“Headed for a new land”*
Der 1. Teil der “Crowdsourcing Rollmaterial”- Serie
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(zu Teil 1, 2, 3, 4, 5)
Vier Jahre führte ich die Kommunikation für die aktuelle Rollmaterialbeschaffung des RBS. Erst unter dem Projektnamen #dieneueS7, dann als “Worbla: Ein Zug voller Ideen”. Vier Jahre, die viel Planung, Vorbereitung, Kreativität, Spontanität und immer wieder ein Umdenken erforderten. In dieser fünfteiligen Serie lasse ich Euch teilhaben an dieser ereignisreichen Kommunikationsreise. Also beginnen wir am Anfang:
Es war einmal ein kleines Tal im Nordosten von Bern, das Worblental.
Hin und her fährt hier das 40-jährige Mandarinli. Technisch würden die Züge wohl noch weitere 10 Jahre fahren, doch der Komfort lässt zu wünschen übrig. Vor allem im Sommer und im Winter und in den Übergangszeiten macht den RBS-Fahrgästen die fehlende Klimaanlage zu schaffen.:
Von den hohen Einstiegen (ausser in den neueren Mittelwagen) und den engen Sitzen ganz zu schweigen. Es brauchte also neue Züge. Meine Aufgabe war es Ende 2014, die vier Jahre der Beschaffung kommunikativ zu begleiten mit dem Auftrag, einen Dialog mit den Fahrgästen anzustossen und ihre Ideen und Meinungen abzuholen. Schon 1972, bei der Beschaffung der Mandarinli hatten die Fahrgäste mitbestimmen dürfen, jedenfalls bei der Farbe der neuen Züge:
Vor 50 Jahren reichten Abstimmungszettel, die im Zug verteilt wurden, 2014 solle es schon etwas digitaler zugehen, besonders, da ich fast gleichzeitig mit dem Start der Kampagne mit Facebook, Twitter und einem Blog gleich drei neue Dialog-Kanäle eingeführt hatte. Ich erarbeitete einige Möglichkeiten, Ideen und Meinungen einzuholen und landete dabei schnell bei Atizo, für die wir uns als Partner entschieden. (Einen kleinen Einblick in die Geschichte des Crowdsourcing aus meiner CAS Social Media-Zertifikatsarbeit hier.)
2014: Die Ideensuche auf Atizo
In einem seiner letzten Workshops für Atizo kitzelte Christian Hirsig aus dem hochkarätig besetzten RBS-Projektteam heraus, was der RBS denn tatsächlich von seinen Kundinnen und Kunden erfahren wollte.
Eine knackige Überschrift (einsetzbar für die Bewerbung), eine Frage, die die ganze Reisekette im neuen Zug einschloss und drei Kriterien, welche uns erlaubten die Ideen zu sortieren und zu kategorisieren. Und jetzt? Jetzt brauchten wir unsere Kunden. Und nicht nur einmal. Das Vorgehen von Atizo sah zwei externe Schritte vor:
Dramaturgischer Bogen
Und ich wollte über die ganzen vier Jahre einen dramaturgischen Bogen spannen; von der Idee 2014 bis zur Lieferung 2018. Die Zielgruppe sollte zu Beginn sehr breit sein, dann für die Bewertung im Schritt vier wieder enger werden (nur das Worblental plus die RBS-Social-Community) und sich dann wieder öffnen.
Und: Einen Namen für die neuen Züge gab es noch nicht. Der sollte 2018 ebenfalls von den Fahrgästen bestimmt werden. Ich brauchte also einen Projektnamen, einen Hashtag, der mir das Ganze zusammenhalten würde. Ein Hashtag, sie zu binden, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben… äh…
#DieNeueS7
Eine Stunde angestrengtes Nachdenken später war #dieneueS7 geboren. Genügend unspezifisch und doch sehr direkt auf das Projekt bezogen und vor allem auch gut in Sätze integrierbar.
Los geht’s
Die ersten Hänger in den Zügen waren sehr schlicht. Und auch auf allen anderen Kanälen feuerten wir aus allen Rohren. Vor allem ging es darum , unseren Kunden die “Vorbehalte” vor einer neuen Plattform zu nehmen.
Die Reaktionen und Ideen waren überwältigend.
In *allen* Medien wurde berichtet:
Dialog hochhalten
Neben FB-Ads nutzte ich vor allem die neuen Dialogkanäle, um die Partizipation hoch zu halten. Atizo als Plattform bietet die Möglichkeit, eingegebene Ideen zu kommentieren und weiter zu entwickeln. So konnte ich die Ideensuche bekannt machen und gleichzeitig bestehende Ideen weiter verbessern lassen. Wichtig war dabei auch immer, zwar Dialog auf den externen Plattformen zuzulassen, aber zum Abgeben von Ideen auf Atizo zu verweisen. Damit schonte ich meine Ressourcen in der Auswertung.
Erfolgreiche Werbekampagne
Insgesamt kamen 670 Ideen von 328 Autorinnen und 500 Kommentatorinnen zusammen. Ein grosser Teil der Autoren waren Erstinnovatoren, was dafür spricht, dass sie RBS-Fahrgäste waren, bzw. durch meine Kampagne auf uns stiessen.
Kunden denken mit
Um einen Übersicht zu bekommen über die wichtigsten Themen, verschlagwortete ich die einzelnen Ideen und bereite diese grafisch auf.
Hier ein Zwischenstand:
Auch intern war dies ein wichtiges Hilfsmittel, um dazustellen, über welche Themen unsere Kunden nachdachten und Ideen lieferten. Denn überraschend war, dass eben nicht jeder und jede nur an sich selbst dachten, sondern über das Gesamtkonzept nachdachten und die kritischen Punkte des Ein- und Ausstiegs und die Verteilung der Steh- und Sitzplätze nicht aus einer Ich-Perspektive betrachteten. Die gesamte Ideensuche war damit auch eine grossangelegte Vermittlungsübung in Sachen “Zielkonflikte beim Fahrzeugbau” (Ein grosszügiger Einstiegsbereich unterstützt Einsteigende dabei, sich schneller im Fahrzeug zu verteilen, damit fällt aber Platz für Sitzplätze weg…).
Weiterdenken
Mit 670 Ideen ausgerüstet ging es wieder zu Christian in den Abschluss-Workshop. Auch dieser war hochkarätig besetzt. Nach dem bewährten Atizo-Prinzip teilten wir uns in Gruppen auf und entwickelten die abgegebenen Ideen weiter, bewerteten Sie nach den Kriterien und stellten sie im Plenum vor. Bei einer “ganz normalen” Sandwich-Ideensuche wären diese Ideen jetzt schon in die Abstimmung gegangen. Da wir aber noch ganz am Anfang der Beschaffung standen, war das nicht möglich. Trotzdem hatten wir noch Fragen. Davon mehr im 2. Teil.
* Meine Liebe zum Musical “Hamilton” inspirierte die Titel dieser mehrteiligen Serie. Mehr über Hamilton lesen oder mehr über Hamilton auf englisch lesen.