Die Zeppelin-Andockstation des Empire State Buildings

Ingo Lackerbauer
3 min readNov 4, 2017

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Es ist eines, wenn nicht sogar das herausragende Wahrzeichen New Yorks. Seit Jahrzehnten ragt es stolz gen Himmel und begrüßt jeden New York-Besucher mit seiner majestätischen Architektur. Um das gewaltige Bauwerk ranken sich die unzählige Geschichten, Mythen und Anekdoten. Die Rede ist vom Empire State Building, jenem imposanten Gebäude, das bis heute viele Tausende Besucher täglich anzieht. Und es gibt eine Geschichte, die bis heute fast vergessen scheint — die der unglaublichen Zeppelin-Andockstation des Empire State Buildings.

Das Empire State Building ist ein Wolkenkratzer, der mit Superlativen nur so aufwartet und dessen Anziehungskraft auf Besucher und Einwohner des Big Apples gleichermaßen ungebrochen ist. Mit einer Gesamthöhe von 443 Metern (vom Fundament bis zur Antennenspitze) war das von 1930 bis 1931 in sensationell kurzer Bauzeit errichtete Gebäude, bis zum Jahre 1972 das höchste Gebäude der Welt. Bis heute gilt das Empire State Building als der »Inbegriff eines Wolkenkratzers«, was vor allem auf seine große Resonanz in den Medien zurückzuführen ist. Es gibt unzählige Geschichten rund um das Empire State Building. Ein Faktum ist jedoch nur den wenigsten Menschen bekannt und steht auch in keinem Reiseführer. Es betrifft die den Mast auf dem Dach des Empire State Buildings. Dieser sollte nach den Ideen der Architekten des Wolkenkratzers als Ankermast fungieren, um Luftschiffe daran fest zu machen.

Ein solcher Ankermast war notwendig, um Luftschiffe zu verankern, damit sie bei Wind nicht abtrieben, egal ob sich der Ankermast auf freiem Feld, einem Schiff oder auf einem Wolkenkratzer, wie dem Empire State Building, befindet. Der Vorteil eines Ankermastes wird schnell klar: Indem man ein Luftschiff an einem Ankermast festmacht, kann sich das Schiff frei um diesen herum bewegen und in den Wind drehen. Dies minimiert die Windlasten um ein Vielfaches, die auf den Ankermast einwirken.
Der Ankermast des Empire State Building war so gigantisch ausgelegt, dass er einen Zug von mehr als 50 Tonnen von der Luftschiffverankerung hätte aushalten können. Die 86. Etage sollte als Abflug-Lounge mit Ticket-Schalter sowie als Zollstation dienen. Einmal angedockt sollten ankommende Passagiere an der Spitze des Luftschiffes über schmale, schwindelerregende Landungsbrücke in den Mast des Empire State Buildings einsteigen. Anschließend hätte die Passagieren einen »Abstieg« zu Fuss über eine enge Wendeltreppe zwanzig Stockwerke nach unten steigen müssen, um die Aufzüge zu erreichen. Abfliegende Passagiere und Kofferträger mussten den Weg genau andersherum beschreiten — eine schweißtreibende Angelegenheit! Dies war jedoch nicht der Grund , warum vom Empire State Building niemals reguläre Luftschiffe im Liniendienst angedockt oder abgeflogen sind. Vielmehr waren es massive Sicherheitsbedenken, die ein Andocken verhinderten.

Sicherheitsaspekte lassen das Projekt scheitern

Bei der Konstruktion des Ankermastes auf dem Haupt des Empire State Buildings wurde ein Fakt nicht bedacht — Luftschiffe sind eine träge Angelegenheit, was deren Manövrierfähigkeit betrifft. Zudem entstehen durch die dichte Bebauung Manhattans, wo das Empire State Building steht, immer wieder extreme Windturbulenzen, die einem Luftschiff schwer zu schaffen gemacht hätten — besonders dann, wenn es um ein zentimetergenaue Andockmanöver ginge. Die Zeppeline hätten ohne Verankerung am Heck in den Windböen leicht einen »Kopfstand« machen können mit katastrophalen Konsequenzen. Ein anderer Aspekt betraf den Auftriebsausgleich und Trimmung damaliger Großluftschiffe, die hierfür Ballast in Form von Wasser und Gas abließen. Diese mitunter viele hundert Liter Wassers hätten sich auf einen Schlag in die Häuserschluchten New Yorks ergossen — ein Gefahrenrisiko, das die Erbauer des Empire State Buildings schlichtweg vergessen hatten.

Es blieb daher lediglich bei einigen Annäherungsversuchen amerikanischer Marineluftschiffe an diesen Ankermast. Das Landemanöver eines Zeppelins fand in der Tat niemals statt. Eine Gefährdung der Passage des Luftschiffes, sowie der Passanten rund um das Empire State Building wäre zu hoch gewesen. Heute dient der Mast des Empire State Building als Standort für Sendeanlagen und Mobilfunkantennen.

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