Die flexible Stadt

Anpassungsfähige Infrastrukturen in der vernetzten Kommune

Habbel
12 min readMay 5, 2015

von Franz-Reinhard Habbel

Heute ist es der Taxi-Schreck Uber, morgen sind wir es selber. Es ist das neue Lebensgefühl, insbesondere der heutigen Gründergeneration, die alles ändern wird. Disruption, Plattformen und Vernetzung heißen die Zauberwörter. Es geht um die Zerstörung alter Geschäftsmodelle und der Etablierung des Neuen. Denn das Wesen der Digitalisierung ist Revolution. Die Lust am Neuen und damit an der Veränderung der Wirtschaft wird auch starken Einfluss auf Staat und Verwaltung haben. Auch staatliche und kommunale Institutionen müssen sich reformieren.

Deutschland tut sich schwer, was die Gründerkultur betrifft

So ist Österreich dabei, ein Startup-Gesetz zu verabschieden, welches auch Städte und Gemeinden in die Lage versetzen soll, Crowdfunding zu betreiben. Auch Deutschland ist dabei, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, die Hürden sind hier allerdings höher gesetzt.

Längst ist die Lebenswirklichkeit der Menschen der Treiber der Veränderung. Das gilt auch für die Unternehmen. So hat beispielsweise die Einführung eines neuen Betriebssystems, das mobiles Arbeiten möglich macht, größere Auswirkungen auf die Arbeitswelt, als Gesetze von Parlamenten zum Schutz der Arbeitnehmer. Die politische Systemwelt läuft hinter der Entwicklung her. Politik hat aber einen Gestaltungsauftrag. Wer ihn wahrnehmen will, muss deshalb frühzeitig beginnen, sich mit den Entwicklungen in Gesellschaft und Wirtschaft, und hier insbesondere mit der Digitalisierung, auseinander zusetzen. Politik ist geronnenes Leben und Verwaltung ist geronnene Politik.

Die mit der Digitalisierung zunehmenden Möglichkeiten von Selbstorganisation und Selbstgestaltung stärken die Zivilgesellschaft. Bürgerinnen und Bürger werden zu Co-Produzenten von Verwaltung. Die Mit-Mach-Stadt entwickelt ihre eigene Dynamik. So wird sich zum Beispiel der Bereich der Daseinsvorsorge, heute ein weitgehend stabiles Fundament von Staat und Kommune, in den nächsten Jahren aus der Bürgergesellschaft heraus neu formatieren. Die Digitalisierung wird die Daseinsvorsorge in den Städten umkrempeln und damit verändern. Strukturen, Aufgaben und Organisation der Daseinsvorsorge sind heute weitgehend klar geregelt. Staat und Kommunen stellen notwendige Güter und Leistungen für das menschliche Dasein und Miteinander zur Verfügung.

Die Infrastruktur und die Daseinsvorsorge sind das Fundament unserer Gesellschaft

Die Städte und Gemeinden sind für wichtige Infrastrukturen wie Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Wege und Plätze, Kultureinrichtungen wie Bibliotheken und Museen, Theater, aber auch Wasserversorgung und Abwasser usw. zuständig und damit verantwortlich. Hinzu kommt eine Vielzahl sozialer Aktivitäten von der Kinderbetreuung bis zur Altenhilfe. Nicht zuletzt ist Deutschland durch eine starke Daseinsvorsorge ein attraktives Land. Die Daseinsvorsorge ist zu einem deutschen Exportgut geworden. Die Zahl der Besuche politischer Organisationen und Einrichtungen aus dem Ausland mit dem Ziel, sich über die Aufgabenstellung der Kommunen in Deutschland zu informieren, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Ein großer Teil der Daseinsvorsorge wird heute vom öffentlichen Dienstleistungssektor wahrgenommen

Er gehört zu den größten Branchen in der Europäischen Union. Dort arbeiten 30 % aller Beschäftigten. Das entspricht rund 65 Millionen Arbeitnehmern. Allein die führenden Infrastrukturnetzwerke wie Elektrizität, Gas, Wasser, Abwasser, Abfall, Postdienste, Telekommunikation, öffentlicher Personennahverkehr beschäftigen 11,5 Millionen Menschen.

