Günter Leifeld-Strikkeling spielt viele Instrumente

Bluegrass aus den

Günter Benning
7 min readApr 24, 2015

Baumbergen

Er ist Tischler, Instrumentenbauer – und ein Bluegrass- und Folkmusiker, der Dutzende Instrumente selber spielt. Günther Leifeld-Strikkeling – der Goodtime-Spieler aus den Baumbergen.

Von Günter Benning (Text) und Julia Kwiatkowski (Video, Foto)

Nottuln / Billerbeck. Der Bart ist grau, die Schirmmütze an den Ecken abgestoßen. Günther Leifeld-Strikkeling wirft den Ledergurt seiner Mandoline übers buntkarierte Baumwollhemd und zupft Bluegrass: Musik aus den Bergen von Kentucky. Aber hier erklingt sie mitten im Wald, zwischen Nottuln und Billerbeck, auf den sanften Höhen der Baumberge.

“Toll, dass Sie das in ihrem Alter noch machen.“

Geigen, Banjos, Dobros hängen an der Wand in Leifeld-Strikkelings Wohnzimmer. Er spielt sie alle. Und einige hat der Tischlermeister in seiner Nottulner Werkstatt selbst gebaut. „Vor zehn Jahren“, grinst er, als er nach ein paar Takten zum nächsten Instrument greift, „hat mich eine junge Frau nach einem Konzert gelobt: Toll, dass Sie das in ihrem Alter noch machen.“ Er ist jetzt 61 Jahre alt.

Doc Watson, r., eine Legende der Folk- und Bluegrass-Music.

Zu alt? Arthel Lane Watson, seit dem vierten Lebensjahr blind, der unter seinem Künstlernamen Doc Watson (l.), Bluegrass-Maßstäbe setzte, spielte noch mit 86 Jährchen und mit einem Affenzahn auf seiner Gitarre. Diese Musik, die Amerikas Westen prägt und von ihm geprägt wird, handgemacht und schnörkelfrei, ist irgendwie zeitlos. Hier ein Tonbeispiel.

Hootin the blues

Leifeld-Strikkeling gründete Ende der 80er Jahre mit Gerd Gorke aus dem Stevertal „Hootin the blues“. Seine Tischler-Werkstatt lag zwei Häuser neben Gorkes Elternhaus. Der hatte das Mundharmonikaspielen von seinem Vater gelernt. Den Blues, den hat er sich selbst beigebracht.

Hootin the blues

Wer hätte damals schon gedacht, dass die Combo aus Nottuln mal einen deutschen Blues Challenge abstauben sollte? Und damit in Memphis, Tennessee, in der Heimat von Blues und Folk, spielen durfte. Damals keiner. 2009 haben sie es geschafft. Mittlerweile haben die Blueser ganz Europa bereist. Sie bespielen Privatfeiern und Stadtfeste. Und da gehen die Leute schon mal auf die Tische. Goodtime-Music nennt sich das – Musik für gute Zeiten.

Aufgewachsen im Jugendknast

Der Multi-Instrumentalist Leifeld-Strikkeling ist im Jugendknast aufgewachsen. „Die Leute waren da alle schrecklich nett“, sagt er von den schweren Jungs. Sein Vater war Justizvollzugsbeamter mit Dienstwohnung hinter Gittern. So lernt man was fürs Leben.

Geboren wurde er in Herzebrock-Pixel, lebte in Oelde und Hamburg. Seine erste Gitarre hat er „mit 14, 15“ bekommen. Er tauschte sie gegen einen Fußball. Schon damals musste er an dem Instrument rumschrauben, damit es nach was klang.

„Musikunterricht fiel in der Schule immer aus“,

„Musikunterricht fiel in der Schule immer aus“, erinnert er sich. Er lernte auf eigene Faust, lieh sich E-Gitarren von einer Tanzband aus. Und machte am Warendorfer Laurentianum nebenbei sein Abi. Ein Kind der sozial-liberalen Bildungsreform. Noch heute staunt er über die 160 Mark Schüler-Bafög: „Meine Eltern hätten sich das sonst nicht erlaubt.“

Was folgte: Ein Wartesemester Mineralogie in Hamburg. Irgendwann ließ er die Uni sausen und lernte tischlern. Abschluss mit „Auszeichnung durch die Stadt Hamburg“.

Susanna Wüstneck und Günter Leifeld-Strikkeling

Leben auf dem Lande

Er träumt von Landleben, Handarbeit und Folk und Blues. Mit Sack und Pack zieht er in einen alten Sandstein-Hof im Stevertal, macht er sich mit einem Kumpel selbstständig, heiratet, wird zweimal Vater, hat zwischendurch elf Angestellte. Jetzt sind es noch zwei. Sein Job macht ihm immer noch Spaß: „Es ist ein Geschenk – wenn ich einen Raum betrete, sehe ich die Möbel vor mir.“ Er kann zeichnen, bauen, richtet Praxen, Räume im Kloster Gerleve, Yachten auf Mallorca ein.

„Meine erste Bluesplatte habe ich in Amerika per Postkarte gekauft.“

Aber seine große Liebe läßt ihn nicht los. Die Musik. „Meine erste Bluesplatte habe ich in Amerika per Postkarte gekauft“, erinnert er sich: Big Bill Broonzy, ein schwarzer Mann, eine Gitarre, ziemlich schrappelige Töne. Drei Monate dauerte die Lieferung.

Dann entdeckte er in Nottuln den Folkladen von Willy Schwenken. Ein Sandsteinhaus, bis unter die Decke vollgepackt mit Folk und Blues aus aller Welt. Schwenken, Plattenproduzent, Versandhändler und Original, erinnert sich Leifeld-Strikkeling, nahm einem auch mal Platten weg, die man sich ausgesucht hatte. „Das ist nichts für dich“, sagte er dann.

