Über alles kann man reden. Nur nicht über Geld.

Sobald das Thema Geld ins Spiel kommt, kann man Menschen schnell die Laune verderben.

Iwona Laub
3 min readJul 23, 2015

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Nicht nur einmal ist es mir passiert, naiv wie ich bin, dass sogar Freunden und besseren Bekannten bei der Frage nach dem Gehalt kurzzeitig der Atem stockte, oft gefolgt von einer merkwürdig langen Pause. In dieser Pause überlegen sich die Gefragten meist, mit welcher Ausrede sie der Frage am besten ausweichen könnten. Einige fühlen sich sogar regelrecht beleidigt, wenn man ihnen diese Frage stellt, total entsetzt über diese Frechheit.
Und ich stelle sie trotzdem immer wieder. Nicht, weil ich Buch führe über die Gehälter meiner Freunde und Verwandten, sondern weil ich oft einfach keine Vorstellung davon habe, wie viel man in bestimmten Jobs oder Positionen verdient. Es ist wirklich Naivität, Interesse und Neugier. Total wertfrei und ohne jegliche böse Absicht.

Beantworten mag diese Frage kaum jemand und es interessiert mich seit einiger Zeit brennend, warum es den Menschen so schwer fällt, einfach zu sagen, was sie verdienen. Nach dem Kontostand und den Ausgaben frage ich ja nicht, was natürlich ein legitimer Grund wäre, nicht zu antworten.

Peinlichkeit und Neid

Ich habe mich darüber auch schon mit vielen Freunden und auch auf Twitter mit einigen Followern unterhalten, beides führte meist zu einem Ergebnis: Die Menschen sprechen aus mehreren Gründen nicht über Geld.

  • Es ist ihnen peinlich, wie viel sie (nicht) verdienen und deshalb unangenehm, darüber zu sprechen.
    Offenbar gibt es immer wieder Menschen, die das herablassend kommentieren. Beispiele: “Für das Geld würde ich mich aber nicht so abrackern wie Du” oder “Ich dachte immer, man verdient mehr in dieser Branche”, “Dafür würde ich nicht mal aufstehen!” etc.
  • Neid der anderen.
    Zu einem Teil verstehe ich das Argument, denn wir alle wissen, dass Neid etwas sehr Hässliches ist, das aus Menschen wahre Monster machen kann. Aber ist es eigentlich wirklich mein Problem, wenn jemand anderer neidisch auf mich ist?
    Eigentlich müsste man meinen, nein. In Wirklichkeit ist es aber so, dass diese Personen ebenfalls nicht davor zurückschrecken, ihre Meinung entweder gleich kundzutun oder hinterrücks loszulassen. “Der verdient 5000 Euro Brutto, dabei macht der den ganzen Tag nix” oder ähnliche Sprüche sind nicht angenehm zu hören. Ich finde ja auch, dass Neid etwas sehr österreichisches ist. Man gönnt dem anderen nichts, sofern man es selbst nicht auch hat.
  • Keine falschen Vorstellungen auslösen
    Von einigen habe ich schon nette Summen gehört, die man aber immer in Relation sehen muss: Wie lange ist die Person schon in der Firma, welche Zusatzausbildungen hat sie, was qualifiziert sie besonders und warum ist dieser Mensch diesem Unternehmen so viel wert? Das sehen viele nicht und denken sich: “Leiwand, ich werde jetzt XY und dann verdiene ich auch so viel”, deshalb beantworten betroffene Besserverdiener diese Frage selten.
  • Erziehung
    Das Thema Geld wurde auch im Elternhaus gekonnt ausgelassen, man hat von früh auf gelernt, nicht über Geld zu reden. Aber angelernte Gewohnheiten und Verhaltensweisen kann man ja glücklicherweise auch wieder verlernen.

Entmystifizierung

Da wir jetzt nun in etwa wissen, warum ungern über Geld gesprochen wird, können wir uns fragen, warum es überhaupt wichtig ist, über Geld zu sprechen.

  • Transparenz
    Wer nicht weiß, wie viel der Kollege oder die Freundin im selben Job, aber einer anderen Firma, verdient, wird niemals Ungerechtigkeiten aufzeigen können. Das spielt dem Arbeitgeber in Österreich besonders in die Hände: Es ist egal, wenn der eine mehr als der andere bekommt, weil sie sowieso nicht darüber sprechen werden.
  • Das Mystische
    Immer wenn etwas tabuisiert oder geheimnisvoll behandelt wird, ist es besonders interessant und bekommt einen hohen Stellenwert. Klar ist Geld wichtig für jeden von uns. Der eine hat mehr, der andere hat weniger. Aber darüber zu reden und es zu entmystifizieren könnte sich auch positiv auf die gesellschaftliche Einstellung zum Geld auswirken.
  • Keine Überraschungen
    Das ist jetzt vielleicht ein etwas weit hergeholtes Beispiel, aber wenn ich weiß, dass ein Teil meiner Freunde weniger oder mehr verdient als ich, verstehe ich viele Entscheidungen, Ziele und Verhaltensweisen von ihnen deutlich besser.

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Iwona Laub

Food practitioner. Lifelong writer. Certified troublemaker. Future teen idol. Wine lover.