Nein, die GEMA will kein Seniorensingkränzchen killen

Moritz Jaeger
3 min readMay 12, 2015

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Ach die GEMA. Ein so schönes Ziel, da muss man nicht unbedingt noch journalistische Sorgfalt oder Recherche beachten, wenn man einen spritzigen, klickhungrigen Artikel schreibt. Dachten sich wohl auch die Schleswiger Nachrichten als sie den Artikel “ Gema verlangt Gebühren fürs Volkslieder-Singen” schrieben und darin eine Mär der bösen Organisation spannen, die armen älteren (teilweise dementen (nicht von mir, das musste wohl in den Artikel rein um die Tränendrüsen zu drücken)) Herrrschaften ihre letzte Freude nehmen will.

Ich erlaube mir den Spaß und schicke eine zweizeilige E-Mail an die GEMA-Pressestelle. Inhalt “Ist da was dran? Link zum Text”. Also nicht wirklich die hohe Kunst der Recherche, jeder Journalist kann das nebenbei von seinem Smartphone aus erledigen. Auf dem Weg zur Kantine. Oder zum Klo.

Hier die Antwort, erhalten knapp eine Stunde später von der Leiterin der GEMA-Kommunikation:

Hallo Herr Jaeger,

Die im Artikel beschriebene Veranstaltung wurde als „Volksliedersingen im Café im Feld in Fahrdorf um 15:30 Uhr“ in einer regionalen Zeitung inseriert. Solche Inserate stellen schon seit Jahrzehnten eine wichtige Informationsquelle dar, um die öffentliche Nutzung urheberrechtlich geschützten Repertoires festzustellen und so die Rechte unserer Mitglieder wahrzunehmen.

In dem oben genannten Inserat gab es jedoch keine Informationen über die Art des Treffens oder das Alter der Teilnehmer. Um mehr über die Art der Veranstaltung zu erfahren hat die zuständige GEMA Bezirksdirektion Hamburg Kontakt zur Inhaberin des Cafés hergestellt. Sie wurde über den Grund der Kontaktaufnahme aufgeklärt und ihr wurden ein Meldebogen als auch eine Musikfolge zur Verfügung gestellt, um die dargebotenen Titel bezüglich der Schutzfähigkeit der Volkslieder prüfen zu können. Dies entspricht den Basisanforderungen dessen, was ein Veranstalter von Live-Musik-Veranstaltungen uns gegenüber leisten sollte. Weder der Meldebogen noch eine ausgefüllte Titelliste wurden bis heute an uns versendet.

Aus diesem Grund wurde am 28.04. die jetzt in der Öffentlichkeit diskutierte Rechnung in Höhe von EUR 24,13 gestellt.
Wir bedauern es sehr, dass sich Frau von Assel nach Erhalt der Rechnung nicht an uns, sondern direkt an die Presse gewendet hat.

Erst aufgrund der jetzt veröffentlichten Berichterstattung in den Schleswiger Nachrichten haben wir jedoch erfahren, dass es sich bei dem „Sing-Treff im Café Fahrdorf“ um ein nicht-öffentlichen Sing-Treffen handelt.
Diese Information lag uns bislang nicht vor. Daher werden wir die Rechnung gegenüber der Veranstalterin stornieren. Zudem werden die Kollegen der Bezirksdirektion Hamburg noch einmal da Gespräch suchen um unser Anliegen zu erklären und die Veranstalterin darin zu bestärken, auch zukünftig den „Sing-Treff“ durchzuführen — sofern er weiterhin nicht-öffentlich organisiert wird und/oder sich nicht-geschütztem Repertoire bedient.

Eine Stellungnahme wurde zudem auf gema.de<http://gema.de> veröffentlicht und den Kollegen der Hotline zur Verfügung gestellt:https://www.gema.de/fileadmin/user_upload/Gema/gema_information_seniorensingen.pdf

Also, alles halb so wild. Wie damals, als die GEMA angeblich Kindergärten abkassieren wollte (wollte sie nicht). Oder als es wegen der GEMA angeblich keine Live-Bilder mehr vom Maidan gab (gab’s schon).

Versteht mich nicht falsch, ich bin der Meinung, dass Urheberrecht und Verwertungsgesellschaften (egal ob GEMA oder andere) nicht mehr wirklich zeitgemäß sind und überarbeitet werden sollten (wegen des Internets und so).

Aber wenn es eine Zeitung nicht schafft, so ein offensichtliches Thema ordentlich zu recherchieren, wie kann ich ihr dann trauen, dass sie die schwierigen Themen sauber angeht?

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Moritz Jaeger

German Journalist, writing about ITSec, Gadgets, Politics and other Stuff. Want to chat? Send a tweet @jagermo