Ein Mann sollte in seinem Leben einen Baum gepflanzt haben…

Juergen Raich
4 min readJun 7, 2017

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Der Sinn des Lebens quasi: Baum, Haus, Kind! Auch sollte ein richtiger Mann einmal etwas zerlegt und nicht mehr funktionsfähig zusammengebaut haben, aber das dient wohl eher pädagogischen Zwecken. Das Haus stand vor dem Gartenprojekt und dazu, wie man ein Kind zeugt, möchte ich an die Experten auf einschlägigen Partnervermittlungs- und Video-Portalen verweisen.

Zum Baum kann und will ich etwas sagen. Genauer zum Hausbaum! Er sollte mächtig und stark sein, um dem schönen neuen Häuschen einen gebührenden Rahmen zu bilden, trägt er doch erheblich zum Erscheinungsbild (quasi “Hausmarke”) des eigenen Grundstücks bei. Charakter sollte er haben und eine Bedeutung wäre nicht schlecht. Tradition kann ein hervorragendes Argument sein, eventuell noch Früchte tragen? Halbwegs schnell eine stattliche Größe erreichen, damit nicht erst die Enkel Freude daran haben, aber insgesamt nicht zu ausladend werden. Niemand hat Lust auf jährliche Kletterübungen in 20 Metern Höhe mit einer laufenden Kettensäge um den Hals. Und nicht zuletzt darf er das Budget nicht sprengen! Ich habe auch mit dem Gedanken gespielt eine junge Allee-Linde von der Hauptstraße auszugraben um nicht warten (und zahlen) zu müssen.

Diese und noch viele andere Argumente haben wir uns durch den Kopf gehen lassen und auf folgende Liste destilliert:

  • Keine süßen, dunklen Früchte (wegen Wespen und weißer Fassade)
  • Keine zu dichte Krone
  • Guter Wuchs in den ersten Jahren
  • Mindestens eine ausgefallene / besondere Eigenschaft sollte er haben (Farbe, Herkunft, Wuchs…)
  • Anständige Größe schon beim Kauf
  • Leistbar
  • Winterhart wär nicht schlecht…

Kirsche fiel wegen der roten Früchte durch den Rost, Birnen zogen zu viel Wespen an. Walnuss und Kastanie machen zu dunkel. Ursprünglich hatte ich noch den Anspruch, den Garten möglichst mit regionalen Pflanzen zu gestalten um unter anderem Krankheiten und Ungeziefer vorzubeugen. Für einen gartenbestimmenden Hausbaum allerdings war mir Linde zu klebrig und Ahorn sowie Eiche dann doch etwas zu langweilig.

Der erste Streich

Irgendwann stolperten wir bei unserer Recherche über die Amerikanische Roteiche. Dieser Baum erreicht eine stattliche Größe ohne zu dunklen Schatten zu werfen und wächst in den ersten Jahren recht zügig. Er ist zudem einer der prominenten Darsteller im nordamerikanischen Indian Summer und hat ein auffälliges Laub. Der Gärtner unseres Vertrauens konnte uns tatsächlich auch noch ein bezahlbaren Angebot machen und wir bestellten zu ein paar Apfelbeeren, Felsenbirnen und Cornelkirschen tatsächlich ein 3,5 m hohes Exemplar. Bis zum Leifertermin fielen uns in Parks und Gartenanlagen immer mehr dieser Bäume auf und schürten unsere Erwartungen. Fast täglich stellten wir uns mit einem langen Pfahl in den Garten um den perfekten Standort zu finden — bloß nicht die Aussicht verbauen!

Der Baum kam, wurde gepflanzt und sah super aus. Der Standort war “fast” perfekt, nur etwas weit weg vom Sitzplatz und wir stellten 3x am Tag den großen Sonnenschirm um. Das Problem der Beschattung würde ein einzlener Baum so nicht lösen.

… doch der zweite folgt sogleich

Weil wir die Eiche wirken lassen wollten, war das Thema Hausbaum vorerst abgehakt und wir kümmerten uns um anderes — z.B. Eine alternative Beschattung zur Markise. Bei einem zufälligen Gespräch erwähnte mein Vater, dass hinter seinem Glashaus eine Akazie wild gesprossen sei (bereits über 5 m hoch ?!) und demnächst “entsorgt” würde. Das könnte allerdings den sommerlichen Lichteinfall ins Wohnzimmer und auf die Veranda empfindlich stören, quasi Klimaverändernd wirken.

Es folgten Beratung über Standort — diesmal primär durch den Sonnenstand geprägt — und Überlegungen zum Transport. Im schlimmsten Fall lege ich ihn in ein paar Jahren wieder um oder er geht beim Umpflanzen schon ein. Also fand ich mich kurz darauf gemeinsam mit meinem Vater in einem kreisrunden Graben um ein Bäumchen mit guten 20 cm Stammumfang wieder bei dem Versuch das “Unkraut” aus der Erde zu hebeln. Und tatsächlich, um ein paar Wurzeln kürzer, mit ausgespültem und nass eingepacktem Ballen auf einen Bootsanhänger gebunden trat die Pflanze die mit Sicherheit weiteste Reise ihres Daseins an und wurde 30 km weiter in ein Loch gesetzt und an einen Pfahl gebunden. Naja, besonders ist das Bäumchen jedenfalls und trotz einer beachtlichen Größe erschlägt es dankt lichter Krone den Garten nicht komplett. Und noch einen Vorteil hat der Hundling: Dank 5–10 cm langer, messerscharfer Dornen in der Krone klettert sicher niemand ungestraft an ihm auf das Garagendach.

Das Resultat des Ganzen ist ein zweiter “Hausbaum”. Gleich groß, ebenfalls auffallend und das Grundstücksbild ebenso charakterisierend wie die sehr bewusst ausgewählte Eiche, prägt diese Akazie den Gesamteindruck und gibt etwas von dem unkontrollierten Charme seiner Errungenschaft und dem Zufall wieder. Zumindest wenn man die Geschichte kennt. Ansonsten erfüllt sie perfekt ihren Zweck!

Originally published at Drecksarbeit.

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