“ There’s a million things I have done*”

Der 5. Teil der “Crowdsourcing Rollmaterial”- Serie

Caspar Lösche
8 min readNov 14, 2020

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(zu Teil 1, 2, 3, 4, 5)

Seit 2014 begleitet die Kommunikation den Mandarinli-Ersatz sehr eng mit verschiedenen kommunikativen Massnahmen. Von Beginn weg waren der Einbezug und der Dialog mit unseren Fahrgästen und dem Worblental ein wichtiger Grundpfeiler der Kampagne. Zeitlich fiel der Start auf den Herbst 2014, kurz nach der Einführung der Social-Media-Kanäle. Beide konnten sich so gegenseitig befruchten: Für den frisch gestarteten Blog war das Thema ein Publikumsmagnet und ein immer wiederkehrendes Thema; mittlerweile fast 20 Blogbeiträge zeigen dies deutlich. Für die Beschaffung öffneten sich mit den neuen Dialogkanälen ebenfalls viele neue Möglichkeiten. Sie konnte auf vielen Ebenen begleitet werden und so neben den Einblicken in unsere Arbeit und dem Einbezug auch Verständnis schaffen.

In vier Jahre stiessen wir viele Kampagnen an, welche im August 2018 teilweise ihren Abschluss fanden. Blicken wir zurück auf die vergangenen Kampagnen, warum sie umgesetzt wurden, ihre Ergebnisse und wie sie in den beiden Events wieder aufgenommen wurden:

2014/15: Ideensuche und Abstimmung

Was wurde gemacht?
Noch bevor das Pflichtenheft komplett war, suchten wir Ideen unserer Fahrgäste auf die Frage:
Was würdest du in einer vollen S-Bahn verbessern, damit die Fahrt — vom Ein- bis zum Ausstieg — angenehmer wird?
Die Suche wurde unter dem Titel #dieneueS7 auf dem ganzen RBS-Netz intensiv beworben, erregte aber auch national über die Medien grosse Aufmerksamkeit. Nach der Ideensuche wurden in einer regional-angelegten Abstimmung nur im Worblental weitere Einzel-Fragen vertieft. Eine Frage lautete: „Würden Sie weniger Sitzplätze in Kauf nehmen, wenn dafür das Ein- und Aussteigen schneller wäre?“

Warum wurde es gemacht?

Die Ideensuche hatte mehrere Ziele:

  • Fahrgäste abholen: Auf konstruktive Weise Bedürfnisse abfragen und (wenn möglich innovative) Ideen generieren.
  • Signal ins Worblental senden: “Wir sind dran“ und Goodwill für die verbleibenden 4‐6 Jahre der Beschaffung verstärken. Ein Signal an die „geplagten“ Fahrgäste und Anwohner senden, Bewusstsein schaffen, wie lange eine Beschaffung dauert, Einbezug der Fahrgäste, um die neuen Züge als „ihre Züge“ zu verankern. Dies sollte die Einführungskampagne erleichtern.
  • Image schärfen: Image der RBS als innovatives, dialogbereites Unternehmen schärfen.
  • Social Media Engagement unterstützen: Dialogbereitschaft zeigen, Blog und weitere Kanäle weiter bewerben und verankern

Was war das Ergebnis?

Die Ideensuche wurde in vielen Medien regional und national aufgenommen. Online wurde das Thema ausführlich und meistens sehr konstruktiv diskutiert. Insgesamt kamen 700 Ideen zusammen, von denen es einige nahezu 1:1 in den Zug schafften, viele andere auch Anregungen und Inputs für den weiteren Verlauf gaben.

Und auch im Dialog mit unseren Kunden änderte sich etwas. Die Beschwerden über die Hitze nahmen ab, und wenn sie doch kamen, konnte von uns auf die laufende Beschaffung verwiesen werden:

Manche Fahrgäste verwiesen bereits selbst auf „die Neuen“.

Die Frage nach den Sitzplätzen und dem Ein-und Aussteigen wurde von über 1.000 Personen beantwortet. Immerhin 40% antworten mit einem „Ja“, welches wir als positives Signal für die notwendige Sitzplatzreduktion werteten.

Wie war es an den Events sichtbar?

Ein Teil der 700 Ideen von 2014 wurden als „Ideenblasen“ direkt im Zug angebracht. Jede einzelne Idee war mit einer „Antwort“ der Verantwortlichen versehen, auf der ausgeführt wurde, ob und wie die Idee umgesetzt wurde. So konnten wir unseren Fahrgästen einen „sprechenden“ Zug präsentieren und unsere Besucherinnen und Besucher konnten auf Entdeckungsreise nach Ihrer Idee gehen. Bewusst wurden die ernsthaften Vorschläge mit weniger ernsthaften durchmischt.