Der Tischler lebt die Musik des Westens, inclusive ihrer Accessoires. Die Schirmmütze, das Jeansoverall, die historischen Instrumenten. Selbst die kleinen Fingerpicks von Dunlop, Gebrauchsgegenstände für Ragtimer und Banjospieler, sind klassisch gestylt.

Weltmusik

Musikalisch hat er den US-Westen aber verlassen. Mit seiner Lebensgefährtin Susanna Wüstneck (50) aus Berlin spielt er in der Gruppe Morann Weltfolk. Das klingt dann auch mal türkisch oder hawaiianisch. Wüstneck ist Filmemacherin und gemeinsam arbeiten sie an Filmusiken: „Wir sind immer auf der Suche nach guten Klängen.“

„Wir sind immer auf der Suche nach guten Klängen.“

Ein Leben zwischen Baumbergen und Berlin, Tischlerei und Goodtime-Musik. Er habe gelernt, sagt er, soviel zu arbeiten, dass noch genug Zeit für das Schöne im Leben bleibt.

Sein Markenzeichen ist übigens GLS. „Hole ich mir vom Schrottplatz“, grinst Leifeld-Strikkeling. GLS ist das Ausstattungszeichen für gediegene Opel-Limousinen. Schön geschwungen stehen die Buchstaben auf seinem Gitarrenkoffer. Gebraucht und noch gut.

Das Five-String-Banjo

Die Chanterelle schwingt mit

Das Banjo wurde von Sklaven in Amerika erfunden, es hat zwischen vier und sechs Saiten. Bei diesem fünfsaitigen Banjo geht die oberste Saite (Chanterelle) nicht über die volle Länge des Halses, sondern läuft zu einem beim fünften Bund angebrachten Stimmwirbel. Diese Saite klingt höher als alle anderen Saiten.
In der Hillbilly- und Minstrel-Musik wird das fünfsaitige Banjo meist im Clawhammer-Stil gespielt. Die Saiten werden mit dem Daumen und dem Nagel des Mittelfingers in der Abwärtsbewegung geschlagen.

Steel-Gitarre

Jammernde Töne

Die Hawaiigitarre oder Lap-Steel-Gitarre ist eine akustische oder elektrische Gitarre mit Stahlsaiten, mit oder ohne Resonator, heißt es bei Wikipedia. Anders als beim gewöhnlichen Gitarrenspiel wird sie vom sitzenden Gitarristen auf den Schoß gelegt, die Saiten weisen nach oben. Die Saiten sind am Sattel erhöht, so dass sie nicht gegriffen werden können. Günther Leiffeld-Strikkeling hat sich eine eigene Steel-Gitarre „an einem schönen Sonntag“ gebaut. Sie klingt sehr hawaiianisch. Die Steel wird in einer offenen Stimmung gestimmt. Die linke Hand greift nicht, sondern spielt diese Form der Slide-Gitarre mit einem massiven Metallstab oder Rohr (Steel Bar).

Das Dobro

Laut und scheppernd

Das Dobro klingt laut und meist metallisch. Der Name sollt laut Wikipeida auf fünf slowakische Einwanderer in den USA zurückgehen, die Dopyera Brothers, die zunächst bei der National String Instrument Company 1927 mit dem Gitarrenbau begannen. John, Rudy und Ed gründeten zwei Jahre später ihr eigenes Unternehmen Dobro, gleichzeitig ein – wohl vor allem den Herstellern verständliches Wortspiel mit dem slowakisch-slawischen Wort für „gut“, nämlich „dobro“.

Die Firma gilt heute vielfach als Synonym für Resonatorgitarren aus Holz. Später wurden die Resonatorgitarren unter Lizenz auch bei Regal in Chicago gebaut. Die Rechte an dem Namen Dobro liegen beim Gitarrenhersteller Gibson.

Billerbecker Folkszene

Folkforum in Billerbeck.

Die Folkszene im Münsterland trifft sich an verschiedenen Orten. Früher gab es den Folkclub in Münster an der Harsewinkelgasse. Mittlerweile bieten manche Clubs offene Bühnen an. Günter Leifeld-Strikkeling gehört zu den Stammgästen im Billerbecker Forum, gegenüber der Kolvenburg.

Eine kleine Gemeinde von Musikern macht sich hier auf den Weg “back to the roots”, zurück zur akustischen Musik. Regelmäßig begleitet von einem treuen Publikum, das sie und jeden musikalischen Gast mit einem herzlichen Handschlag — “nice to see you here!”- begrüßt. Folk, Country, Rag, Blues, — unverkrampft und spontan. Und das ganze zum Getränkepreis. Das Konzept einiger befreundeter Musiker/innen, die vor fast 15 Jahren die Acoustic Session im “Cha Cha” ins Leben riefen, funktioniert erstaunlich gut. “Man kann schon sagen”, so Leifeld-Strikkeling, “dass wir hier in den Baumbergen eine lebendige Szene haben.”

Jeden ersten Mittwoch im Monat finde im Forum Billerbeck ein “Open Stage” statt. Das Publikum zahlt nichts, wer spielt, bekommen ein freies Getränk.
Blues und Folk, Popsongs, Flamenco, Klassik, Percussionsensemble, Jazz, Bossa — alles ist hier möglich. Jeder, der will,kann sich ohne Voranmeldung präsentieren. Begrenzung: 3- 4 Stücke.

Hier spielt die Musik

Hier geht es zum Forum Billerbeck.

https://goo.gl/maps/z4E42

--

--