“Es gibt eigentlich keinen Grund mehr, mit Benzin und Diesel zu fahren”
Auto-Tester Gerd Kebschull blickt aus professioneller Sicht auf CNG-Autos
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Interview mit Gerd Kebschull
[TAGS] CNG | Erdgasauto | Alternative Antriebe | Volkswagen | Biomethan
15. Januar 2019 | Kaum ein Journalist hat die CNG-Modelle so genau im Blick wie Gerd Kebschull. Der Auto-Journalist testete in den letzten Monaten Autos aus fast jedem Segment — vom VW Polo TGI über die Raumwunder Fiat Doblo NP und VW Caddy TGI, Opel Astra Sports Tourer bis zum sportlichen Audi A5 g-tron reichte die Bandbreite. Welche Erfahrungen er mit den CNG-Fahrzeugen gemacht hat und wie er die Möglichkeiten im gewerblichen Einsatz sieht, besprachen wir mit ihm anlässlich eines Tankstopps in Lingen (Ems).
erdguenstig: Herr Kebschull, taugen die CNG-Fahrzeuge für den gewerblichen Einsatz?
Kebschull: Klar, CNG-Fahrzeuge fahren sich ganz normal; die Fahrer müssen sich gegenüber Benzin und Diesel nicht umstellen. Und die Reichweiten sind ausreichend und gut zu kalkulieren — auch im Winter. Tanken ist einfach, nur eine kurze Eingewöhnung nötig, selbst bei wechselnden Fahrern ist das kein Problem. Dem Unternehmer macht das Tanken Spaß, weil es günstig ist.
erdguenstig: Welchem Unternehmer würden Sie den Umstieg auf CNG-Fahrzeuge empfehlen?
Kebschull: Jedem, der Wert auf niedrige Kraftstoffkosten legt und außerdem umweltschonend sowie klimafreundlich unterwegs sein will. Es gibt eigentlich keinen Grund mehr, mit Benzin und Diesel zu fahren. Sofern es an den üblichen Fahrtrouten CNG-Tankstellen gibt.
“Mit CNG-Autos ist man auf der sicheren Seite.” (Gerd Kebschull blickt auf Städte mit drohenden Fahrverboten)
erdguenstig: Wo sehen Sie beim Einsatz in Fahrzeugflotten die Vorteile?
Kebschull: In Städten, die von von Fahrverboten bedroht sind, da Schadstoffe gar nicht erst entstehen und nicht durch teure System herausgefiltert werden müssen. Mit CNG-Autos ist man auf der sicheren Seite. Es gibt keine wesentliche Veränderung gegenüber Benzin und Diesel beim Einsatz und Fahren.
Für alle Unternehmen ein wichtiges Argument sind die deutlich geringeren Betriebskosten durch niedrige Verbräuche und günstigen Kraftstoff—sogar gegenüber einem Diesel-Fahrzeug.
erdguenstig: Welches CNG-Fahrzeug hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
Kebschull: Der Star war natürlich der Audi A5 g-tron. Wie schrieb ein User auf Twitter: “Audi bitte den A6 g-tron bauen. Dafür würde ich sogar einen Kredit aufnehmen.” Jedes CNG-Fahrzeug hat seine besonderen Stärken: Der Golf ist sehr sparsam, der Opel sparsam mit Platz, Fiat Doblo und VW Caddy TGI als Raumwunder. Drei Kubikmeter Waren von A nach B transportieren — und das preiswert mit CNG. Der Fiat Doblo hat überrascht mit viel Platz und geringen Anschaffungskosten. Das ideale Fahrzeug für Handwerker und Gewerbetreibende. Neugierig sind wir auf den neuen 130-PS-TGI-Motor von Seat, Skoda und Volkswagen, den wir vermutlich im 2. Quartal 2019 im Test haben.
erdguenstig: Welche Reichweiten haben sie mit CNG realisieren können?
Kebschull: Bei CNG-Autos gibt es immer noch das Gerücht, dass die Reichweiten gering sind. Das ist definitiv falsch, da meist 400 Kilometer und mehr — je nach Fahrweise — mit CNG zurückgelegt werden können. Mit dem Skoda Octavia TGI waren wir in zwei Wochen 5.000 Kilometer unterwegs und sind zu 90 Prozent mit CNG gefahren. Alles ganz unproblematisch, das Fahrzeug schaltet automatisch von Gas auf Benzin um und dann kann es noch 400 Kilometer mit Benzin weiter gehen. Nur dann nicht mehr so preiswert.
