“Abflachung der Kurve” ist eine gefährliche Illusion

Frank Drews
4 min readMar 15, 2020

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Ihr habt sicher schon diese oder ähnliche Kurven gesehen:

Davon gibt es viele verschiedene Varianten. Eine Grundidee ist auch richtig: Wir müssen verhindern, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Aber das sanfte “Abflachen” der Kurve funktioniert nicht und ich zeige gleich warum. Alle Kurven, die verbreitet werden, haben folgendes gemeinsam:

  1. Die Achsen sind nicht beschriftet. Ab welcher Kapazität ist das Gesundheitssystem überlastet? Auf welche Zeitspanne müsste man die Kurve strecken, damit das Gesundheitssystem gut mit Corona klar kommt? Diese Fragen werde nicht beantwortet.
  2. Die Grafiken suggerieren, dass das Gesundheitssystem vielleicht 2/3 bis 1/3 der zu erwartenden Fälle handeln kann. Aber wenn wir die Ausbreitung etwas Verlangsamen würden, dann gäbe es keine Überlastung mehr.
  3. Man bekommt den Eindruck, dass es auch ohne rigorose Maßnahmen zur Eindämmung, die wir aus China oder Italien kennen, funktionieren wird. Wir lassen die Infektion einfach in einer etwas längeren Zeit durch die Bevölkerung grasen, bis genug Menschen immun sind.

Diese Schlussfolgerungen sind falsch und gefährlich. Schauen wir uns die Kurve mit Zahlen an:

Was ist die Kapazität des Gesundheitssystems?

Ich werde das jetzt anhand der Kapazität der Intensivbetten berechnen, weil mir hier Zahlen aus Deutschland vorliegen. Deutschland hat aktuell 27.000 Intensivbetten (Quelle: Ärzteblatt ). Lasst uns optimistisch annehmen, dass wir davon 15.000 COVID-19 nutzen können.

Wieviele werden krank?

80% der Fälle verlaufen mild und brauchen keine größere medizinische Betreuung. Von den Zahlen aus China und Italien wissen wir, dass ca. 10% aller Patienten Intensivbetreuung brauchen. Die Intensivbetten werden im Durchschnitt 3 Wochen gebraucht. Nehmen wir an, dass 50% der Deutschen COVID-19 bis Ende 2020 bekommen und es im April richtig losgeht. Dann haben wir

  • einen Bedarf von 87,15 Millionen Intensivbetten-Tagen (83 Millionen *50% *21 Tage * 10%)
  • eine Kapazität von 4,05 Millionen Intensivbetten-Tagen( 15.000 *9 Monate*30 Tage)

Der Bedarf ist um den Faktor 21 Höher als die Kapazität! Selbst wenn wir die Ausbreitung ganz flach auf ganz 2020 verteilen. Wir müssten also die nächsten 15 Jahre die Schulen etc. schließen. Die beiden Kurven (rot vor Abflachen und grau nach Abflachen) müssten also eher so aussehen:

Quelle: Joscha Bach, Zahlen für Beatmungskapazität in den USA

China, Korea und Italien haben schnell festgestellt, dass das Gesundheitssystem total überrannt wird. Und ohne Beatmung hat man dann statt einer Todesrate von 0,7% eine Todesrate von 5%. Außerdem sterben viele andere Patienten, weil das Gesundheitssystem nicht mehr funktioniert. Wir müssen COVID-19 radikal stoppen, ähnlich wie das China und Korea schon geschafft haben, je früher wir starten, desto einfacher wird es. Die WHO hat zurecht alle Länder dazu aufgerufen am “Containment” zu arbeiten. Vermutlich wird es auf der Welt bald “grüne” Länder geben, die es geschafft haben das Virus radikal einzudämmen; und “rote” Länder”, die es nicht geschafft haben. Die grünen Länder werden ihre Grenzen gegenüber den roten Länder abriegeln. Bis die roten Länder irgendwann auch wieder schaffen, Dank dem Fortschritt in Analytik, Therapie, Impfung sowie einer möglichen Herdenimmunität.

Helft mit diesen Artikel zu teilen und vermeidet selber jegliche Ansteckungsgefahr. Persönlich kann man das Ansteckungsrisiko fast gegen 0 verringern, solange man nicht im Gesundheitswesen arbeitet.

Dieser Artikel basiert auf einem Artikel von Joscha Bach. Ich habe den Artikel gekürzt und statt der Rechnung für die USA, eine Rechnung für Deutschland gemacht.

In den Medien wird teilweise von 2% Intensivbetten gesprochen. Da bis jetzt 8% der abgeschlossenen Fälle verstorben sind und auch die WHO von einer Todesrate von 3% ausgeht, fragt man sich wie die auf 2% kommen. In China wurden alleine 5% der Patienten beatmet. Die beatmeten Patienten sind nur ein Teil der intensiv-medizinisch betreuten. Aber selbst wenn man oben mit 2%, statt der 10% rechnen würde, dann müssten wir diesen Zustand ganz gleichmäßig über 3 Jahre halten. Die Problematik, dass sich zuerst sehr viele Angestellte im Gesundheitssystem infizieren kommt auch noch dazu.

Die erste Version des Artikels enthielt einen Rechenfehler. Vorher hatte ich den Faktor 50% für den Teil der betroffenen Bevölkerung vergessen. Auch hatte ich mit 8 statt mit 9 Monaten gerechnet. Das ist jetzt korrigiert. An der Aussage des Artikels ändert sich nichts. Daran sieht man auch wie deutlich die Lage ist. Das Ergebnis ist so klar, dass kleinere Änderungen in der Modellrechnung kaum etwas an der Aussage ändern.

Die Dauer der benötigten Betreuung auf der Intensivstation ist natürlich ein wichtiger Faktor im Modell. Kennt jemand hier die genauen Zahlen aus China? Oft werden hier 4 Wochen genannt.

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