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Mehr Zufriedenheit im Team in 7 Schritten

Fabian Keller
6 min readMay 12, 2020

Damit ich zufrieden bin, stille ich meine Bedürfnisse. Darum soll mein Job diesen Bedürfnissen entsprechen. Ich möchte Aufgaben erledigen, die ich gerne erledige und für sinnvoll halte. Ich möchte die richtige Person für die Aufgabe sein. Aber das alles möchte nicht nur ich, sondern alle in meiner Firma möchten das.

Im Prinzip waren meine Bedürfnisse von dem Tag an befriedigt, an dem ich genug zu Essen, eine Garnitur Kleider und einen Platz zum Leben und Schlafen hatte. Alles weitere war mein Streben nach mehr. Dieses Streben führte zu Spielsachen, Sportsachen, Fahrzeugen, mehr Spielsachen, mehr Sportsachen und mehr Fahrzeugen. Alle diese Dinge habe ich mir schenken lassen oder (später) selber geschenkt. Die Gemeinsamkeit dieser Geschenke ist, dass sie immer für mich bestimmt waren. Ich hatte nie das Bedürfnis, dass wir alle in der Familie zusammen etwas Materielles bekommen. Es ging immer darum, nach mehr für mich zu streben, nicht nach mehr für uns. Das ist an sich nicht speziell, sondern natürlich. Damit passe ich in die Basisannahme der Volkswirtschaftslehre, ich bin ein Homo Oeconomicus.

Nicht jeder Wunsch wurde aber erfüllt und das war als Kind oft schwierig zu akzeptieren. Wenn sich mein kindliches Ich dasselbe Lego-Set wie das von meinem Freund Michi so sehr wünschte, aber meine Eltern diesen Wunsch vor meinem Geburtstag nicht erfüllen wollten, musste eine andere Lösung gesucht werden. In der Welt der Kinder gibt es diese Lösung: Teilen. Ich gehe einen Nachmittag zu ihm zum Spielen und er wird gerne mit mir zusammen mit seinem Lego-Set spielen. Michi tritt ein bisschen von seiner Spielzeit mit dem Lego-Set ab, während ich damit spielen darf, obwohl es mir gar nicht gehört. Er verzichtet für einen Moment darauf, sein Bedürfnis zu befriedigen (wohl wissend, dass er nach meinem Abschied das Spielzeug wieder für sich alleine hat, falls es ihm mit mir keinen Spass macht), während ich mein Bedürfnis nach dem Lego-Set endlich stillen kann und schon mal sehe, was ich ab meinem Geburtstag hoffentlich besitzen werde. Das ist für ihn nur ein kleiner Einschnitt, für mich hingegen ist es ein riesiges Erlebnis, das Set endlich in den Händen zu halten. Wahrscheinlich stellen Michi und ich sogar fest, dass es mehr Spass macht, zusammen mit dem Lego-Set zu spielen als alleine.

Das Streben nach MEHR für MICH zeigt sich auch in der Arbeitswelt: Ich wähle den Job, der mir am meisten bringt. Wie viel verdiene ich? Was sind meine Karriereaussichten? Was bringt mir die Arbeit längerfristig? Was lerne ich dort? Wie lang ist mein Arbeitsweg? Welche Zusatzleistungen erhalte ich? Alle Fragen drehen sich um mich. Alle Fragen sind rationaler Natur. Wenn ich schlussendlich im gewählten Job arbeite, ist es hingegen viel wichtiger, wie es sich für mich anfühlt - meine subjektive Empfindung. Gehe ich gerne zur Arbeit? Mache ich meine Aufgaben gerne? Ist das Produkt der Firma sinnvoll? Der Job fällt mir viel einfacher, wenn ich gerne zur Arbeit gehe.

Wie unsere Bedürfnisse als Arbeitnehmer sein müssen, wird vom Arbeitgeber bestimmt. Wenn wir in einer Organisation eingestellt werden, füllen wir eine Vakanz. Es ist meistens sehr klar, was unsere Rolle sein soll, welche Aufgaben wir übernehmen sollen. Wir werden anhand unseres Lebenslaufs und unseres Auftretens während der Vorstellungsgespräche ausgewählt.

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In jeder Rolle, in der ich jemals in einem Unternehmen gearbeitet habe, habe ich immer auch Sachen erledigt, die eigentlich nicht zu meinem Aufgabenbereich gehört hätten. Entweder wollte ich diese Aufgaben erfüllen oder ich habe sie sogar gerne erledigt. Ich hatte aber immer auch Aufgaben, die ich nicht machen wollte, für die ich mich nicht motivieren konnte, die ich vor mir hergeschoben oder gar nicht erledigt habe. Und dann gab es noch Aufgaben, die mir zugetragen wurden, von denen ich der Meinung war, dass es andere Leute in der Firma gab, die diese viel besser hätten erledigen können.

Es ist wichtig, zu erkennen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma in der gleichen Situation sind und es an der Zeit ist, sich kollektiv ein paar Fragen zu stellen:

  • Sind die Aufgaben, die mir die Firma übertragen hat, die richtigen?
  • Gäbe es jemand anderen, der diese Aufgaben besser erledigen könnte?
  • Gibt es andere Aufgaben in dieser Firma, die ich besser erfüllen könnte?