Reichweiten der getesteten CNG-Fahrzeuge
Modell (Test) — maximale Reichweite
Audi A5 g-tron (10/2018) — 310 km
Fiat Doblo NP (9/2018) — 280 km
Opel Astra Sportstourer (12/2018) — 410 km
Seat Leon ST TGI* (10/2015) — 400 km
Skoda Octavia G-Tec* (10/2016) — 400 km
VW Caddy TGI (12/2018) — 480 km
VW Golf TGI* (2/2018) — 310 km
VW Polo TGI* (4/2018) — 310 km
*ab 2019 überarbeitetes Modell mit mehr CNG-Reichweite
erdguenstig: Was sollte ein Unternehmen berücksichtigen, wenn es CNG-Fahrzeuge in die Flotte nimmt?
Kebschull: Die Fahrer ermahnen, möglichst immer mit Gas zu fahren — sonst ist man nicht kostengünstig und klimaschonend unterwegs. Der Fahrer wird das Umschalten bei leerem Gastank erst gar nicht merken, da es das Fahrzeug automatisch macht und man beim Fahren keinen Unterschied spürt.
Auch ist es sicherlich sinnvoll einmal den Tankvorgang zu üben. Menschen mit zarten Händen oder Technikangst haben bei den ersten Tankstopps eventuell Schwierigkeit die Zapfpistole abzuziehen. Es geht aber ganz einfach und ohne Kraft, wenn man weiß was man machen muss. Wichtig ist, dass der Unterschied klar ist: CNG hat nichts mit LPG (Autogas) zu tun.
Bei langen Strecken und Fahrten in ungewohnte Regionen ist eine CNG-App auf dem Smartphone wichtig, um bei Bedarf die nächste CNG-Tankstelle einfach zu finden.
erdguenstig: Und sonst ist alles wie gewohnt?
Einen Punkt sollte man vielleicht wissen: Es gibt bei CNG zwei unterschiedliche Qualitäten: L-Gas (low) und H-Gas (high). Das CNG-Auto fährt mit beiden ohne Probleme und man muss auch nichts umstellen. L-Gas ist meist etwa zehn Prozent günstiger als H-Gas — hat dann aber auch rund zehn Prozent weniger Reichweite.
Beim Preis ist zu berücksichtigen, dass ein direkter Vergleich zwischen Benzin und Diesel auf der einen Seite und CNG auf der anderen nicht möglich ist. CNG wird nicht in Litern, sondern in Kilogramm ausgezeichnet. Und der Energiegehalt ist völlig unterschiedlich — ein Kilogramm CNG hat viel mehr Energie als ein Liter Diesel oder Benzin. Hier in Lingen tanke ich meist für unter 90 Cent pro Kilogramm Erdgas; das entspricht ungefähr einem Benzinpreis von 66 Cent pro Liter oder 72 Cent bei Diesel.
erdguenstig: Müssen CNG-Fahrzeuge häufiger oder länger in die Werkstatt?
Kebschull: Nein, es sind ganz normale Serien-Fahrzeuge — bei Langzeittests erweisen sich CNG-Fahrzeuge als sehr gut; beim 100.000-Kilometer-Langstreckentest von Auto-Bild war der CNG-A3 von Audi das zuverlässigste jemals getestete Fahrzeug („Besser geht’s nicht“; 9.5.2017).
erdguenstig: Wieso werden gerade von Unternehmen CNG-Fahrzeuge relativ selten eingesetzt?
Kebschull: Verstehe ich nicht — gerade, wer auf Kosten achten muss, für den sollte CNG erste Wahl sein. Wenn es im Bereich der üblichen Einsatzorte CNG-Tankstellen gibt, spricht alles für CNG.
erdguenstig: Elektro oder CNG?
Kebschull: CNG-Fahrzeuge sind derzeit deutlich alltagstauglicher, der Fahrer muss sich weniger Gedanken zum aktuellen Verbrauch und zum Tanken/Nachladen machen. Elektro macht mit Sprintstärke Spaß. Aus Umwelt- und Klimagesichtspunkten ist CNG eine gute Wahl — das unkompliziertere Antriebskonzept für den professionellen Einsatz.
Gerd Kebschull ist Buchautor und freier Journalist. Er leitet das Redaktionsbüro Kebschull und ist Herausgeber von “Auto-Online-Magazin”.
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