Solidarität in Zeiten des COVID-19: Wie man richtig hilft

Ben F. Maier
3 min readMar 15, 2020

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Erstens — um das aus dem Weg zu haben — ich bin Wissenschaftler der daran forscht, wie sich Infektionskrankheiten zwischen uns ausbreiten, und arbeite auch aktiv an der COVID-19 Pandemie. Wer mir das nicht glaubt, kann sich meine Website anschauen oder diesen Artikel in der Washington Post. Ich äußere hier im folgenden meine persönlichen Ansichten, die auf meiner Forschung basieren — unabhängig von meinem Arbeitgeber.

Momentan bekomme ich auf verschiedenen Social-Media-Kanälen mit, dass sich viele von euch solidarisieren und Menschen helfen wollen, die besonders von Containment-Maßnahmen betroffen oder in einer Risikogruppe sind. Das ist nicht selbstverständlich und sehr ehrbar. Ich habe jedoch das Gefühl dass nicht immer ganz klar ist, wie das am besten von statten gehen sollte, gerade in solch einer Situation in der sich gefühlt so schnell so viel ändert. Ich werde im Folgenden ein bisschen auf die Verbreitung eingehen und Empfehlungen aussprechen, die sich in Kürze so zusammenfassen lassen:

  1. Helft lokal, das heißt z.B. euren Nachbar*innen.
  2. Helft wenigen, aber das konsistent. Wenn ihr z.B. babysitten wollt, sucht euch eine Familie und helft nur dieser Familie.
  3. Trefft euch nicht mit anderen Menschen außer denen, denen ihr helfen wollt.

So, und jetzt ein bisschen ausführlicher.

Wenn man mit einer Epidemie wie dieser konfrontiert ist, ist klar, dass man sich im ersten Moment machtlos fühlt und diese Hilflosigkeit überwinden will indem man selbst mit anpackt. Das funktioniert in ganz vielen Situationen super und bewährt sich auch sehr oft. In dem Fall einer Epidemie ist es jedoch nicht so ratsam einfach drauflos zu helfen. Grund dafür ist, dass man sich stärker “durchmischt” als sonst, also andere Wege zurücklegt und in kurzer Zeit viele Menschen trifft, die man sonst nicht gesehen hätte. Das führt zu einem starken Anstieg an Kontakten und so zu einem höheren Risiko für die Allgemeinheit.

Das besondere an COVID-19 ist, dass besonders Kinder und junge Menschen zwar infiziert sein können, aber zum Teil nur schwache bis gar keine Symptome zeigen— trotzdem aber infektiös sind. Wenn ihr in der Altersklasse 20 bis Mitte 30 seid und so vielen Menschen wie möglich helfen wollt durch z.B. Babysitten und Einkaufen, kann es möglicherweise passieren, dass ihr euch bei Familie A das Virus holt, es bei Familie B und Familie C lasst und es abends beim Einkaufen für ältere Menschen erstens im Supermarkt verbreitet oder zweitens auf eben jene ältere Menschen übertragt.

Die Forschung unseres Teams legt nahe, dass es gerade nötig ist, dass alle die das auch können, rigoros zu Hause bleiben sollten. Das heißt auch, sich nicht mit Freunden zum Spieleabend/Lesekreis/Aktivismus zu treffen und generell keinen Kontakt mit Menschen zu haben, der sich vermeiden lässt. Ich sehe aber auch dass die Länder hier meiner Meinung nach zu inkonsequent handeln: Wie z.B. sollen Alleinerziehende weiterarbeiten wenn es keine Kinderbetreuung gibt?

Deshalb hier ein Vorschlag: Wenn ihr unbedingt helfen wollt und euch gesund fühlt und mit niemandem Kontakt hattet der krank war mit z.B. Husten, dann sucht euch einen Haushalt, dem ihr helfen wollt und macht das im besten Fall zu einem Nachbarhaushalt. Erstens führt das dazu, dass ihr euch nicht durch die Stadt bewegt, was Durchmischung eindämmt, das ist obiger Punkt 1. Zweitens sorgt ihr so dafür, dass ihr effektiv Teil dieses Haushaltes werdet. In China haben wir gesehen, dass nach der Einführung von Containment-Maßnahmen die meisten Übertragungen innerhalb von Haushalten stattgefunden haben. D.h. sollte es passieren dass der Haushalt dem ihr helft infiziert wird, ist es wahrscheinlich, dass auch ihr infiziert werdet. Wenn ihr aber außer diesem Haushalt sonst niemanden seht, dann seid ihr der Endpunkt einer Infektionskette, was momentan das wirklich Hilfreichste ist. Das bezieht sich auf obigen Punkt 2. Drittens ist es wichtig, dass ihr diese Menschen nicht ansteckt. Das könnt ihr sicherstellen, indem ihr sonst so wenig wie möglich Kontakt mit anderen habt, d.h. keine Kochabende oder Treffen mit Freunden oder etwas dergleichen. Das ist Punkt 3.

Ich weiß, die momentane Situation ist nicht einfach, aber das wichtigste was wir als Individuen momentan machen können, ist, uns aus einer möglichen Infektionskette zurückzuziehen und so dafür zu sorgen dass sie nicht stattfindet. So können wir unser Gesundheitssystem schützen und damit Menschenleben retten.

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Ben F. Maier

I’m a scientist researching how infectious diseases spread in human systems.