Wird das alles nun so bleiben wie es ist, oder wird auch die Daseinsvorsorge als Schlüsselelement der europäischen Wirtschaft durch die Digitalisierung massiv betroffen sein? Alle Zeichen deuten darauf hin, dass dies so sein wird. Den Wandel frühzeitig zu erkennen und daraus Folgen zu ziehen, zählt deshalb zu den strategischen Aufgaben der Politik.

Akteure der Daseinsvorsorge haben heute eine Mehrfachrolle. Einerseits geht es um die Optimierung bestehender Verfahren und Anwendungen, um Effizienzrenditen, andererseits um gänzlich neue Dienste auch auf der Basis neuer Infrastrukturen. Diese doppelte Herausforderung von „Erneuerung“ einerseits und „dem Neuen“ an sich andererseits, ist die größte Aufgabe, die es zu lösen gilt.

Und es kommt eine dritte Herausforderung hinzu. Städte müssen flexibler und dynamischer werden, was ihre Rahmenbedingungen insbesondere bei der Bereitstellung von Infrastrukturen betrifft. Sie müssen frühzeitig grundlegende Veränderungen bis hin zu Disruption antizipieren, soweit dies möglich ist. Denn Disruption im Wirtschaftsgefüge einer Stadt oder Region kann zu sozialen Verwerfungen aber auch zu neuen Chancen führen. So müssen die Übergänge von einem zum andern gestaltet und möglicherweise abgefedert werden. Bewahren und Erneuern bekommt eine andere Dimension. Viele Kommunen können davon ein Lied singen, wenn Unternehmen Betriebsstätten schließen oder zwar alles beim alten verbleibt, aber das Unternehmen fusioniert, der Firmensitz verändert wird, oder weitere Umstrukturierungen folgen. So zum Beispiel vor einigen Jahren in Schwäbisch-Hall geschehen, wo sich durch neue Firmenkonstrukte die städtischen Einnahmen aus der Gewerbesteuer über Nacht um 50 Millionen Euro reduzierten. Die Digitalisierung wird die Dynamik von Gründungen, Verkäufen, Verlagerungen und Schließungen von Unternehmen weiter anheizen.

Neue Player bei der Infrastruktur

Die Einen renovieren und modernisieren Straßen, Brücken und Gebäude. Sie erstellen Pläne, erteilen Aufträge und überwachen die Arbeit. Die Anderen programmieren neue Dienstleistungen und Services, für Bürgerinnen und Bürger. Beide sichern und entwickeln Infrastrukturen. Die Einen kennen wir: Es sind Mitarbeiter der Verwaltung, Architekten und Unternehmen. Wer aber sind die Anderen? Es sind die Co-Produzenten der Verwaltung. Sie sitzen nicht in den Rathäusern, sie arbeiten in aller Regel nicht in der normalen Wochenarbeitszeit an ihren gemeinnützigen Projekten, sondern engagieren sich in Teams vornehmlich am Wochenende. Es sind die Barcamps oder Hackdays, die insbesondere junge Leute zusammenführen, um beispielsweise Apps für die Gemeinschaft oder Stadt zu programmieren. Inzwischen finden in Deutschland fast jedes Wochenende solche kreativen Treffen statt. Einfach organisiert und erfolgreich. Einlader sind häufig zivilgesellschaftliche Organisationen. Aber auch die Kommunen selbst erkennen inzwischen das soziale Kapital in ihrer Stadt. “Hey, wir machen was mit Daten“, nennt sich eine Veranstaltung in Moers am Niederrhein. Dort haben die Stadt Moers und die Bertelsmann Stiftung an einem Wochenende zu einem zweitägigen OpenData Hackday eingeladen. Auf einem Hackday kommen verschiedene Hacker zusammen, ganz egal ob altgedienter IT-Hacker oder Neuling und Alltagshacker. Jeder, der kreativ eine Lösung finden möchte, ist eingeladen, gemeinsam mit allen anderen Teilnehmern eine Lösung für eine Problemstellung zu erarbeiten. Eine solche Problemstellung wird von den Teilnehmern selbst mitgebracht und gemeinsam versucht zu lösen. Ziel ist es dabei, einen gesellschaftlichen Nutzen zu erbringen.