Was wäre nun, wenn deine Rolle in einem Unternehmen grösstenteils aus Aufgaben bestehen würde, die du gerne machst oder erledigen möchtest? Wie würde deine Rolle dann aussehen?

Anhand der folgenden Schritte würden wir ein Team unterstützen, seine Aufgaben besser zu verteilen:

  1. Aufgaben transparent machen: Während einer gewissen Zeit werden alle Aufgaben, die im Team erledigt werden, notiert und gesammelt. Jedes Teammitglied bewertet seine eigenen Aufgaben danach, ob diese gern/ungern bzw. gut/ungenügend erledigt werden. Eine Statistik über die Bewertungen und auch über die individuelle Zufriedenheit wird erstellt.
  2. Neuverteilung der Aufgaben: Das Team berät über Abgeben und Übernehmen von ungeliebten Aufgaben, diese werden wenn möglich getauscht. Gegenseitige Unterstützung für die neuen Aufgaben wird eingeplant. Dieser Vorgang wird wiederholt, damit immer nur eine Aufgabe pro Person ausgetauscht werden muss. Auf Arbeitspensen muss unbedingt Rücksicht genommen werden.
  3. Belohnungen für unbeliebte Aufgaben: Übrig gebliebene Aufgaben werden mit Anreizen versehen:
    Rotation: Die Aufgabe wird von allen oder mehreren Teammitgliedern erledigt im Rotationssystem.
    Teamevent: Die Aufgabe wird regelmässig gemeinsam erledigt. Dazu oder danach gibt es Bier/Kaffee/Glühwein.
    Ähnlichkeit: Ähnliche Themen werden mit der unbeliebten Aufgabe gebündelt und einer einzigen Person zugeteilt, damit sie effizienter erledigt werden kann. Eventuell wird zusätzlich eine Rotation eingeführt.
    Glorifizierung: Ein gemeinsamer Kuchen-Zvieri wird eingeführt, Personen mit der ungeliebten Aufgabe müssen keinen Kuchen mitbringen.
  4. Statistik auswerten: Die neu verteilten Aufgaben werden erneut beurteilt und eine neue Statistik erstellt. Diese wird verglichen mit der Statistik aus Schritt 1.
  5. Aufgaben aus dem Team entfernen: Der bisherige Prozess der Umverteilung inklusive der Statistiken wird vorgestellt. Es wird versucht, Aufgaben unter Einbezug der Vorgesetzten weiterzugeben, die nach Aussage des Teams von einem anderen Team ausgeführt werden sollten.
  6. Team stärken: Schwierigster Teil! Aufgaben, die jemand im Team besser erledigen kann, werden umverteilt oder im Idealfall getauscht. Nach Möglichkeit kann die Aufgabe gemeinsam oder in Teilaufgaben erledigt werden. Diese Umverteilung wird ebenfalls bei Bedarf mehrfach durchgeführt.
  7. Eine Ebene nach oben: Wenn weitere Teams den gleichen Prozess durchgeführt haben, gibt es weitere Aufgaben, die aus deren Team rauskommen. Unter Einbezug der Vorgesetzten werden diese zwischen den Teams neu verteilt.

Was bringt das? Jede Person hat weniger Aufgaben, die sie machen muss und mehr Aufgaben, die sie machen darf. Für den Einzelnen sind vor allem die Aufgaben weg, welche er oder sie nicht machen wollte. Über die ganze Gruppe der Mitarbeiter gesehen, sind hingegen unbeliebte Aufgaben reduziert worden. Dafür erledigen die Meisten nun Aufgaben, die sie gerne machen oder eben erledigen möchten. Einige Aufgaben sind zudem auf mehrere Leute verteilt, das Knowhow ist somit besser verteilt und Abgänge oder Ferienvertretungen lassen sich einfacher organisieren. Aus Sicht des Teams sind die Aufgaben bei den richtigen Personen angesiedelt. Somit ist die Zufriedenheit und die Motivation der Mitarbeiter gestiegen. Zwangsläufig steigt auch die Effizienz, denn was man gerne macht, macht man besser.

Für diese Transformation würden wir einen Zeitraum von 4–6 Monaten veranschlagen. Die Zeit, die jede involvierte Person dafür benötigt (ohne die Übergabe der Aufgaben), beschränkt sich auf weniger als anderthalb Tage über den ganzen Zeitraum verteilt.

WICHTIG! Der oben genannte Ablauf sollte regelmässig wiederholt oder sogar laufend gemacht werden. Aufgaben ändern sich und Bedürfnisse auch, neue Aufgaben entstehen. Es kann immer sein, dass eine Aufgabe, die dir heute Spass macht, im nächsten Jahr zu langweilig wird.

Und das Beste ist: Mit dieser Teamarbeit an den Abläufen und Aufgaben ist ein weiteres kleines Puzzlestück zu agilen Werten und Prozessen eingefügt 👍

Die Idee spricht dich an? Kontaktiere mich unverbindlich und schau dir unsere Website an.

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Fabian Keller

Mehr als 10 Jahre Erfahrung mit agilen Methoden in der Software Entwicklung motivieren mich, dieses Wissen an andere Branchen weiterzugeben