Die Verlogenheit der Männer in der Flüchtlingsdebatte

Iwona Laub
3 min readOct 7, 2015

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Immer wenn es um das Thema Integration im Zusammenhang mit Flüchtlingen geht, kommt früher oder später ein Argument bzw. eine Aussage, die in mir immer ein Augenrollen verursacht. Meistens erklären uns irgendwelche wichtigen Männer* in irgendwelchen Medien, dass es für eine gelungene Integration wichtig und unverhandelbar sei, dass muslimische Männer die Rechte der Frauen in unserem Land bzw. unserem sogenannten “Wertesystem” zu akzeptieren haben.

Erstaunlich ist für mich vor allem die Beobachtung, dass diese Sätze meist von Männern kommen, die sich in ihrem sonstigen Umfeld und ihrer Vergangenheit zum Thema Frauenrechte nur selten bis gar nicht geäußert haben. Ich finde es deshalb verlogen, die Wichtigkeit der Frauenrechte, für die sie nicht mal im Ansatz eingestanden sind, als Argument in der Integrationsdebatte und erst recht als Argument gegen Flüchtlinge zu verwenden — und zu missbrauchen. Und wie Twitter-User @lasersushi richtig anmerkt: “[Es] ist eine [gezielte] Strategie der Rechtskonversativen, feministische Töne für sich umzudeuten.”

Natürlich könnte man damit argumentieren, dass vielleicht in genau solchen Situationen diesen Personen erst bewusst wird, wie wichtig dieses Thema ist. Da sich die Diskussion aber meist um ein einziges Thema dreht, nämlich das Kopftuch, kann ich diese Argumentation nicht gelten lassen. Es ist völlig irrelevant für die meisten, ob muslimische Männer ihre Frauen in die Gesellschaft integrieren lassen. Es geht ihnen vor allem darum — und das ist ja das Lächerliche daran — , dass “unsere Frauen nicht eines Tages Kopftuch tragen müssen”. Erstaunlich ist zudem der Sprachgebrauch von “unsere Frauen”, als seien sie Teil oder Accessoire von etwas anderem und keine eigenständigen Personen, die für sich selbst sprechen können. Ich habe diese aberwitzige Position bisher nur von Männern und von keiner einzigen Frau gehört. Zufall kann das ja nicht sein.

Dass muslimische Männer ein anderes Bild der Frau haben, mag sein. Viele, wenn nicht sogar die allermeisten, wissen, dass die Rolle der Frau in der westlichen Welt eine andere ist und das zu respektieren ist. Ich bin mir sicher, dass kein muslimischer Mann fordern wird, dass Österreicherinnen jetzt auch ein Kopftuch tragen müssen. Das ist absolut lächerlich, zumal die meisten muslimischen Männer ohnehin nur muslimische Frauen heiraten und somit Österreicherinnen mit ihren komplett anderen Weltanschauungen in dieser Hinsicht nicht in Betracht ziehen. Das ist eine rein religiös motivierte Angelegenheit, die vielleicht auch mit Tradition einhergeht. Es steht uns nicht zu, darüber zu urteilen. Jede Frau sollte für sich selbst entscheiden können, ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht. Und sollte sich eine Österreicherin, aus welchem Grund auch immer, dazu entscheiden, so ist das genauso zu akzeptieren.

Unverhandelbar ist natürlich die Akzeptanz der Eigenständigkeit der Frau. Es muss bewusst gemacht und darüber informiert werden, dass Frauen ein Recht auf ein eigenes Leben haben, in das sich ein Mann nicht einzumischen hat. Eine Frau kann arbeiten oder zuhause bleiben. Sie kann ausgehen und tanzen und ja, sie kann Geschlechtsverkehr mit wem und wann sie will haben und sie darf sich anziehen wie sie möchte. Sie darf mit dem Auto fahren und ohne männliche Begleitung einkaufen.

Wenn man dann aber schon dabei ist, muslimischen Männern und Einwanderern diese Sachen zu erzählen, liebe Männer, so erzählt ihnen bitte auch, dass Frauen bei uns für die gleiche Arbeit weniger verdienen, eigentlich so gut wie gar keine Chance haben, eine höhere Position in Unternehmen zu bekommen, in der Politik für sie statt mit ihnen über ihre Belange entschieden wird und sie sich immer noch zum Großteil um Haushalt und Kinder kümmern müssen. Man kann den Einwanderern auch erklären, dass Frauen bei uns über ihr Sexualleben selbst entscheiden, aber über 74% aller Frauen irgendwann in ihrem Leben sexuell belästigt werden und ein Drittel aller Frauen sexueller Gewalt zum Opfer fallen, jede fünfte Frau sogar schwere sexuelle Gewalt erleben muss. Man kann ihnen auch sagen, dass 50% aller Fälle sexueller Belästigung an öffentlichen Orten passieren und dass nur die wenigsten Täter überhaupt angezeigt, geschweige denn ihre Fälle verfolgt oder sie verurteilt werden.

Wenn man Flüchtlingen aber danach immer noch glaubhaft versichern kann, dass Frauen bei uns die gleichen Rechte und dieselbe Lebensqualität genießen wie Männer, ist man ein wahrer Künstler, möchte ich meinen.

*antifeministische Männer und antifeministische Frauen, wobei ich hier aus meiner persönlichen Erfahrung spreche und dies bisher nur von Männern gehört habe

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Iwona Laub

Food practitioner. Lifelong writer. Certified troublemaker. Future teen idol. Wine lover.