Das Erbe von Foursquare: Wie sich “Foursquare neu” und Swarm die Location Based Features aufteilen

Digital Affairs
6 min readAug 28, 2014

Es ist eine Mischung aus Rosenkrieg und Erbstreit, und momentan scheint es keinen Gewinner zu geben. Die Features vom “guten alten Foursquare” wurden auf zwei Apps aufgeteilt, das neue Foursquare und Swarm. Es ist jedenfalls die größte Neuerung seit Bestehen der beliebtesten Location Based App, und der Split spaltet auch die Userschaft. Wir haben hier den Überblick über Check-ins, Pläne, Empfehlungen und was es sonst noch zu beachten gibt. Und natürlich reichlich Nostalgie. ;-)

Die guten alten Foursquare-Zeiten

Ab 2009 waren viele Smartphone-EnthusiastInnen ja ein bisschen im Liebesrausch mit Foursquare und checkten ein wie die Verrückten: an öffentlichen Plätzen, Lokalen, Universitäten, im Urlaub. An jeder Bushaltestelle. Wer häufig an unterschiedlichen Orten eincheckte oder zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem bestimmten Text (z.B. Groundhog Day!), hatte die Möglichkeit, viele Badges zu ergattern. Neben diesen farbenfrohen Auszeichnungen war die des “Mayor” wohl die begehrteste: BürgermeisterIn eines Ortes war, wer dort am häufigsten eingecheckt hatte. Wir haben darum wettgeifert, wer als erstes 1000 Check-Ins hat. Wer Super-User wird. Wer bei einer Verabredung als erstes eincheckt.

Denn es gab Punkte, die man beim Check-in bekam und einen im Freundeskreis-Leaderboard in lichte Höhen klettern ließ, wenn man einen besonders “guten” Check-in landete. Wenn schon nicht “sinnvolle” Gamification, dann aber doch ein Beweis dass man Leute damit auch zu etwas motivieren kann, das ihnen faktisch genau gar nichts bringt. ;-)

Sogar zum Foursquare Day haben wir uns getroffen, dem 16. April nämlich (klingelts?), so enthusiastisch waren wir. Und uns um die Buttons gegeiert, mit denen wir uns unsere virtuellen Badges real anstecken konnten … Seufz.

Ein kleiner Seitensprung: Geo-Cheating für Fortgeschrittene

2010, als man noch leicht wo einchecken konnte, wo man gar nicht war, haben über 700 TeilnehmerInnen sich mittels Fake-Check-In nicht nur die Erstbesteigung des K2 visualisiert und den Swarm-Badge geholt, sondern sich auch in die Annalen der “Internet-Phänomene” (so der wenig charmante Titel des Wikipedia-Artikels) eingetragen. Wir von Digital Affairs waren an dem Spaß natürlich beteiligt, was Ihr hier im Blogpost K2-Besteigung samt Swarm Badge nachlesen könnt. Ein Tipp für Foursquare-NostalgikerInnen. ;-)

Und jetzt? Check-in im Bienenstock

Das “ehrliche” Check-in-Feature gibt es weiterhin, es ist aber nun ausschließlich in der Swarm-App verfügbar, welche die gesamte soziale Komponente von Foursquare übernommen hat. Diese wird nun wieder persönlicher: Für jeden Ort gibt es nicht mehr eine(n) globale(n) BürgermeisterIn, die Konkurrenz um die meisten Check-Ins wird nur mehr im eigenen Freundeskreis ausgetragen. Nicht nur die Quantität zählt bei den Einblicken in das eigene Leben, die man von Swarm bekommt: Regelmäßige Check-ins am selben Ort werden ebenfalls erwähnt wie das gemeinsame Einchecken mit FreundInnen, mit denen man lange nicht auf Swarm zusammen unterwegs war.

Gemeinsame Pläne für die Zukunft

Wie in der 2012 gescheiterten App Forecast (erinnert Ihr Euch?) kann man bei Swarm auch Pläne anlegen, also öffentlich kundtun, was man wann wo zu tun gedenkt, damit sich FreundInnen anschließen können.

Geschmäcker sind verschieden

Moment … was bleibt denn da noch für Foursquare!? Die App konzentriert sich nun auf die Empfehlung von neuen Orten, für die man sich interessieren könnte und will damit lokalen Reiseführern wie Yelp Konkurrenz machen. Dabei ist in der neuen Version nicht mehr nur der Standort entscheidend. Auch Vorlieben und Geschmäcker, die man zum eigenen Profil hinzufügt, sind Grundlage für die Empfehlungen. Von All you can eat, Happy Hour, Gut für Singles, Vegane Speisen, Heuriger, Cupcake-Läden bis hin zu zahlreichen landestypischen Gerichten, Pommes, Bier, Wanderwegen oder Aquarien sind den Präferenzen kaum Grenzen gesetzt.

In jeder Stadt und zu jeder Kategorie gibt es dabei bestimmte ExpertInnen. Diese haben regelmäßig Beschreibungen zu Orten einer Kategorie hinterlassen. Anstatt wie früher “Badges” zu sammeln, kann man sich in der neuen Version also etwa einen Sushi-ExpertInnen-Status erarbeiten.

