101. Rund um Köln 2017 — oder wie man 126 km bei 31 Grad mit 2 Liter Wasser fährt

Christian Timmer
4 min readJun 15, 2017

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Der Wetterbericht für Sonntag, den 11. Juni 2017 war mehr als sonnig: 31 Grad Höchsttemperatur und Sonne pur. Mit hohen Temperaturen habe ich keine Probleme, wenn ich ausreichend trinke. Doch es kam alles ganz anders.

Knapp eine Stunde vor dem Startschuss trafen sich drei Männer in einem dunklen Kölner Hinterhof, welche alle das selbe wollten: einen Pokal. Oder vielleicht doch einfach nur das Tempo vor dem Besenwagen durchhalten? Am Ende reichte es nicht für einen Pokal, aber zumindest einer der drei ergatterte einen kostenlosen Sitzplatz im Besenwagen. Im Besenwagen gab es übrigens etwas, was auf der Rennstrecke nur selten zu finden war: Wasser.

Noch optimal hydriert

Doch fangen wir von vorne an: um 9:30 viel der Startschuss für die 126 km-Strecke. Zusammen mit Stefan stand ich 20 min vorher im Startblock B; Christian H. entschied sich für Startblock C. Aus Richtung Startblock A wummerten die Bässe, mit denen der Pulk aufgestachelt werden sollte. Um die viel zu laute Musik dort vorne beneide ich die Fahrer nicht. Angebrachter wären wohl platzierte sphärische Klänge, welche zur Erleuchtung führen, die Sinnesorgane schärfen und die Tretmuskeln schulen. Dem Veranstalter fehlt es hier offensichtlich an Weitblick.

Während ich im Startblock B mit den Hufen scharte und sich der Minutenzeiger langsam 9:30 näherte, erkannte ich 3 m vor mir eine Nase. Thomas T. stand dort außerhalb des Startblocks und tätschelte einen Bekannten Mut zu. Thomas und ich fuhren mit einigen weiteren Nasen vor gut einem Monat den 600er Brevet im Münsterland. Dort brannte er sich für ewig in mein Gedächtnis ein, weil er nach 550 km explosionsartige Kräfte entwickelte und die letzten 50 km alleine nach Münster fuhr. Bei dem Tempo dürfte er das Ziel in geschätzt einer Stunde erreicht haben. Hier in Köln hatte er sich für die kürzere Strecke angemeldet, welche erst später startete. Wir sprachen uns gegenseitig Mut zu.

Mein Ross für RuK

Der Start war unspektakulär. Das Tempo steigerte sich langsam. Das schöne an RuK ist die natürliche Selektion. Genauso wie die Spreu vom Weizen getrennt wird, werden bei RuK die unerfahrenen Fahrer durch die ersten Steigungen vom Feld getrennt. Dadurch kommt merklich Ruhe ins Feld. Wer schon mal den Velothon in Berlin oder Cyclassics in Hamburg gefahren ist, weiß was ich meine. Dort passiert das nämlich nicht. Das hat zur Folge, dass Fahrer welche dem Tempo mangels Erfahrung nicht gewachsen sind, vom Pulk mitgezogen werden und Dinge machen, welche man nur machen sollte, wenn man alleine fährt. Zum Beispiel freihändig fahren, mit unangenehmen Folgen für alle Beteiligten.

Nach 30 km schaffe ich es auf meinen Wahoo Elemnt zu blicken und eine geistige Höchstleistung auszuführen: die angezeigten Zahlen interpretieren. Die durchschnittliche Geschwindigkeit 42 km/h geht nicht mehr lange so schnell. Gesagt, getan: die ersten längeren Anstiege klopften an. Ich nahm Tempo raus und fuhr meinen eigenen Schuh.

Wenn ich lange mit hoher Intensität fahre, also im anaeroben Bereich, was bei mir ein Puls >165 Hits per Minute ist, kann ich buchstäblich zuschauen, wie mein Körper Funktionen deaktiviert bzw. stark herunterfährt, welche aktuell nicht notwendig sind. Und dazu gehört scheinbar als erstes mein Gehirn. Es fällt mir dann sichtlich schwer beispielsweise Zahlen zu interpretieren. Zumindest brauche ich für solche Vorgänge dann länger. Warum bittet mich in solchen Momenten niemand um ein Interview im Stil von Lothar Matthäus? Es wäre so einfach.

Die hohe Intensität und die mittlerweile auf ca. 30 Grad gestiegenen Temperaturen forderten ihren Tribut: Wasser. Und zwar mehr als die 1,3 Liter, welche ich in zwei Flaschen dabei hatte. Auf den 126 km gab es genau eine Verpflegungsstelle und das ziemlich am Anfang nach ca. 50 km. Das brachte mir weitere 650 ml Wasser ein, was für die gesamte Strecke zu wenig war. Leider blieb es bei dieser einen Verpflegungsstelle. Die größte Herausforderung war also die Strecke mit ca. 2 Liter Wasser zu schaffen. Und das war nicht einfach. Gerade auf den letzten 40 km kündigten sich immer wieder Muskelkrämpfe an, verursacht durch Dehydration. Schade eigentlich. Wenn ich ausreichend hätte trinken können wäre eine Platzierung weiter vorne drin gewesen. So blieb es bei Platz 531 nach 3:43 Stunden.

Ansonsten eine tolle Veranstaltung. Ich hoffe für 2018 auf mehr Weitsicht bei der Musikauswahl am Start und die versprochene Anzahl von Verpflegungsstellen.

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