Daniel Graf
2 min readApr 8, 2017

Bundesrat sagt Nein zu E-Collecting. Braucht es jetzt eine Volksinitiative für digitale Demokratie?

Heute ist ein schlechter Tag für die direkte Demokratie. Der Bundesrat hat entschieden, E-Collecting definitiv auf Eis zu legen. Damit ist es in den nächsten Jahren, vielleicht gar Jahrzehnten, nicht möglich, eidgenössische Volksinitiativen und fakultative Referenden im Internet zu unterzeichnen.

Die Aufrechterhaltung der Briefkasten-Demokratie im Zeitalter der Digitalisierung ist nicht nur teuer, sondern widerspricht dem Grundgedanken der direkten Demokratie: Die politische Partizipation für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, was zwingend heisst, das Mitbestimmen möglichst einfach zu gestalten und der technologischen Entwicklung anzupassen.

Aber auch ohne E-Collecting könnte sich in der Schweiz etwas bewegen: Über 100’000 Personen haben in den letzten zehn Monaten unsere Plattform wecollect.ch genutzt, um sechs nationale Initiativen und zwei Referenden zu unterstützen.

Den Spitzenplatz hält bisher mit über 41’000 Online-Unterschriften die Vaterschaftsurlaubs-Initiative, wobei die Sammelfrist noch bis November 2017 läuft. Der Rücklauf zeigt, dass die Initiative eine weitere Rekordmarke setzen wird: Bei der Einreichung wird wohl jede fünfte der benötigten 100’000 realen Unterschriften im Internet gesammelt worden sein.

Nach dem bundesrätlichen Nein zu E-Collecting braucht es vielleicht einen nächsten Schritt. Die Briefkasten-Demokratie könnte mit einem juristischen Update umgangen werden. Die Voraussetzung wäre eine Ergänzung im Bundesgesetz über politische Rechte, mit dem Ziel, die digitale Unterschrift auf einem Smartphone oder Tablet zu erlauben.

Bisher ist es nicht zulässig, Initiativen und Referenden auf einem Touchscreen zu unterzeichnen und anschliessend online zu übermitteln. Für eine «eigenhändige Unterschrift» gemäss Art. 61 des Bundesgesetzes braucht es jedoch gemäss einem Gutachten des Zentrums für Demokratie Aarau nicht zwingend eine digitale Signatur. Die Einblendung eines Warnhinweises, dass sich strafbar macht, wer auf einem Touchscreen unbefugt oder für jemand anders unterzeichnet, könnte genügen.

Eine derartige Ergänzung des Bundesgesetzes für politische Rechte hätte für die Unterschriftensammlung im Internet positive Folgen. So würde beispielsweise ein grosser Teil der Portokosten wegfallen, die immer noch einen Löwenanteil der Sammelkosten ausmachen und eine Hürde für finanzschwache Komitees darstellen. Darüber hinaus. liesse sich mithilfe des Internets. der kleine. Kreis der Stimmberechtigten, die bisher Gebrauch von den direkten Volksrechten machen, deutlich vergrössern. Gerade bei Referenden, bei denen der Zeitraum für die Unterschriftensammlung oft knapp ist, würde die digitale Unterschrift zudem erlauben, die gesammelten Unterschriften den Gemeinden rascher für die Beglaubigung zu übermitteln.

Vielleicht sollten wir nicht länger auf den Bundesrat und das Parlament warten. Ich bin überzeugt, dass jetzt ein politischer Impuls von Seiten der Zivilgesellschaft nötig wäre. Vielleicht hätte eine Volksinitiative «Digitale Demokratie jetzt!» gute Chancen, eine dringend nötige Zukunftsdiskussion anzustossen und E-Collecting auf die Agenda zu setzen.

Daniel Graf

Kampagnen-Macher, Netzdemokrat & Papi | Tweets zu Netzkultur, Politik, Campaigning | Co-Organisator http://campaignbootcamp.ch | Co-Founder http://wecollect.ch