Was den Healthcare-Markt bewegt: M&A Transaktionen 2021 und Ausblick auf 2022

Steinbeis M&A
6 min readMar 11, 2022

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Magnus Höfer und Christoph Osterbrink

Source: Pixabay

Auch dieses Jahr wollen wir nachfolgend eine selektive Rückschau über Deals des vergangenen Jahres und ein Ausblick auf die wichtigsten Einflussfaktoren geben.

Sektor Distribution

Wir beginnen den Überblick mit dem Distributionsbereich, wo im letzten Jahr besonders viele Transaktionen stattfanden.

Besonders einschneidende Veränderungen gab es im Apothekengroßhandel: Es begann zunächst mit der Einverleibung von einem der letzten verbliebenen privaten deutschen Pharmagroßhändlern, der Leopold Fiebig in Rheinstetten, durch die Sanacorp aus Planegg.

Ebenfalls im Januar 2021 gab Amerisource Bergen Corp. (ABC) bekannt, einen Großteil des Europageschäfts von Walgreens Boots Alliance (WBA) für ca. $ 6,5 Mrd. zu über-nehmen, woraus sich ein Umsatz-Multiple von 0,3x bzw. ein EV/EBITDA-Multiple von 12x ergibt.

Ende 2021 wurde schließlich verlautbart, dass WBA die restlichen 30% am erst kürzlich zuvor gebildeten Joint Venture zwischen der GEHE Pharma Handel und der Alliance Healthcare Deutschland von der McKesson übernimmt.

Ein wichtiger Schritt beim geplanten Rückzug aus Europa war für McKesson der Verkauf einzelner europäischer Geschäftsbereiche an die Mannheimer Phoenix Group für rund $ 1,5 Mrd. im Sommer 2021. Die Transaktion umfasste auch die deutsche Zentrale der McKesson in Stuttgart, die Recucare GmbH, das deutsche Wundversorgungsgeschäft, das Shared Services Center in Litauen und die 45%ige Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen Brocacef in den Niederlanden. Bei einem Nettogewinn von rund € 75 Mio. bei einem Umsatz € 12 Mrd., ergibt das ein KGV von 20 bzw. eine EV/Umsatz-Verhältnis von 8x.

Das UK-Geschäft von McKesson (bestehend insb. aus dem Pharmagroßhandel AAH und der Lloyds Apothekenkette) ging — für viele Marktbeobachter etwas überraschend — an die Münchner Private Equity Gesellschaft Aurelius. Bei einem Gruppenumsatz von knapp € 6 Mrd. und einem Transaktionswert von € 385 Mio., ergibt das einen vergleichsweise niedrigen Umsatz-Multiplikator von 0,05x.

Noch kurz vor Weihnachten verkaufte McKesson auch den österreichischen Marktführer Herba Chemosan an ein Konsortium, bestehend aus dem Management und dem Private Equity-Arm der Raiffeisen Landesbankengruppe Oberösterreich. Marktgerüchten zufolge, soll ein KGV von rund 12 bezahlt worden sein.

Shop-Apotheke hat im Jahr 2021 gleich zwei Transaktionen getätigt und treibt damit die Transformation zur digitalen Gesundheitsplattform weiter voran: Für rund € 27 Mio. erwarb die aus den Niederlanden agierende Versandapotheke im Januar die smartpatient in München. Nur wenige Monate später wurde die holländische Medap Holding erworben.

Auch im Dentalbereich war im Jahr 2021 wieder einiges los: Die finnische Planmeca Gruppe hat die KaVo Dental mit den Geschäftsbereichen Behandlungseinheiten und Instrumente von Envista für ca. $ 455 Mio. (plus $ 30 Mio. Earn-out) übernommen. Bemerkenswert war auch der Zusammenschluss der medondo holding, einem von Zahnärzten gegründeten Softwarehersteller, mit dem erst kürzlich von der Deutschen Mittelstands-Holding übernommenen Dentalhändler Pluradent aus Hanau.

Last but not least, konnte die schwedische AddLife im April 2021 die Übernahme der Vision Ophthalmology Group von Stirling Square Capital Partners für rund € 200 Mio. vermelden, was einem EV/EBITDA-Multiplikator von 17x bzw. dem 3-fachen Umsatz entspricht.

