Analyse und Interpretation «Ein Hungerkünstler»

Die gewählte Textstelle stammt aus der Erzählung “Ein Hungerkünstler” von Franz Kafka. Wie schon gesagt ist die Literarische Gattung die Erzählung. Dies lässt sich auch in dieser Textstelle sehen denn eine Erzählung ist häufig chronologisch aufgebaut. Diese Textstelle zeigt den Schluss der Geschichte und ist so chronologisch. Die Erzählung wird in der Er-Form und von einem personalen Erzähler erzählt. Die Sichtweise ist in Innensicht geschrieben da der Erzähler die Gefühle des Hungerkünstlers beschreiben kann. Die Darbietungsform wird im gesamten Buch in Erzählerrede erzählt. Nur genau in dieser Textstelle wird auch Figurenrede benutzt.

Im ersten Abschnitt der Geschichte ist der Hungerkünstler die Hauptattraktion und tritt von Ort zu Ort auf. Dies könnte man so sagen ist seine Blütezeit, in der er Erfolg hat und das Interesse des Publikums für sich gewinnen kann. Doch mit der Zeit verlieren die Menschen nach und nach das Interesse an der Hungerkunst. Im zweiten Teil der Erzählung, wo sich auch die Textstelle befindet, wechselt der Hungerkünstler zu einem grossen Zirkus in der er nur noch eine Nebenattraktion neben den Ställen ist. Hier bekommt er immer weniger Aufmerksamkeit, bis er komplett vergessen wird. Die meiste Zeit verbringt der Hungerkünstler in seinem Käfig, wie auch seine letzten Minuten.

Der Käfig ist ein wichtiges Symbol in der Geschichte denn er steht für die Freiheit des Hungerkünstlers. Dies ist widersprüchlich da der Hungerkünstler im Käfig zwar keine Freiheit besitzt da er eben eingesperrt ist. Doch es ist der einzige Weg für ihn Freiheit zu erlangen da die Leute ihm sonst nicht glauben das er fehlerlos hungert. Ein anderes Symbol ist das Ohr des Aufsehers. Den dieses steht für das Interesse des Publikums. Es ist das letzte was dem Hungerkünstler noch Aufmerksamkeit schenkt und nur für die Aufmerksamkeit hungert er, wie er auch selbst erwähnt “Hätte ich sie gefunden, glaube mir, ich hätte kein Aufsehen gemacht und mich vollgegessen wie du und alle”. Ein Motiv könnte man das Hungern selbst nennen, denn das Hungern ist in “Ein Hungerkünstler” eine Verdrehung der Realität da der Hungerkünstler hungern muss, um zu leben. Das Essen schadet ihm sogar wie beim Fest des vierzigsten Tage gezeigt.

Der Wärter fragt die Diener “warum man hier diesen gut brauchbaren Käfig mit dem verfaulten Stroh drinnen unbenutzt stehen lasse”. Dies ist eine Vorausdeutung auf die letzte Szene mit dem Panther.

Das Hungern wird in “Ein Hungerkünstler” als Kunst präsentiert doch neigt sich immer weiter zur Natur des Hungerkünstlers. Dies erkennt er selbst in der Textstelle. Die Verdrehung der Realität zeigt dies, denn die Natur eines Menschen ist es essen zu müssen. Dem Hungerkünstler seine Natur ist es aber eben zu Hungern. Dies liegt unteranderem daran, wie er selber sagt “weil ich nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt”, dass er nichts fand was ihn Glücklich macht ausser das Hungern. Die Speise steht hier also für eine Leidenschaft oder etwas Lebenserfüllendes.

Vor allem ist es aber die Aufmerksamkeit, die er für das Hungern bekommt, was ihn Glücklich macht. Jeder Mensch sehnt oder giert nach z.B. Macht, Geld oder Liebe. Der Hungerkünstler sehnt sich nach Aufmerksamkeit. Deshalb tut es dem Hungerkünstler auch weh, wenn ihm die Leute nicht glauben und an ihm zweifeln. Aus diesem Grund muss er paradoxer weise im Käfig hungern. Denn nur im freiheitsberaubenden Käfigs kann er Glücklich sein und frei seine Natur ausüben. Als das Publikum dem Hungerkünstler immer weniger Aufmerksamkeit schenkt und sich nicht mehr für die Hungerkunst interessiert, erkennt auch der Hungerkünstler selbst seine Tragödie. Die Aufmerksamkeit, die ihm zuletzt noch bleibt, ist nur nach das Ohr des Aufsehers.

Die Kunst wird so komplett entwertet und auf das reine Hungern gebrochen. Unterstützt wird dies durch die Speise, die er nicht finden konnte. Doch trotzdem ist der Hungerkünstler auch am Ende noch der festen Überzeugung zu Hungern. Denn wie bei einer Magersucht kann er nicht mehr damit aufhören. Die Aufmerksamkeit, die er für das Hungern bekommen hat, hat diese Krankheit auch noch unterstützt und gestärkt bis dann die Aufmerksamkeit wegfiel. Er gerät nicht nur in Vergessenheit des Publikums, sondert verschwindet auch wortwörtlich im Stroh. Dies deutet auf sein Verschwinden voraus. Diese Überzeugung das er weiter hungere sieht der Erzähler in den gebrochenen Augen des Hungerkünstlers. Diese stehen aber auch für die eigene Erkenntnis das das Hungern seine Natur ist und keine Kunst ist.

In der Erzählung hat der Hungerkünstler keine eigene Identität das zeigt sich daran das der Hungerkünstler nicht einmal einen Namen hat. Hier wird also bewusst nicht das Individuum, sondern die Hungerkunst angesprochen. Die aber wie erklärt nicht als Kunst gelten kann da sie seine Natur ist. Der Hungerkünstler versucht sich in der Gesellschaft trotz seiner Eigenart einzubringen. Doch die Gesellschaft schenkt ihm zuletzt keine Beachtung mehr. So ist sein Versuch sich in die Gesellschaft einzubringen trotz seiner Andersartigkeit gescheitert.

Quelle: Königs Erläuterungen Spezial Franz Kafka. Erzählungen und kurze Prosa, Autor: Kai Schröter, Verlag: Bange Verlag 2014

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Ein Hungerkünstler (Elias Hansen)
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Und wenn er auch gestorben ist, so hungert er doch noch heute.