In Bonn ist es ein Barcamp wo junge Leute sich für OpenData engagieren. Der Raum ist an einem Samstag gut gefüllt. Themen wie disruptive Trends, Permakultur und Transition, Social Media und Bildung, Netzparten 50plus oder Bonn als Smartcity stehen auf dem Programm. „Eigene Onlineaktivitäten kritisch reflektieren, auch deshalb nehmen wir an Barcamps teil“, heißt es von einem Teilnehmer auf Twitter. Die Stadt Bonn selbst postet: “Die Müllabfuhrdaten gibt es unter der Adresse OpenData.Bonn.de für das gesamte Stadtgebiet”.

Daseinsvorsorge 4.0 aus der Cloud

Wenn immer mehr Dienstleistungen digital konfiguriert und angeboten werden, hat dies auch Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge. Bestehende Angebots- und Nachfragestrukturen der Kommunen und insbesondere der Wohlfahrtsverbände müssen sich diesen Herausforderungen stellen. Digitalisierung heißt heute besonders Cloud und Apps. Davon werden alle Dienstleistungen des Staates und der Kommunen betroffen sein. Daseinsvorsorge aus der Cloud wird deshalb in einigen Jahren zur Normalität zählen. Dadurch wird es möglich, Dienstleistungen ständig anpassen zu können sowie räumliche Grenzen bei der Bereitstellung zu überwinden. Das hat nichts mit Entmenschlichung und Automatisierung der Hilfe zu tun, ganz im Gegenteil, Hilfe und Unterstützung können zielgenauer und damit wirkungsvoller erfolgen. Mit anderen Worten: Nicht die Empathie wird digitalisiert, sondern der Prozess der Hilfe und Unterstützung. So wird es Leistungen der Daseinsvorsorge auf Zeit geben, sie kann geleast oder gemietet werden. Je nach zeitlichen und räumlichen Anforderungen wird sie gemeinsam zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft konfiguriert werden. So könnte man zum Beispiel bei einem großen Konzert in der Region speziell über soziale Netzwerke einen temporären „öffentlichen“ Personenverkehr organisieren um die Nutzung des Individualverkehrs durch Mitfahrmöglichkeiten zu reduzieren. Das käme der Verkehrssicherheit in der Nacht entgegen.

Infrastrukturen bestehen künftig verstärkt auch aus Plattformen und Software

Plattformen sind die Betriebssysteme von morgen. Es geht darum, nicht nur die Straße in Schuss zu halten, sondern auch die Mobilität der Menschen z.B. durch Carsharing zu verbessern. Um das sicherzustellen brauchen wir neue Player, auch aus der Zivilgesellschaft wie zum Beispiel Code for Germany. Jede Woche treffen sich derartige Teams, die gemeinsam an nützlichen Anwendungen und Visualisierungen rund um offene Daten arbeiten. Code for Infrastructure heißt das neue Spiel.

Aus diesem Engagement entwickelt sich die Daseinsvorsorge 4.0. Sie baut auf einer vernetzten Infrastruktur und der Sharing-Economy auf. Durch das Internet der Dinge werden Infrastrukturen wie Straßen, Brücken und Gebäude intelligent gemacht. Sensoren liefern Informationen über Nutzungen, Inanspruchnahmen, Reparaturnotwendigkeiten usw. Kommunale Dienstleistungen können durch die neue Qualität von Daten individueller zur Verfügung gestellt werden, wenn diese auf Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger besser abgestimmt sind.

Im Rahmen der Sharing-Economy bringen Menschen in einem Netzwerk der Daseinsvorsorge ihre Potenziale in Dienstleistungen mit ein und sie nutzen Gegenstände durch Teilen mit anderen ohne dass sie diese selbst besitzen müssen. In einer weitgehend vernetzten Gesellschaft entstehen neue Dienstleistungen durch die Auswertung von Daten. Profildaten, zum Beispiel die Auswertung der Verkehrsmittelnutzung zu bestimmten Zeiten, können dazu genutzt werden, dass alternative Mobilitätsangebote gemacht werden. Car-Sharing, Services wie Uber, Wohnraumnutzungen durch AirBnB, Kleidernutzung, Foodsharing usw. vermindern darüber hinaus den Ressourcenaufwand und ebenen einer Cradle-to-Cradle- Economy den Weg.

