Einmal Zukunft und zurück
Wie Zukunftsprototypen uns dabei helfen, die Welt von morgen auszuprobieren
Wie werden wir in Zukunft die Beziehungen zu unseren Eltern, Großeltern und Freunden erhalten und pflegen? Als wir vor einem Jahr einen Zukunftsprototypen zu diesem Thema entwickelten, ahnten wir nicht, was für eine essentielle Bedeutung diese Frage in den nächsten Monaten entfalten würde.
Die Coronavirus-Pandemie und der daraus resultierende Rat, möglichst zu Hause zu bleiben und sich nicht mit anderen zu treffen, hat zwischenmenschliche Verbindungen auf das Mindeste reduziert.
Die Wenigsten fühlen sich auf die Situation, in der wir uns befinden, vorbereitet, weil es angenehmer ist, die Welt als geordnet und verständlich zu betrachten und das Eintreten höchst unwahrscheinlicher Situationen zu ignorieren.
Die neue Situation gibt uns jedoch eines deutlich zu spüren: Zukunft ist kein Ereignis, das auf uns zukommt und geplant werden kann. Die Zukunft ist ein Raum vieler Möglichkeiten.
Wir glauben, dass vielen Organisationen die Auseinandersetzung mit der Zukunft schwerfällt, weil Diskussionen über die Zukunft meist vage, abstrakt und von Meinungen getrieben sind.
Zukunftsszenarien und deren Konsequenzen sind schwer vorstellbar, da sie kaum greifbar sind und keinen Bezug zum eigenen Leben und Tun haben. Gleichzeitig ist es wichtiger denn je in Zeiten der Unsicherheit resilient zu bleiben und den Blick für zukünftige Geschehnisse, neue Chancen und Innovationsfelder offen zu halten.
Doch wie kann man bei der Unsicherheit über das Morgen schon heute ein Gespür für zukünftige Innovationsfelder entwickeln?
Eine Möglichkeit, sich Handlungs- und Innovationsfeldern zu nähern, besteht darin, Zukünfte erfahrbar zu machen, diese in die Gegenwart zu projizieren und im Hier und Jetzt zu testen — mit Hilfe von Zukunftsprototypen. Diese fiktiven Produktprototypen helfen uns, Thesen über mögliche Entwicklungen von Bedürfnissen, neuen Herausforderungen und Chancen der Zukunft schon jetzt diskutierbar zu machen. Sie sind das Ergebnis eines Zukunftssprints, in dem wir aktuelle Trends und deren Herausforderungen und Chancen analysieren. Als Testende laden wir Expert*innen und Nutzende unserer Future-User Panel Group ein. Durch die Interaktion mit den fiktiven Prototypen wird Zukunft real. Dies ermöglicht eine Diskussion über wahre Beweggründe und Veränderungsmotivationen statt reines Reproduzieren von populären Zukunftsmeinungen. Auf dieser Basis entstehen hochwertige Diskussionen über Zukunft.
Unser Zukunftsprototyp — Call your Granny — zeigt dir wie wir dabei vorgehen.
Zukunftsprototyp: Call your Granny
In einem Projekt zur “Zukunft des Beziehung-Haltens” haben wir Innovationsfelder identifiziert und Projekte abgeleitet. Zur Validierung der Innovationsannahmen entstand der “Call your Granny” Zukunftsprototyp. Er sieht aus wie viele Start-Up Angebote und beschreibt sich als K.I.-basierte App, die Nutzenden anbietet, automatisierte Telefongespräche mit den Großeltern zu führen.
Der Kniff dabei ist, dass die App gegenwärtige Entwicklungen des Natural Language Processings — eine K.I.-Forschungsrichtung, in der Maschinen lernen, wie Menschen zu sprechen — aufgreift und den Nutzenden anbietet, die Telefonate mit Familienangehörigen mit der eigenen Stimme automatisiert durchzuführen.
Zukunft erleben und diskutieren
Die bewusst provokante Zuspitzung von technischen und gesellschaftlichen Trends in Form der fiktiven App bildete für das Projektteam die Grundlage, um nach den Testings mit Nutzenden tiefere Gespräche darüber zu führen, welche Ängste oder Wünsche dieses Zukunftsszenario bei ihnen auslöst und herauszufinden, unter welchen Bedingungen Nutzende bereit sind, künstliche Intelligenz in ihren Alltag des Beziehung-Pflegens zu integrieren (Veränderungsmotivation).
Ableitung einer Zukunftsstrategie
Zum Ende der Zukunftsintervention und basierend auf der Diskussion mit Nutzenden, ließ sich eine Strategie für den verantwortungsvollen Einsatz von K.I. im Kontext des „Beziehung-Haltens“ ableiten. Eines der handlungsleitenden Prinzipien dieser Strategie veranlasst zum Beispiel, dass Menschen das Recht haben zu wissen, ob sie mit Menschen oder Maschinen sprechen.
Das Beispiel der “Call your Granny App” veranschaulicht, wie gut man sich mit Zukunft auseinandersetzen kann, wenn sie auf einmal greifbar wird. Mit Hilfe von Zukunftsprototypen könnt ihr schon heute ganz einfach testen, wie Menschen auf zukünftige Entwicklungen reagieren und herausfinden, was Menschen brauchen, oder was sie daran hindert, um sich auf mögliche Zukünfte einzulassen.
Falls euch die Zukunft in eurer Arbeit beschäftigt und ihr Interesse daran habt, euch möglichen Innovationsfeldern über Zukunftsprototypen anzunähern, könnt ihr uns gerne kontaktieren. Schreibt uns einfach eine Email an: boch@zero360.de
Dieser Artikel wurde verfasst von:
Jana Wichmann, Lead Agility & Operations, zero360
Veit Vogel, Lead Public & Future Design, zero360
Rosalie von Boch: Strategic Product & Service Designer, zero360