Check-ins bei (D)einem Unternehmen

Im Business-Bereich auf der Foursquare-Website kann man ganz einfach nachsehen, ob das eigene Unternehmen bereits als Ort angelegt wurde. Die Anzahl der Check-Ins, abgegebenen Tipps und worüber sich die Personen, die eingecheckt haben, in erster Linie in Zusammenhang mit dem Unternehmen unterhalten, bekommt man auf den ersten Blick angezeigt.

Selbst aktiv werden

Wer sich auf der Seite mit dem eigenen Unternehmen registriert, kann selbst aktiv in die Foursquare-Präsenz eingreifen: Du suchst die besten Schnappschüsse von UserInnen aus oder lädst selbst Fotos hoch, die an erster Stelle bei deinem Unternehmen als Foursquare- und Swarm-Ort angezeigt werden sollen. Wichtig ist es, Firmenname, Öffnungszeiten, Adresse, Telefonnummer und andere Kontaktdaten bei Bedarf richtig zu stellen. Auch Links, zur eigenen Website und zu den Social Media-Kanälen oder beispielsweise im Fall eines Lokals zur Speisekarte, können und sollen hier erwähnt werden.

Neben der Basis-Information, die KonsumentInnen auch an anderen Stellen on- und offline finden können, bietet Foursquare die Möglichkeit, den App-Nutzern Insider-Info, die nur über Foursquare zu finden ist, bereitzustellen. Events, Tipps und FunFacts über das eigene Unternehmen können hervorgehoben dargestellt werden. Für die KundInnen, die Foursquare nutzen, bietet sich so ein Mehrwert.

Nach dem Trennungsschmerz: Neue Beziehungen knüpfen

Die Foursquare-NutzerInnen haben dadurch die Möglichkeit, Dein Unternehmen besser kennen zu lernen. Das funktioniert auch umgekehrt! Mithilfe der zur Verfügung stehenden Analysetools ist genau zu sehen, welche UserInnen Deine Location besuchen. Neben den Daten der BesucherInnen wird auch angezeigt, wie oft diese hier einchecken. So lässt sich erkennen, wer Stammkunde und wer zum ersten Mal da ist.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Nichts ist einfacher, als sich bei den Foursquare-NutzerInnen, die beim eigenen Unternehmen einchecken, zu bedanken. Und worüber freuen sich KonsumentInnen mehr als über einen Rabatt eines Lokals oder Geschäfts, das sie gerne besuchen? Ob 1+1 gratis, 10% Rabatt auf ein bestimmtes Produkt oder ein Upgrade in die nächsthöhere Kategorie – die Konditionen des Angebots lassen sich im Business-Bereich einstellen. Foursquare-NutzerInnen brauchen an der Kasse nur noch ihr Smartphone mit dem Gutschein herzeigen. Netter Nebeneffekt: Dein Unternehmen wird auch jenen Foursquare-NutzerInnen angezeigt, die gerade in der näheren Umgebung sind und nach Aktionen in ihrem Umkreis suchen.

Grafisches Redesign, Flop im User-Rating

Das optische Erscheinungsbild und Logo der App wurden ebenfalls neu gestaltet. So dominieren nun die Farben Pink und Blau in der Optik von Foursqaure. Swarm präsentiert sich in Orange mit der aus den Swarm-Badges schon bekannten Biene. Aber irgendwie werden die UserInnen nicht (sch)warm mit dem Split. So hält Foursquare zur Zeit eine Bewertung von einem Stern im Apple App Store, Swarm kommt auf zwei von fünf Sternen. Die meisten NutzerInnen sehen keinen Sinn in der Zweiteilung der App. Die Reiseführer-Funktion von Foursquare werde außerdem von anderen Apps besser erfüllt.

Stalking auf Schritt und Tritt

Für Unmut sorgt auch das permanente Location-Tracking. Selbst wenn die App geschlossen ist, wird der Standort der NutzerInnen geortet. Ein Pizza-Fan, der auf Urlaub in New York ist, bekommt automatisch Push-Notifications für Pizzerien in New York empfohlen, ohne die App jemals geöffnet zu haben. Dadurch werden Daten generiert, die Foursquare teuer verkaufen kann. Ebenso bei Swarm: Selbst wenn man nicht eincheckt, können FreundInnen die ungefähre (!) Location sehen.

In der Foursquare-App gibt es ein Opt-Out (Profil -> Einstellungen), das für beide Apps zu gelten scheint. In der Swarm-App findet man das Opt-out in Einstellungen -> Datenschutz. (EDIT: Danke Simon und Michael für Eure Kommentare.)

Aus 1 mach 2: Getrennte Freundeskreise

Wie es bei Trennungen oft so ist, teilen sich auch die Freundeskreise, denn man kann verschiedene für die beiden Apps haben. Daher kann man auf Foursquare Accounts mit Gourmet- oder Ausgeh-Expertise verfolgen, von denen man nicht will, dass sie die eigenen Checkins auf Swarm sehen.

Neuanfang oder Paartherapie?

Es bleibt abzuwarten, ob wir uns an den neuen Status Quo gewöhnen und beiden Apps die Treue halten. Solange uns die Apps hin- und herverweisen (Swarm: “Oh, Du hast hier eingecheckt? Schau Dir die Tipps auf Foursquare an!”), wird es sich wahrscheinlich seltsam anfühlen, sich nur für eine zu entscheiden. Und nur hoffnungslose RomantikerInnen warten auf eine Versöhnung und dass Foursquare und Swarm wieder zusammen kommen.;-)

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