Warum nicht auch im Bereich der Daseinsvorsorge, Dienstleistungen teilen oder im Verbund anbieten?

Bürgerschaftliches Engagement oder auch digitales Ehrenamt findet in der Flexibilisierung der Daseinsvorsorge eine weitere Sinnstiftung, in dem zum Beispiel Hausaufgabenhilfen oder Sprachunterstützung für Flüchtlinge im Netz von Bürgerinnen und Bürgern angeboten werden.

Potenziale einer neuen Zusammenarbeit bzw. Sicherstellung von Diensten durch Bürgerinnen und Bürger gibt es auch im Bereich der Pflege. Mobile Pflegestützpunkte, dort wo Menschen zusammen kommen, können ebenfalls zu einem Sharing von Dienstleistungen führen.

Unterstützungs- und Hilfsdienste wie Wasch-, Bügel- oder Putzdienste aber auch Abholung von Gegenständen und Einkauf zum Beispiel von Lebensmitteln bilden eine neue Symbiose zwischen Offline und Online und können auch von Bürgergemeinschaften selbst organisiert werden.

Das Einkaufsverhalten in den Städten verändert sich durch das Internet bereits heute gravierend. Immer mehr Menschen bestellen Gegenstände online und lassen diese sich liefern. Das hat Auswirkungen auf die Stadtentwicklung insbesondere in den Innenstädten. Sog. Showrooms entstehen, Menschen können sich dort vor Ort informieren, Gegenstände sich zeigen lassen, der eigentliche Kaufvorgang und der logistische Transport werden aber über das Internet abgewickelt. Das Smartphone ist hier das entscheidende Koordinationsinstrument.

Die flexible Stadt ist das Ziel

Damit ist eine Kommune gemeint, die sich immer wieder an die tatsächliche Entwicklung vor Ort anpasst, auf Veränderungen schnell reagiert, aber auch aktiv den Prozess der Veränderung mit steuert. Flexible Städte sind Netzwerke, die auf unterschiedliche Anforderungen unterschiedlich reagieren. Sie sind hoch flexibel, gleichwohl arbeiten sie vertrauensvoll mit der Bürgergesellschaft zusammen und füllen den vorhandenen Rechtsrahmen aus. Sind es heute Flüchtlinge, morgen der demografische Wandel und übermorgen zusätzliche Anforderungen an Resilienz und damit Widerstandsfähigkeit von Infrastrukturen im Rahmen klimabedingter Veränderungen, so unterschiedlich sind die Antworten bezogen auf die Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten. Flexible Städte haben einen Kern von Stabilität, der den Menschen Sicherheit und Halt, Überschaubarkeit und Heimat bietet in einer weitgehend globalen und unsicheren Welt.

Eine flexible Stadt ist eine cloudbasierte Stadt. Die Datenbestände der Verwaltung befinden sich weitgehend in der Cloud. Das gilt auch für zivilgesellschaftliche Einrichtungen, die im Rahmen von Co-Produktion Verwaltungsleistungen erbringen. Die elektronische Aktenführung ist dabei eine wichtige Grundlage. So kann zum Beispiel aus der Verschneidung von Daten gewonnenes Wissen zur Lösung von Problemen beitragen. Je nach Anforderungslage kann aus verschiedenen Daten neues (Lösungs)wissen entstehen. Auf unterschiedliche Anforderungen kann so unterschiedlich reagiert werden. Das setzt voraus, dem Thema Analytik mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In den nächsten Jahren wird das Thema Government-Analytics an Bedeutung gewinnen. Damit können öffentliche Dienstleistungen zielgenauer und wirkungsvoller werden. Bereits heute können Google und Facebook soziodemografische Daten oftmals präziser liefern als Einwohner- oder Sozialämter. Die Auswertung von Daten macht ein vorausschauendes Government möglich. Notwendig ist allerdings eine gesellschafts- und verwaltungspolitische Diskussion über solche Möglichkeiten. Deutschland wäre klug beraten, jetzt mit dieser Debatte zu beginnen.

