4 Gründe für bessere Politik mit Objectives and Key Results (OKR)

Benedikt Goeller
7 min readAug 23, 2024

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“We must realize — and act on the realization — that if we try to focus on everything, we focus on nothing.” ― John Doerr, Measure What Matters

Ein Ziel zu definieren ist schwer! Wenn man sich auf ein konkretes Ziel festlegt, entscheidet man sich automatisch gegen mindestens zehn andere. Dennoch ist es wichtig, konkrete Ziele zu definieren. Ohne ein Ziel vor Augen, geht nichts voran. Ein Ziel, das gerade jetzt im Sommer vermutlich viele verfolgen, ist das Urlaubsziel: man kann nicht gleichzeitig nach Mallorca ins 4-Sterne Hotel fliegen, die Alpen wandernd überqueren und an der Mecklenburgischen Seenplatte campen. Die Entscheidung, welches dieser Ziele „das Richtige“ ist, wird wohl in so mancher Familie hitzig diskutiert.

Gemeinsame Urlaubsplanung — KI generiert von Dall-E

Ähnlich — aber wesentlich komplexer — sieht es aus, wenn der Staat Ziele definiert. In Deutschland hat er hierfür ein großartiges Instrument zur Verfügung: den demokratischen Prozess.

Politische Ziele in Deutschland werden von den Menschen im Land, den Parteien, durch Wahlen und den öffentlichen Diskurs formuliert. Eine Herausforderung des demokratischen Prozesses besteht jedoch darin, dass sich der Staat um so viele Themen kümmert, dass nicht für jedes Themenfeld ein klares und direkt umsetzbares politisches Ziel aus dem demokratischen Prozess hervorgeht, wenn die Umsetzung beginnt. Man denke an Aufgaben wie beispielsweise öffentliche Sicherheit, Sozialstaat, Klimawandel, Wirtschaftsförderung aber auch an Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung oder das deutsche Engagement in der Welt. Als zusätzliche Herausforderung kommt hinzu, dass Ziele ständig angepasst werden müssen. Wir leben in einem VUCA-Umfeld (Volatilty, Uncertainty, Complexity, Ambiguity). Wir alle sind die ganze Zeit mit Schwankungen, Unsicherheiten und Mehrdeutigkeit einer komplexen Welt konfrontiert. Das stellt die Ministerialverwaltung, die für die Umsetzung der politischen Ziele verantwortlich ist, vor Herausforderungen: Was genau ist das politische Ziel? Und was können wir tun, um es am wirkungsvollsten zu erreichen?

4 Gründe für bessere Politik mit OKR:

  1. Evidenzbasiert Entscheiden
  2. Bessere Informationen
  3. Motivation bei der Umsetzung
  4. Zeit für das, was wirklich wichtig ist

Warum diese vier Gründe, erkläre ich im Artikel.

Was sind OKR?

„OKR ist eine agile Methode, um Vision, Mission und Strategie zu operationalisieren. In einem zyklischen Prozess werden in einem Zeitraum zwischen 3 und 6 Monaten erstrebenswerte Ziele (Objectives) und messbare Ergebnisse (Key Results) definiert. Die Ziele werden dann mit der Umsetzung konkreter Projekte und Aufgaben erreicht.“ — Patrick Jeschke, Cyber Innovation Hub der Bundeswehr

„Erfunden“ wurden OKR 1971 von Andy Grove. Der damalige CEO von Intel entwickelte das von Peter Drucker begründete „Management by Objectives“ als Steuerungsinstrument weiter. Drei Themen waren ihm besonders wichtig:

  • Kurze Zyklen zur Überprüfung der Zielerreichung,
  • Fokus auf konkrete Ziele und
  • die Einbeziehung der Mitarbeitenden.

Andy Grove (gemeinsam mit John Doerr -> Buchtipp: John Doerr, Measure What Matters) haben dann 1999 die Gründer von Google kennengelernt. Die übernahmen OKR für die Steuerung ihres Start-Ups. Der Erfolg von Google und der Einsatz von OKR legen nahe, dass hier ein Zusammenhang besteht. 50 Jahre später sehen wir die Anwendung von OKR in zahlreichen Organisationen — von Start-Ups, über Konzerne bis hin zu NGOs und Behörden.

