stARTcamp Ruhr York #MenschOrtWeb

2 Tage gegen die digitale Tristesse

FRANK TENTLER

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Es ist nicht leicht, über ein Event zu schreiben, bei dem man selbst geholfen hat, es zu organisieren. Schnell springt das, auch ungewollt, in Selbstbeweihräucherung oder Lobeshymnen auf TeilnehmerInnen, KollegInnen und Veranstaltungsort. Aber darüber will ich dieses Mal gar nicht schreiben. Das ist die Aufgabe derer, die bei uns zu Gast waren.

Klar, es lässt sich nicht verhindern, wenn man über ein stARTcamp schreibt, aber mehr als ein „Danke!“ will ich gar nicht los werden. Denn die Begeisterung über die Menschen und den Ort, die war uns allen 2 Tage lang an den Augen abzulesen und aus den über 2400 Tweets (http://bit.ly/scry14-tweets) und tausenden Facebook-Posts, Instagram-Bildern und anderen Social-Web-Content über das stARTcamp Ruhr York (http://bit.ly/scry14info) herauszulesen.
Wir, die wir dabei waren, wissen, dass wir etwas besonderes gemacht und erlebt haben und alle, die es im Web verfolgten, ahnen vielleicht, was sie verpassten (s. z.B. http://bit.ly/scry14-chf).

Wobei wir schon beim Thema des #scry14 — so der Hashtag der beiden stARTcamp-Tage im Ruhrgebiet — sind: #MenschOrtWeb.

Kein Schreibfehler und — zumindest für Web-afine Menschen — eine verständliche Wortkombination. Sie beschreibt das, was wir gerade erleben. Menschen erobern sich Orte unter Nutzung digitaler Erweiterungen, die über das Web koordiniert und vernetzt werden.

Der Mensch wird zum digitalen Eroberer, Geologen, Forscher, Kommunikator und Architekten. Er nimmt Orte mit seinem Smartphones und Tabletts ein, reisst die Mauern nieder und öffnet seinen Communities private Einblicke und unbekannte Perspektiven.

Der Ort erweitert das Sichtbare, auch das Fühlbare, denn Emotionen sind die Triebfeder unseres Handelns. Rabbitholes — Spuren, Geheimnisse und Täuschungen, die uns mit ihrem Sog Teil einer Geschichte werden lassen — tun sich unmerklich und plötzlich unter unseren Füssen auf und wir fallen tiefer und schneller, höher und weiter in das Zentrum dessen, was einen Ort definiert: Seine Seele, sein Daseinszweck. Seine Einzigartigkeit.

Das Web ist die Oberfläche, die mit ihren Strukturen und Gesetzmässigkeiten die Regeln vorgibt. Aber es ist eine tückische Oberfläche. Fluid, zerbrechlich, lässt Abgründe und stürmische Verwerfungen zu, die uns zu Spielbällen im Wellengang werden lassen. Die uns verschlingt, wirbelt, atemlos nach Luft ringen lässt, wenn wir die Spannung nicht mehr ertragen können. Das Web überspringt mittels multimedialer Smartphones unsere Wahrnehmungsschranke und bringt die digitalen Botschaften direkt ins Limbische System, wo wir uns der Eindrücke nicht mehr erwehren können.

So sollte es sein. Die Realität ist eine andere.

Langeweile. Bewusstlosigkeit. Routine und Inhaltslosigkeit.

In meiner Welt regiert diese #DigitalWueste 90% meiner beruflichen Wahrnehmung. Websites, Apps, Facebook-Seiten, Twitter-Accounts…kaum ist etwas der Aufmerksamkeit wert.

Kaum weckt etwas die Aufmerksamkeit, oder auch nur eine einzige Reaktion. Die Oberfläche bleibt antiseptisch, steril. Nichts spricht uns an, zieht uns in einen Strudel, raubt uns den Atem.

Ein Urteil, ob es an den Anbietern, oder den Nutzern liegt, mag ich nicht fällen. Aber das Urteil zu fällen, dass wir uns damit Chancen verbauen und Ressourcen verschwenden — das Geld der Anbieter und die Lebenszeit der Nutzer — erlaube ich mir nicht nur, sondern hämmere es laut und wuchtig an die Tore der Banalität.

Dieses Web ist nicht meines und wird es nie werden. Zu Tode langweilen…das hat für mich eine physische Konsequenz. Nämlich den Tod der lebenswerten Lebenszeit. Minute um Minute.

Das ist der Grund, warum ich das stARTcamp-Universum so schätze. Hier trifft erlesener Content auf Menschen mit Forschungs- und Eroberungstrieb. Es sind Getriebene, die sich mit der Banalität nicht abfinden wollen, die vielleicht nur ahnen, dass es da etwas abseits der miesen Masse geben muss, das die sterile Oberfläche zerspringen lässt und die unendlich unterhaltsame Tiefe des Wissens, der Begeisterung, des nach Teilung schreienden Über-Mutes der MacherInnen hinter dem Content einen nie enden wollenden 3-dimensionalen Ort schenkt.

#MenschOrtWeb. Es ist alles da.

Nutzen wir es.

Begeistert.

Begeisternd.

Geistvoll.

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Fortsetzung folgt:

stARTcamp Köln — 2014 #Flauschrausch

MacherInnen: Rouven Kasten, Sabine Haas

Samstag, 27. September 2014, von 09:00 Uhr bis 18:00 Uhr, Macromedia Hochschule Köln

Tickets: http://bit.ly/sck14-tickets

Website: http://startcampkoeln.wordpress.com/

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