Eine flexible Stadt ist eine plattformbasierte Stadt. Auf Plattformen treffen sich Angebote und Nachfrage nach spezifischen Dienstleistungen wie zum Beispiel im Bereich Mobilität oder Logistik. Plattforminitiatoren bzw. Betreiber werden Bürgerinnen und Bürger, Organisationen, Einrichtungen oder auch die Kommune selbst sein. So werden z.B. Mitfahrmöglichkeiten aus dem Dorf in die Stadt oder der Transport von Gegenständen mit dem Privat-PKW organisiert. Ändern sich die Bedarfe, ändern sich ebenso die Dienste. Mittels Plattformen lassen sich auch Aktivitäten organisieren wie zum Beispiel Ernte-Camps. Interessierte organisieren sich, um während der Erntezeit Streuobstwiesen gemeinsam abzuernten. Viele Städte und Gemeinden unterstützen die Initiative der Organisation Mundraub, die seit Frühjahr 2015 auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird und mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund zusammenarbeitet. Am Beispiel der Ernte-Camps lässt sich auch die Vernetzung vielfältigster Angebote deutlich machen. Ein Großteil der Erntehelfer wird das Fahrrad für einen Einsatz nutzen. Das bedeutet, dass andere Dienstleistungen, wie zum Beispiel Fahrrad-Verleihsysteme oder Reparaturwerkstätten vor Ort mit auf der Ernte-Camp Plattform vernetzt werden. Es entstehen ganze Öko-Systeme von Dienstleistungen rund um bestimmte Aktivitäten. Selbstverständlich sind die Plattformen mit sozialen Netzwerken verbunden, wo sich wiederum verschiedene Communities zum Beispiel zur Verwertung von Obst, bzw. hin zu Einkochrezepten darstellen und austauschen können. Das Plattformmanagement wird eine eigene Aufgabenstellung.

Eine flexible Stadt ist eine mobile Stadt. Verwaltung ist künftig da, wo Menschen und Unternehmen sind. Beratung und Kontaktaufnahmen finden nicht mehr nur im Rathaus statt, sondern z.B. in Stadtteil-Quartieren, in Alteneinrichtungen oder Flüchtlingsheimen. Der Zugriff auf E-Akten muss auch deshalb mobil möglich sein.

Eine flexible Stadt ist eine vernetzte Stadt. Die ganze Stadt ist das Netzwerk. Die Stadtverwaltung ist nicht mehr der alleine Bestimmer und sagt wo es lang geht. Im Netzwerk Stadt verwirklicht sich der Wandel vom Vater Staat zum Bürgerstaat.

Eine flexible Stadt ist eine transparente und offene Stadt. Open-Data spielt eine große Rolle. „Alles muss raus“, so könnte die Devise der flexiblen Stadt heißen, was die Daten betrifft.

Die Lebenswelt der Menschen gewinnt weiter an Dynamik

Lebensstile ändern sich schneller und tiefgreifender. Das hat Einfluss auf die Aufgaben der Städte und Gemeinden. Auch sie müssen sich flexibel den veränderten Bedingungen anpassen. Beispiel: Die Flüchtlingswelle, die auf Europa und damit auf Deutschland zurollt. Sie fordert die Kommunen in den Bereichen Wohnen, Integration, Bildung und Familie heraus.

Die Frage stellt sich, ob nicht auch die Verwaltung dynamischer werden muss, was ihre Aufgaben und Aufgabenerfüllung betrifft.

Das Beispiel Video-Dolmetschen

Ein Unternehmen aus Österreich bietet innerhalb von 120 Sekunden 500 Dolmetscher an, die simultan dolmetschen über Video. Das Gespräch von zwei oder mehreren Gesprächspartner wird live mitgeschnitten, ein Dolmetscher aus einem anderen Ort ist direkt zugeschaltet und kann das Gespräch simultan übersetzen. Die Gesprächsteilnehmer hören im Gespräch die Übersetzung.

Eine solche Dienstleistung ist für die Kommunen insbesondere in der Flüchtlingspolitik besonders interessant. In Aufnahmeeinrichtungen, bei Verwaltungsverfahren, bei Arztbesuchen, bei Sprachkursen, kann ein solches System große Hilfe leisten und beispielsweise Asylverfahren erheblich beschleunigen. Das kommt allen Beteiligten zu Gute.