OKR-Zyklus, Darstellung E-Valuate Projekt

Outcome-Orientierung (Wirkung!)

Damit OKR funktionieren, muss das Ziel (also die beabsichtigte Wirkung) klar sein. Durch die Anwendung von OKR wird deutlich, wenn ein Ziel noch nicht ausreichend klar ist. Das kann den Anstoß für einen Austausch zwischen den beteiligten Akteuren geben, um das Ziel zu schärfen und zu konkretisieren. OKR hilft auch dabei, dieses Ziel während der Umsetzung nicht aus den Augen zu verlieren. Die Methode unterstützt die Umsetzer:innen dabei, sich nicht ausschließlich auf den zu erreichenden Output zu konzentrieren (bspw. „der Antrag kann jetzt online gestellt werden“), sondern auf ein Wirkungsziel (bspw. „die Bürger:innen empfinden die Antragsstellung als positiv“). Hierdurch wird während der Umsetzung eine Verbindung zur Zielgruppe und deren Bedürfnissen hergestellt.

Kontinuierliche Überprüfung der Zielerreichung

OKR sind fest im Jahresplan einer Organisation verankert. Durch regelmäßige Termine (alle drei bis sechs Monate) ist sichergestellt, dass kontinuierlich überprüft wird, ob sich das Vorhaben auf dem richtigen Weg zum Ziel befindet (oder nicht). Der OKR-Prozess beschreibt somit keinen Ablauf, sondern einen Kreislauf, bei dem die Akteur:innen zusammenkommen und gemeinsam für die Ziele der Organisation arbeiten.

Teamgeist

OKR schaffen ein Umfeld, indem Akteur:innen aus verschiedenen Hierarchieebenen und Organisationseinheiten einen gemeinsamen Dialog über Ziele und Zielerreichung führen. Das motiviert, weil alle Umsetzer:innen im Dialog über die Ziele stehen. OKR sind eine Teammethode und dienen nicht als Personalentwicklungsinstrument für ein Individuum.

Priorisierung und Fokus

OKR helfen, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Organisationen neigen dazu, zahlreiche Herausforderungen gleichzeitig anzugehen. Die OKR-Struktur unterstützt einen Priorisierungsprozess, welche Ziele wichtig sind und welche nicht. Hierdurch können Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden. Die Methode hilft auch, einen roten Faden durch alle Organisationseinheiten und Hierarchiestufen einer Organisation zu ziehen. Die Ziele aller Teams sind an der Wirkung der Organisation ausgerichtet. So können die Teams jederzeit nachvollziehen, welchen Beitrag sie zum Erfolg der Organisation leisten.

Transparenz und Mut

OKR ermutigt dazu, ambitionierte Ziele zu setzen. Wenn man ein ambitioniertes Ziel nicht erreicht, ist das Ergebnis meistens trotzdem besser, als wenn man sich ein einfaches Ziel setzt, von dem man von Beginn an weiß, dass man es erreichen wird. Damit dies gelingt, braucht es in der /die Organisation eine gelebte Fehlerkultur und den Mut, offen mit Rückschlägen umzugehen und daraus zu lernen. Auch das transparente Teilen der eigenen Ziele sowie die Erfolge und Rückschläge bei der Verfolgung derselben in der Organisation setzt Mut voraus. Die Transparenz sorgt dafür, dass alle Beteiligten jederzeit wissen, wofür sie arbeiten und wie sie zum Erfolg der gesamten Organisation beitragen können.

Einfachheit

Die Methodik OKR als solche ist einfach zu erklären und zu verstehen. Das ist ein riesiger Vorteil, da es keine komplizierten Tools braucht, um OKR anzuwenden. Die Anwendung und das Verankern von OKR in der Organisation ist dann schwierig genug.

OKR-Struktur, Darstellung E-Valuate Projekt

OKR brechen langfristige Wirkungsziele einer Organisation, in kleine, erreichbare Ziele — sogenannte Objectives (O) — herunter. Objectives sind qualitative Ziele, die beschreiben, was ein Team innerhalb eines kurzen Zeitraums (drei bis sechs Monaten) erreichen möchte. Key Results (KR) helfen, die Objectives messbar zu machen. Sie beantworten die Frage, woran das Team in drei bis sechs Monaten erkennen kann, ob es das Ziel erreicht hat oder nicht. Von den OKR leiten sich dann die Aufgaben und die Umsetzung ab.

