Bildung: Alles sinnlos, oder wie?

Bent Freiwald
4 min readJan 5, 2019

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Wenn du schon Kinder hast, geht der Alltag spätestens Montag wieder los, wenn die Kinder in die Kita oder zur Schule müssen. Uff.

Wäre es nicht schön, die Ferien einfach mal um zwei Wochen zu verlängern? Ist gar kein Problem, zumindest nicht in der niederländischen Stadt Apeldoorn (und in sieben weiteren Städten unseres Nachbarn), wie Spiegel online berichtet. Denn dort können sich die Eltern in einem Pilotprojekt selbst aussuchen, wann sie mit ihren Kindern in den Urlaub fahren oder sich schlicht freinehmen. Kann man mal drüber nachdenken, oder zumindest drüber lesen, der Text ist mit einer Fotoreihe und einem Video dazu ziemlich nett aufbereitet.

Die freien Tage um Weihnachten und Neujahr herum nutze ich stets, um massiv viel zu lesen. Dieses Jahr eine bunte Mischung aus leichter Unterhaltung (Der Insasse von Sebastian Fitzek: Kein besonderer Schreibstil, aber spannend, und die obligatorische Wendung am Ende, mit der niemand rechnet, ist auch dabei), erhellendem Sachbuch (Factfulness von Hans Rosling: Beste Medizin gegen Schwarzmalerei, also ehrlich, unbedingte Leseempfehlung!), Insider-Berichten (Feuer und Zorn von Michael Wolff: Viel Kopfschütteln, aber interessante Hintergrundinfos zu den Akteuren im Weißen Haus) und trockener Lektüre (The Case Against Education von Bryan Caplan). Das letzte Buch in der Liste wird mich noch länger beschäftigen, befürchte ich, denn es wirft ein paar wichtige Fragen auf. Und es passt zum Thema Bildung, deshalb möchte ich euch davon erzählen.

Was lernen wir schon groß in der Schule oder in der Uni?

Dazu eine Bitte: Erinnert euch mal zurück an eure Schulzeit und denkt darüber nach, wie viel Zeit ihr damit verbracht habt, Dinge zu lernen, die ihr erstens nicht interessant fandet, und zweitens heute komplett vergessen habt.

Caplan, Professor für Ökonomie an der George Mason University, schreibt, dass solche — aus seiner Sicht unnötigen — Passagen den Großteil unserer Schulzeit ausmachen, und führt eine Statistik nach der anderen an, die das belegen soll. Sein Grundtenor: Wir lernen in der Schule, aber auch im Studium, kaum etwas, das unsere Fähigkeiten oder Kenntnisse wirklich erhöht. Stattdessen hätten Abschlüsse vor allem eine Signalfunktion: Mit dem Abitur und jedem weiteren Abschluss in der Tasche signalisieren wir Arbeitgebern, dass wir einen langen Atem haben, uns in einem System zurechtfinden, also konform sind, intelligent sind und Leistung abrufen können, wenn wir es müssen. Die Arbeitgeber stellen wiederum eben nicht nach wirklichem Können, sondern nach Abschluss ein.

Praktische Inhalte sind ja nicht alles, halte ich dagegen. Der Fokus liegt doch auf darauf, den Studenten und Schülern beizubringen, „wie man denkt“: Beweise bewerten, logisches Denken, Argumente formulieren und Lernen lernen. Doch Caplan behauptet, dass selbst dies weitgehend erfolglos sei. Er zitiert psychologische Studien, die anmerken, dass Menschen oft Schwierigkeiten haben, das Gelernte auf verschiedene Kontexte anzuwenden, sowie Studien, die darauf hindeuten, dass sich die Argumentationsfähigkeiten im Laufe eines Universitätsabschlusses kaum ändern (all seine Argumente beziehen sich auf die USA).

Nun, Caplans Bestandsaufnahme ist düster, und seine Schlussfolgerungen sind heftig: Er ist der Meinung, dass Kinder weniger Zeit in der Schule verbringen sollten, vor allem in Fächern wie Geschichte, Kunst und Musik (bringe ja sowieso nichts in den meisten Jobs). Er ist der Meinung, dass wir mehr Kinder zur Arbeit ermutigen sollten, indem wir die Gesetze zur Kinderarbeit lockern. Außerdem findet er, dass es weniger Studenten geben sollte, und schlägt Kürzungen bei den öffentlichen Mitteln für die Schul- und Hochschulbildung vor (Moment mal, Einspruch!).

Beim Lesen merkt man eigentlich auf jeder Seite, dass man das Buch eines Ökonomieprofessors in den Händen hält, der es als wichtige Aufgabe von Bildungseinrichtungen sieht, Menschen auf spätere Berufe vorzubereiten (meiner Meinung nach konzentriert er sich viel zu sehr auf diesen Aspekt). Als Bildungsreporter und als jemand, der Kognitionswissenschaften studiert hat, musste ich mich immer wieder dagegen wehren, das Buch wütend wegzulegen. Bildung ist mehr als das, denke ich, aber immer wieder entkräftet er diesen Instinkt und beschreibt, warum Bildung aus seiner Sicht eben nicht mehr als das ist. Dem muss man nicht zustimmen, tue ich auch nicht, aber seine Analyse, dass ein Teil (oder Großteil?) unserer Schulzeit ziemlich sinnlos ist und dass sie vor allem eine Signalfunktion hat, ist durchdacht und so provokant, dass sie mich zum Nachdenken bringt.

Zurück zur Frage von oben: Wie schätzt ihr eure Schulzeit ein? War da wirklich so viel unnötiger Quatsch bei, hätte die Zeit so viel besser genutzt werden können? Ich freu mich über eure Antworten! Schreibt mir an bent.freiwald@krautreporter.de

Diesen Text habe ich für meinen Bildungs-Newsletter geschrieben. Alle zwei Wochen berichte ich dort über meine Recherchen für Krautreporter und Diskussionen rund um das Thema Bildung. Und empfehle schöne Dinge weiter, von Krautreporter selbst, oder einfach aus dem Internet. Hier kannst du dich kostenlos für meinen Newsletter eintragen und meine Texte auf krautreporter.de lesen.

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