Die Frage stellt sich, wie kommen solche Leistungen in Verwaltungen schnell zum Einsatz? Wer kümmert sich um mögliche Rahmenverträge, um die Vermarktung? Ist das Aufgabe der Ausländer- oder Sozialämter, vielleicht der Rechenzentren oder gar der Wirtschaftsförderung? Auch solche Dienste gehören zum e-Government.

Das Beispiel soll verdeutlichen, dass eine ständige Beobachtung neuer Dienstleistungen notwendig ist um zu prüfen, inwieweit diese auch auf öffentliche Dienstleistungen wirken um die Verwaltung effizienter, nachhaltiger und ressourcenschonender zu machen.

Wenn künftig alles digital sein wird, dann betrifft dies alle Politikbereiche

Um die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik auch weiterhin sicherzustellen bedeutet dies, “auch mit Unternehmen in Kontakt zu treten, die es noch gar nicht gibt”. Was ist damit gemeint?

Es ist notwendig, insbesondere technische Entwicklungen und daraus sich entwickelnde Dienstleistungen frühzeitig zu antizipieren, sich zu fragen, wie wirken neue Geschäftsmodelle, beispielsweise im Bereich Mobilität, auf den öffentlichen Nahverkehr und damit auch auf die Aufgaben der Kommunen? In den nächsten Jahren werden sich völlig neue Dienstleister auf den Markt begeben. Das sind zum Beispiel Start-Ups oder junge Unternehmen, die in den Kommunen Mobilitätsdienste anbieten werden, die die Lebenswelt der Menschen und damit die Wirklichkeit in den Kommunen verändern werden. Die Menschen werden sich über Plattformen weitgehend selbst organisieren. Von der öffentlichen Hand angebotene Dienstleistungen werden plötzlich nicht mehr nachgefragt, weil der Nutzer sich auf anderen Wegen besser informieren oder organisieren kann.

Die öffentlichen Aufgaben und Dienstangebote stehen in einem neuen Dauerwettbewerb. Nur wenn sie ständig weiterentwickelt werden, haben sie auch in Zukunft eine Chance.

Die flexible Stadt muss sich öffnen

Notwendig ist ein doppelter Trialog. Einmal zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und zum anderen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Ein solch doppelter Trialog muss ständig geführt werden, daraus ergeben sich Notwendigkeiten von Anpassungen der politischen Systeme und Aufgaben.

Flexibilität in der Finanzwelt — Neue Finanzierungsquellen erschließen

Europaweit ändern sich die Vermögensverhältnisse. Es zeigt sich eine wachsende Ungleichheit der europäischen Bürgergesellschaften. Wäre es nicht auch ein Weg, Vermögende zu aktivieren, sich für gemeinwohlorientierte Angelegenheiten zu interessieren in dem sie beispielsweise einen Beitrag für Bildungsaufgaben oder zur Erhaltung und zum Ausbau der Infrastruktur leisten? Das würde eine sich weitere ausbreitende Polarität zwischen Vermögenden und Nichtvermögenden vielleicht abschwächen können. Gerade wenn angesichts der Globalisierung und Internationalisierung nationale Steuerquellen durch eine ständige Unternehmensoptimierung versiegen, wäre ein solches Engagement ein Stärkungselement für die Demokratie und die damit verbundene Botschaft Ungleichheiten nicht ins Unermessliche zu vergrößern.

Fazit

Flexibilität setzt Beweglichkeit im Denken und Handeln voraus. Es gilt, Pfade zu verlassen und damit eingefahrene Wege zu überwinden. Bei den im 18. Jahrhundert in Deutschland mit Kopfsteinpflaster gebauten Alleen und Straßen zeigte sich oftmals, dass die schweren Kutschen tiefe Rillen auf den Straßen hinterließen und damit das Fahren, insbesondere bei Gegenverkehr, immer beschwerlicher wurde. Die Fundamente waren zu schwach ausgelegt. Auch wir müssen unser Fundament ständig überprüfen. Das Fundament der Kommunen ist die Demokratie. Ist sie stabil und stark genug, sind Veränderung und Anpassung möglich.

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