Sektor Pharma, Biotech & Specialty

International war 2021 (wieder) ein Jahr für Big Pharma. Getrieben von den hohen Erlösen aus dem mRNA-Impfstoffen, war Pfizer vor Sanofi der aktivste Spieler (M&A und auch Lizenzdeals). Dabei rücken immer mehr Onkologika in den Fokus der Käufer.

Im Juni 2021 hat die Planegger MorphoSys die Vereinbarung zur Übernahme der Constellation Pharmaceuticals für $ 1,6 Mrd. bekannt gegeben, welche bislang von einer Investorengruppe rund um Bain Capital gehalten wurde.

Grifols hat im September 2021 ein Angebot zum Erwerb der verbleibenden 54,52% der Anteile an der Biotest in Dreieich bei Frankfurt für rund € 810 Mio. abgegeben. Damit wäre das Unternehmen, bezogen auf die Planwerte der nächsten 12 Monate, mit einem Umsatz-multiplikator von 3,7x bewertet.

Der größte Deal im Biotech-Segment kam jedoch kurz vor Weihnachten: Um sein Geschäft weiter zu diversifizieren, hat das australische Biopharmaunternehmen CSL Behring die Übernahme der Schweizer Vifor Pharma für $ 11,7 Mrd. angekündigt, was einem impliziten EV/EBITDA Multiplikator von 21,2x (bzw. 6,4x Umsatz) entspricht.

Noch vor Jahresende hat die börsennotierte Medios angekündigt, mit der Übernahme der Mannheimer NewCo Pharma den Bereich der patientenindividuellen Therapien zur Behandlung von seltenen und chronischen Krankheiten weiter ausbauen zu wollen. Der Kaufpreis i.H.v € 118 Mio. (=0,77x Umsatz) konnte mit der kurz zuvor durchgeführten Kapitalerhöhung finanziert werden.

Sektor Medizintechnik, Services & Digital Health

Kurz vor Jahresende veröffentliche Oracle, ein US IT-Unternehmen, die Übernahme von Cerner. Mit Cerner, die im Jahre 2014 den deutschen Marktführer für Krankenhausinformationssysteme Siemens Health Services übernommen hatte, geht ein globaler Healthcare IT-Marktführer an einen klassischen Datenbank-Anbieter, der damit seine Branchenpräsenz deutlich manifestiert. Die Transaktion wurde mit rd. $ 28,3 Mrd. Equity Value bewertet.

Auch das seit Jahren sehr aktive Marktsegment Labordiagnostik konsolidiert sich weiter. Nachdem der Finanzinvestor Antin 2015 die Mehrheit an der amedes-Gruppe übernommen hatte, wurde diese im Sommer 2021 von einem Konsortium, bestehend aus OMERS Infrastructure (Kanada), Goldman Sachs Asset Management und AXA IM Alternatives, weiter gereicht.

Siemens Healthineers hat mit der Übernahme der Varian Medical Systems (rund $ 16,4 Mrd.) seine Aktivitäten im Bereich „Cancer Care“ verstärkt. Siemens Healthineers wird somit zum Komplettanbieter im Bereich Diagnostics, Treatment Management und Care für die Onkologie.

Die französische Curium SAS hat im Mai letzten Jahres die österreichische IASON aus Graz erworben. Dies ist damit die zweite Übernahme eines PET-Radiopharmazieunternehmens durch Curium in diesem Jahr nach der Übernahme der irischen M2i zu Beginn des Jahres. Experten zufolge ist die Konsolidierung in der Branche noch nicht abgeschlossen.

Weiter hoch im Kurs stehen sog. Clinical Research Organisationen (CROs), welche nicht nur für Arzneimittel, sondern auch zunehmend im Medizintechnikbereich klinische Studien im Auftrag Dritter durchführen. ALS hat einen Anteil von 49% an der Neu-Ulmer NUVISAN für rund € 150 Mio. erworben, mit der Option, die restlichen 51% zum 13-fachen EBITDA zu übernehmen. Noch kurz vor dem Jahreswechsel verkauften die operativ tätigen Gesellschafter von Institut Dr. Schauerte 100% der Anteile an die US-amerikanische EMMES Corporation.