Vier Gründe für OKR in der Ministerialverwaltung

Wie oben beschrieben, ist die Ministerialverwaltung oft damit konfrontiert, dass es nicht für jedes Themenfeld ein klares und direkt umsetzbares politisches Ziel gibt. An dieser Stelle kann OKR einen Beitrag leisten. Durch die Anwendung der Methodik werden Leerstellen in der strategischen Ausrichtung sichtbar. Dies ermöglicht einen Dialog zwischen politischer Leitung, Interessengruppen und der Fachebene im Ministerium zur Konkretisierung der Ziele. Mit der Anwendung von OKR schlägt die Ministerialverwaltung mehrere Fliegen mit einer Klappe:

1. Evidenzbasiert Entscheiden

Die Arbeit mit OKR ermöglicht es daten- und evidenzbasiert zu arbeiten. Die entstehende Datengrundlage trägt zu einer Versachlichung des Dialogs zwischen Fachebene, Interessengruppen und politischer Leitung bei.

2. Bessere Informationen

OKR ermöglichen Transparenz über die Ziele eines Ministeriums — sowohl innerhalb des Hauses als auch darüber hinaus. Hierdurch wird der Wissensaustausch zwischen Ministerien und dem interessierten Fachpublikum verbessert: Wer arbeitet eigentlich woran?

3. Motivation bei der Umsetzung

OKR helfen dabei, den Beitrag aller Beschäftigten eines Hauses zu einem Ziel sichtbar zu machen. Besonders im öffentlichen Dienst arbeiten viele Menschen, die intrinsisch motiviert sind. Das heißt, dass sie mit Ihrer Arbeit zu einer Verbesserung beitragen möchten. OKR ermöglichen dies ein Stück weit und erhöhen damit die Motivation der Beschäftigten.

4. Zeit für das was wirklich wichtig ist

Durch die Beschäftigung mit dem, was wirklich wichtig ist, erfolgt eine Priorisierung/werden Prioritäten gesetzt. Diese ermöglicht es, die vorhandenen Ressourcen auf wichtige Ziele zu lenken — und weniger wichtige Ziele abzuschichten. Somit bleibt mehr Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben.

Trotz der genannten Vorteile sind OKR kein Allheilmittel für die strategische Steuerung von Ministerien. So lassen sie sich auf keinen Fall auf alle Themengebiete in einem Ministerium anwenden — bspw. so genannte „eh-da-Aufgaben“. Deshalb ist es wichtiger sich damit zu beschäftigen, wie ein Ministerium kontinuierlich lernen kann — also wie es als Organisation funktioniert, welche Vorgehensweisen wo und wie funktionieren — und welche nicht. OKR können eines von vielen Werkzeugen sein, die einen Ausgangspunkt für den Lernprozess bilden.

Du möchtest dich intensiver mit OKR beschäftigen?

Das Forum OKR ist ein Vertrauensraum für Personen aus der öffentlichen Verwaltung, um sich über die Anwendung von OKR auszutauschen. Sie berichten über die Einführung und Anwendung von OKR in ihren Behörden und lernen voneinander. Das Forum dient dem Erfahrungsaustausch, welche besonderen Begebenheiten in der Verwaltung bestehen und wie man OKR mit diesen vereinbaren kann. Die Treffen finden alle zwei bis drei Monate statt. Ihr könnt Euch hier in den E-Mail-Verteiler eintragen und der LinkedIn Gruppe beitreten.

Eine gute Übersicht und einen ersten Einstieg in das Rahmenwerk OKR bietet die Taschenkarte des Bundeswehr Cyber Innovation Hub , die Ihr euch hier herunterladen könnt. In unserem Leitfaden „Wirkungsorientierung in der Ministerialverwaltung verstehen und umsetzen“ findet Ihr auch Hinweise und Templates zum Einsatz von OKR.

Schreibt uns! Wir freuen uns von Euch zu hören, ob OKR etwas für Eure Behörde ist oder wäre. Einfach per LinkedIn (bspw. an Benedikt Göller) oder per E-Mail an benedikt.goeller@agoradigital.de.

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