeit wirst du nicht lange warten müssen, bis sie oder er auf deinen Angriff mit einem Verhalten antwortet, für dass sie sich schon bald darauf umso mehr schämen wird.

Erfahrene Drama-Profis setzen noch einen drauf. Sie wählen das, was wir private Öffentlichkeit nennen: Die Familienfeier, das Schulfest, das Essen mit Freunden. Hier steht dein Beziehungspartner unter sozialem Erwartungsdruck. Diesen kannst du für dich nutzen. Für deinen großen Auftritt, der für deinen Gegner (“Partner”!) über kurz oder lang in einer vernichtenden Niederlage münden wird.

Entscheide dich noch nicht! Lass’ dir gerne erst alles zeigen, was wir hier an feinen Grausamkeiten zur Auswahl haben. Komm’ mit mir nach nebenan. Hier spielt die Musik etwas leiser. Doch lass dich davon nicht täuschen. Dies ist die Kammer des ehelichen Sadismus.

Subtile Sticheleien — auch Nadelstiche können töten!

Vielleicht bist du ja eher der etwas feinsinnigere Typ. Dann empfehle ich dir das feine Besteck! Die langsame und kaum nachweisbare Zersetzung seines oder ihres Selbstwertgefühls durch eine kaum wahrnehmbare Armee von Nadelstichen. Unterschätzen wir niemals die Macht subtiler Sticheleien! Experten tragen sie mit einem unschuldigen Lächeln vor.

Üble Nachrede im Kreis von Freunden und Verwandten hat sich als Mittel der Machtdemonstration tausenfach bewährt. Damit löst du sie oder ihn nach und nach aus dem Halt seiner sozialen Netze. Pass’ auf, dass du dabei selbst nach außen hin die Rolle des arglosen Opfers einnimmst! Das ist wichtig! Verwende Formulierungen wie: „Eigentlich habe ich sie ja lieb, aber…“ oder: „Eigentlich darf ich dir das gar nicht sagen, aber…“. Damit zeigst du, dass du zu den Guten gehörst. Und dir einfach nicht anders zu helfen weißt. Zugegeben: Es gehört ein wenig Übung in Schauspielerei dazu. Aber ich bin mir sicher, das wird für dich ein Klacks.

Liebesentzug — das spurenlose Gift!

Ich sehe es in deinen Augen! Du hast Ansprüche. Warte! Gib mir einen Augenblick! Ah, da ist es. Es sieht harmlos aus, nicht wahr? Das ist gerade sein Charme. Aber rieche einmal daran! Uuuh, bitter! Das ist der Liebesentzug, die Aristokratin unter den Beziehungsgiften.

Nach und nach entziehst du deinem Opfer (entschuldige nochmals: deinem oder deoner Geliebten) mehr und mehr von deiner Aufmerksamkeit und Wertschätzung für all das, was ihm oder ihr wichtig ist. Seine Interessen oder ihre sozialen Beziehungen, seine Gefühle oder ihre Wünsche … Schritt für Schritt entziehst du all dem jegliche Bedeutung, bist desinteressiert, abgelenkt, “mit Wichtigerem beschäftigt”. So fütterst du ihn oder sie löffelchenweise mit der Information „Ich habe keinen Wert!“. Das wird ihn aushöhlen, nach und nach. Das wird sie von innen heraus zerfressen. Noch bevor er oder sie gemerkt hat, was eigentlich los war, liegt sein oder ihr Selbstwertgefühl in Scherben vor dir. du darfst ein Siegerlächeln aufsetzen, wenn du dann zu einem finalen Stoß mit dem Fuß ansetzt. Ein fachmännisch gebrochener Mensch leistet kaum mehr nennenswerten Widerstand.

Wählen wir weise…!

Ich habe dich ein wenig herumgeführt, dir die Werkzeuge und Strategien gezeigt, mit denen du deinen Liebespartner zu deinem Gegner und bei beharrlicher Anwednung zu deinem Ofer machst. Du hast die Klingen, Ketten und Ampullen in der Hand gehabt. Du hast die Macht gespürt, die in ihnen liegt.

Was denkst du nun?

Wie fühlt es sich an?

Einige von uns haben erkannt, dass es in solchen Konflikten nie einen Gewinner gibt. Manche haben verstanden, dass wir mit jedem Schlag gegen unseren Geliebten immer auch uns selbst verletzen. Wer diese Einsicht hat, geht mit seinem oder ihrem Liebsten anders um. Gerade dann, wenn es heikel wird. Der zieht es vor, von Herz zu Herz zu sprechen. Der atmet tief durch und fühlt in sich hinein, bevor er spricht.

Wir alle kennen die destruktiven, rachsüchtigen und grausamen Impulse in uns. Wir alle kennen den Drang, den sie auf uns ausüben. Wir alle kennen diese Momente, in denen unsere Erinnerung an das Schöne und Wunderbare unseres Partners vor uns verschlossen ist.

Die Frage ist nicht, ob wir gut oder böse sind.

Wir sind es beides.

Die Frage ist, wie wir mit den zerstörerischen Impulsen in uns umgehen. Ob wir aus ihnen heraus handeln, ob wir sie unterdrücken oder ob wir gelernt haben, sie konstruktiv und transparent in unsere Liebesbeziehungen einzubringen. Auf Augenhöhe mit uns selbst und mit dem Menschen, den wir einmal geliebt haben, den wir lieben oder den wir wieder lieben wollen.

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Originally published at augenhöhe. lieben will gelernt sein..

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