Ausblick auf 2022

Vieles spricht dafür, dass die hohe Transaktionsaktivität sich auch im Jahr 2022 fortsetzt. Das makroökonomische Umfeld für Healthcare bleibt weiterhin in Takt, insofern werden Investitionen in diesem Bereich langfristig überdurchschnittliche Renditen realisieren können. Sofern der Krieg in der Ukraine lokal und zeitlich begrenzt bleibt, wird dies für die etablierten internationalen Player im Gesundheitsmarkt hoffentlich nur überschaubare ökonomische Auswirkungen haben.

Getrieben von hohen Kapitalreserven („Firepower“) durch Big Pharma, aber auch zu-nehmend durch Private Equity, ist der Appetit nach Innovation und Transformation weiterhin sehr hoch. Demgemäß sehen wir folgende Treiber für weiterhin starke Transaktionsaktivität:

  • Roll-out und weitere Entwicklungen von COVID-Vakzinen und Therapieformen
  • Produktinnovationen durch neue Technologien, Wirkstoffe und effizientere bzw. ressourcenschonendere Produktionsmethoden
  • Transformation internationaler Wertschöpfungsketten hinsichtlich Digitalisierung und regionaler Versorgungsicherheit
  • Aufspaltung diversifizierter Konzerne

Diese Transformationsprozesse, sei es durch organische oder anorganische Maßnahmen, wird nach unserer Prognose viele Akteure vor große Herausforderungen stellen. Daraus ergeben sich aber auch Chancen. Sollten Sie an einem unverbindlichen Gespräch über die Möglichkeiten im Bereich Zukauf oder Verkauf von Unternehmen oder Betriebsteilen interessiert sein, so sprechen Sie uns gerne jederzeit an!

Magnus Höfer (Partner): hoefer@steinbeis-finance.de

Magnus Höfer hat Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der University of Illinois studiert. Er ist seit 2019 Partner bei Steinbeis M&A und für die Bereiche Pharma, MedTech und Digital Health zuständig, nachdem er zuvor viele Jahre lang als u.a. als Geschäftsführer bei GEHE, Kwizda und UTA tätig war. Darüber hinaus fungiert Herr Höfer als Vorstand der Financial Experts Association und Aufsichtsrat bzw. engagiert sich als Business Angel bei innovativen Start-Ups.

Christoph Osterbrink (Partner): osterbrink@steinbeis-finance.de

Christoph Osterbrink ist Diplom-Kaufmann und hat an den Universitäten Marburg und Gießen studiert. Er ist seit 2010 Partner bei Steinbeis M&A mit Fokus auf Healthcare, von 2013 bis 2019 war er zudem Head of Corporate Finance bei einem führenden Krankenhausbetreiber. Neben seiner Tätigkeit bei Steinbeis M&A, ist Herr Osterbrink Gründungspartner bei Steinbeis Consulting Centre Impact Investing, einer Beratungsgesellschaft für nachhaltige, soziale und ökologisch wirkungsorientierte Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Über Steinbeis M&A:

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Steinbeis M&A www.steinbeis-finance.de bietet seinen Kunden ein umfangreiches und professionelles Beratungs- bzw. Dienstleistungsspektrum in den Bereichen (1) Mergers & Acquisitions (2) Buy-and-Build, (3) Strategy und (4) Capital Advisory, über alle Branchen hinweg. Mandanten sind insbesondere mittelständische Unternehmer, Unternehmen und Unternehmensgruppen im In- und Ausland, aber auch internationale Konzerne, die sich auf dem Mittelstandsmarkt etablieren wollen. Aktuell sind 14 Partner bei Steinbeis M&A tätig, die weit über 200 erfolgreiche Transaktionen in den letzten Jahren abgeschlossen haben. Steinbeis M&A, mit Büros in Frankfurt, Stuttgart, Hamburg, Köln, Berlin, München, Karlsruhe, Wien (A), Zürich (CH), Palma (ES) und London (UK), ist eine unabhängige Beratungsgesellschaft der Steinbeis-Gruppe www.steinbeis.de

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