Ausserdem konnten unsere Fahrgäste uns ihre Meinung ganz analog und vor Ort sagen. An beiden Events wurden Tafeln aufgestellt, auf welchen unsere Gäste mit Permanent Marker Ihren Eindruck der Züge festhalten konnten. Zwei der Tafeln hängen jetzt im 4. und 5. Stock im Metrohaus.

2014–2018: Produktionsbegleitung

Was wurde gemacht?

In mehreren Blogbeiträgen wurden die Arbeit des Projekt-Teams und die Produktion der Züge aufgegriffen. Herauszuheben sind hier sicher die Kommunikation des Fahrzeug- und Innenraumkonzeptes, sowie der Beschusstest in der Schiessanlage Wittaumatte in Thun und vor allem der Besuch der Produktion in Bussnang mit Fahrgästen aus dem Worblental. Der Besuch in Bussnang bildete die zweite Stufe des Einbezugs. Er war ausserdem kommunikativ gekoppelt an die Bekanntgabe des Innenraumkonzepts. Ausgewählten Fahrgästen wurde die Umsetzung der Ideen in der Holz-Maquette vor Ort in Bussnang präsentiert. Sie konnten dort ihren Gesamteindruck und Details mit Projektleiter Michael Ryf diskutieren.

Warum wurde es gemacht?

Die Begleitung der Produktion diente mehreren Zielen: Zum einen war dies immer wieder das Signal, „dass wir dran sind“, zum anderen konnten wir zeigen, wie komplex ein Beschaffungsverfahren für die Meterspur ist und warum es mit vier Jahren relativ lange dauert. Gleichzeitig können Zielkonflikte bereits vor der ersten Fahrgastfahrt thematisiert werden. Ein klassisches Beispiel dafür ist der „Konflikt“ zwischen einem möglichst grosszügigen Ein- und Ausstiegsbereich, welcher unter anderem den Fahrgastwechsel beschleunigt und einer möglichst hohen Anzahl Sitzplätze, wie sie von vielen Fahrgästen gewünscht werden. Dies wurde bereits 2014 in der Umfrage angesprochen und auch in Bussnang wurde dies diskutiert. Der Besuch mit den Fahrgästen (sowie unseren Lokführern, der Geschäftsleitung und Behindertenorganisationen) diente aber auch einem „Feintuning“ von Themen wie Tischen, Haltestangen, etc. Die eingeladenen Fahrgäste wurden als Repräsentanten des Worblentals (möglichst gemischt nach Alter, Geschlecht, Wohnort und Beruf ausgewählt) eingeladen und sollten ihr neu erworbenes Wissen über die Zielkonflikte auch in ihrem Umfeld weitergeben.

Was war das Ergebnis?

Die Rückmeldungen zur Produktionsbegleitung waren durchweg positiv. Die Teilnehmenden des Bussnangbesuches gaben ebenfalls sehr positive Rückmeldungen, wenn auch nicht alle Ihre Anliegen aufgenommen werden konnten. Die Blogbeiträge über die Produktion wurden gut 10.000-mal gelesen. Das Video zum Bussnangbesuch wurde über alle Kanäle hinweg ebenfalls 10.000-mal angeschaut.

Wie war es an den Events sichtbar?

Am besten sichtbar war die Produktionsbegleitung natürlich im Zug, dem Ergebnis der Produktion. Gleichzeitig produzierten wir den technischen Worbla-Flyer und mehrere Info-Stellwände, welche am Donnerstag in der Werkstatt und am Samstag am RBS-Stand ausgestellt wurden (diese stehen heute Erdgeschoss des Metrohaus, der Flyer kann an allen RBS-Bahnhöfen und am Empfang im Metrohaus bezogen werden). Auch die RBS-Webseite wurde aktualisiert.

2018: Namensuche und Abstimmung

Was wurde gemacht?

Anfang 2017 begann mit dem Start der Produktion in Bussnang auch für die Kommunikation ein neues Kapitel im Projekt. Die neue S7 sollte einen Namen bekommen. Damit wurde auch das Projekt noch einmal auf neue Füsse gestellt. Eine externe Agentur wurde zur strategischen Unterstützung angestellt, der konzeptuelle Bogen wurde um die Perspektive 2018–2025+ erweitert. Eine Fotografin nahm Bilder von RBS-Fahrgästen im Worblental auf. Über diese Bilder wurde während der ganzen Kampagne Symbole in einem ans RBS-Orange angelehnten Farbverlauf gelegt.

