FRANK TENTLER
3 min readMar 3, 2018

Nehmt die Digitale Revolution endlich ernst! Sehr ernst!

Ich möchte wirklich niemanden, den ich nicht kenne, irgendeine Kompetenz absprechen, einen Job nicht zu schaffen. Auch nicht Frau Bär, die wahrscheinlich neue Staatssekretärin für Digitales wird.

Aber was ich erschreckend finde ist, dass Digitalsierung als ein „Machen wir diesen Technik-Kram mal irgendwie nebenbei!“-Projekt angesehen wird. Es kein Konzept gibt, keine planerische Kompetenz, ja nicht einmal eine Vorstellung davon, was Digitalisierung eigentlich bedeutet. Zumindesten finde ich davon nichts in irgendeinem Papier, Statement oder Parteiprogramm.

Ich habe mir alles, was ich dazu finden kann in den letzten Monaten durchgelesen und es deckt nicht annähernd ab, was uns in den kommenden 10 Jahren erwarten wird.

Um es einmal bildhaft zu beschreiben:

Stellt euch vor, die Industrielle Revolution war ein Erbeben, welches eine Stadt und eine Region stark betroffen und grossen Schaden hervorgerufen hat.

Die Digitale Revolution ist im Vergleich dazu der Kometeneinschlag, der nahezu alle Lebensformen, alles, was bis dahin bekannt, erprobt und beliebt war, ausrottet. Es bleibt nichts mehr von dem übrig, was wir heute als wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status Quo erachten.

Die Chancen, die sich daraus ergeben, sind riesig. Alle fangen bei Null an und man wird sich sehr früh positionieren und einen langfrisitigen, agil anpassbaren Multilevel-Evolutionsplan – wie ein Startup auf Speed – erstellen und abarbeiten müssen. Dann kann man Wirtschaft und Gesellschaft daran wahrscheinlich positiv partizipieren lassen.

Aber es bedeutet auch, dass es viele Verlierer geben wird. Wirtschaftlich, aber auch in unserer Gesellschaft. Wir werden einen Grad an Automatisierung erleben, der alle Menschen, die nicht Teil der Digitalsierung sind, oder mit sozialen und kreativen Aufgaben ihren Lebensunterhalt verdienen, arbeitslos machen wird. Und das werden nach heutigem Stand über 40% aller Berufe sein, die wegfallen. Das ist aber nur die Schätzung mit unserer heutigen Vorstellung der Digitalen Revolution. Ich kann mir mit meinen Erfahrungen und Vorstellungen aber auch denken, dass es locker 60–70% werden. Ich rede nicht über die offensichtlichen Berufe, die wegfallen. Wie Lagerarbeiter, Banker, Taxifahrer, LKW-Fahrer, Kundenberater usw. Wer braucht z.B. noch die Menge an Anwälten, Reisebüros, Social-Media-Manager, Werbeagenturen, Berater, Versicherungs- und Immobileinmakler, Autoverkäufer und und und, wenn es dafür eine KI-getriebene Blockchain-Lösung gibt?

Alle Bereiche unseres Lebens werden davon betroffen sein und man kann nur ahnen, was das in der irrsinnigen Kürze der Zeit an Umbrüchen mit sich bringen wird. Hat sich die Industrielle Revolution über 60–80 Jahren immer schneller entwickelt und dann noch einmal nach dem 2. Weltkrieg enorm an Fahrt aufgenommen, werden wir nach 30 Jahren dümpeln in der digitalen Urzeit in den kommenden 10 Jahren die Auswirkungen zu spüren bekommen, die dieser Kometeneinschlag mit sich bringt. Hinzu kommt, dass wir heute viel mehr Menschen sind, die sich um immer geringere Ressourcen bemühen müssen.

Ich will das Szenario gar nicht ausweiten, vertiefen und komplett schlechtreden. Ich habe selbst keine konkrete Vorstellung davon, was die Digitalsierung mit uns genau machen wird. Aber ich bin mir sicher, dass 99,99% meiner Mitbürger, unsere Regierung und Verwaltungen und unsere Parteienlandschaft absolut keinen Schimmer davon hat, was da wirklich auf sie zukommt. Wir bräuchten dringend einen Prozess, der mehr mit „Design Thinking“, „Business Canvas Modell“ und Startup-Denken zu tun hat, als ministeriale Verwaltung oder universitären Beratungsmodellen. Dort fehlt es leider an der nötigen Kompetenz, einen solchen Prozess zu führen. Wir müssen uns von Lobbys und Filzen frei machen und unabhängig von Egos schnellstens in einen Transformations-Prozess begeben. Die alten Muster haben weder bei der Atomenergie, noch bei so vielen anderen Neuerungen geholfen, bei denen es um viel Geld geht. Bei der Digitalisierung geht es nicht mehr darum, recht zu haben und sein Geschäftsmodell und sein Ego in den Mittelpunkt zu stellen, sondern – und das meine ich heute nicht einmal mehr polemisch – um das Überleben von Gesellschaft, Wirtschaft und Natur. Letztendlich auch um das Überleben von uns Menschen.

Wir haben so oft den Fehler gemacht, erst zu handeln und dann zu denken. Bisher ist es erstaunlicherweise halbwegs gut gegangen. Aber bisher hatten wir, wie gesagt, erst nur ein Erdbeben…