Wieder auf der erprobten Plattform Atizo lancierten wir die nächste Ideensuche:
Unter welchem eingängigen Namen wird unser neuer S-Bahn-Zug zur Legende in der Region?

Auch diese Suche wurde wieder auf dem gesamten RBS-Netz beworben. Aus den eingegebenen Ideen wurden dann RBS-intern vier ausgewählt und zur Abstimmung gestellt.

Warum wurde es gemacht?

Anders als beim Mandarinli oder auch beim NExT, bei denen die Flottennamen intern aus dem Projekt entstanden, waren die RBS-Fahrgäste bei der neuen S7 von Beginn an eng involviert. Dies sollte auch beim Namen weitergeführt werden. Bei vielen Beschaffungen gehört die öffentliche Suche nach einem Flotten- oder Zugnamen mittlerweile dazu. Bei den meisten dieser Beschaffungen erschöpft sich der Einbezug aber im Namen, manchmal wird noch eine Sitzbezug-Abstimmung „dazugeworfen“. Bei der neuen S7 stand der Einbezug ganz am Anfang und wurde über das gesamte Projekt hinweg „gelebt“. Die Namenssuche war damit nur noch das Tüpfli auf dem i.

Was war das Ergebnis?

Insgesamt kamen 500 Ideen zusammen. Und vor allem war die neue S7 aka Worbla wieder im Gespräch. Nur noch einige Monate vor der Zugtaufe, konnten wir die Leute zum ersten Mal ganz konkret „gluschtig“ machen auf den neuen Zug.

Wie war es an den Events sichtbar?

Die Namen kamen auf verschiedene Arten zum Einsatz. Kurz vor dem Volksfest auf den Digital-Kanälen in einem Gewinnspiel. So wurden unsere Follower noch einmal an die Namenssuche erinnert und konnten ihre eigene Idee noch einmal präsentieren. Die RBS-Agenda und die neuen Chinderbillette schmücken die 500 Namen ebenfalls.

Die vier Meter hohe Verhüllung am 16. August war ebenfalls mit dem Suchbild aus 500 Namen geschmückt. Unsere Gäste, darunter BAV-Direktor Dr. Peter Füglistaler liefen bei der Ankunft direkt auf die Namens-Wand zu. Am Volksfest waren die Namen ebenfalls wieder präsent. Zum einen auf den Baumwolltaschen, die an die TourdeWorble-Wandergruppe verteilt wurde und zum anderen auf grossen Tafeln, die am RBS-Stand ausgestellt waren. Und natürlich auf dem Zug prangend, welche in einem Festakt von Regierungsratspräsident Christoph Neuhaus, Worber Gemeindepräsident Niklaus Gfeller, Fabian Schmid und dem Namensgeber Christoph Schürch getauft wurde. Christoph hatte den Namen „La Worbla“ in Anlehnung an La Prima und La Seconda bei Atizo eingegeben.

Fazit

Am 16. Und 18. August liefen viele verschiedene „Storylines“ zusammen. Immer lag der Fokus dem Worblental (plus die S9): mit der Tour de Worble am Samstag holten wir das ganze Worblental symbolisch zu Fuss ab. Am Donnerstag zuvor waren unsere Gäste bereits mit einem Extra-Mandarinli die gleiche Strecke abgefahren. Im Zug angebracht waren Rückmeldungen zum 40-Jahre alten Zug aus den letzten Jahren. Und auch die Enthüllung war wieder ganz regional. Die Gemeindepräsidenten und –präsidentin lösten mit Knopfdruck auf ihre Gemeinde die Enthüllung gemeinsam aus. Auch die Zugtaufe am Samstag hat diesen Einbezug der Region und der Fahrgäste wiedeaufgenommen.

Wichtig war mir ebenfalls, dass wir unsere Ziele nicht aus den Augen verlieren. Da stehen der Dialog und der Einbezug ganz oben. Aber je weiter die Beschaffung voranschreitet, desto wichtiger wird auch das Ziel „neue Fahrgäste gewinnen“. Die Grundlage dafür haben wir in den letzten vier Jahren gelegt. Jetzt geht es weiter bis 2025+.

* Meine Liebe zu “Hamilton” inspirierte die Titel dieser mehrteiligen Serie. Mehr lesen, mehr englisch lesen.

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Caspar Lösche

Kommunikationsleiter @Stämpfli Kommunikation. Und sonst: Vater, Bern, Politik, Medien, Transformation.