#Menbashing in 3, 2, 1…

Julia Wenzel
4 min readOct 25, 2017

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Warum es uns nichts bringt, Männer pauschal als Belästiger zu verurteilen.

In den letzten Tagen habe ich mir, wie sicher viele andere meiner Freundinnen und Kolleginnen, so meine Gedanken über sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Gewalt gemacht. Ich habe mich selbst gefragt, welche Erfahrungen ich damit gemacht habe und ob der Hashtag #metoo für mich zutrifft. Am Ende entschied ich mich dagegen, meine Erfahrungen öffentlich zu machen. Warum? Vielleicht weil ich dachte, damit all meine männlichen Freunde, Verwandten und Kollegen pauschal zu attackieren und ihnen das Gefühl zu geben, sie seien mitschuldig an dem, was mir andere Männer eventuell angetan haben.

Die Beiträge im Forum des heute veröffentlichten Artikels von Beate Hausbichler (Warum Frauen reden und Männer nachdenken sollen) haben mich erneut zum Nachdenken gebracht. Wie sinnvoll kann es sein, die Männer in der Diskussion pauschal zu verurteilen? “Die Männer” als homogene Gruppe existiert nicht, genauso wenig wie “die Frauen”. Die Geschlechter nun gegeneinander auszuspielen, die eine Seite als Gewalttäter, die andere als Opfer, verhindert etwas, das mir als absolut notwendig erscheint: Die gegenseitige Solidarisierung im Kampf gegen sexuelle Gewalt.

Eines soll klar gestellt sein: Sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch ist indiskutabel — die Täter zu benennen, sie anzuzeigen und ihrer gerechten Bestrafung zuzuführen steht außer Frage. Eine Opfer-Täter-Umkehr, die die Männer in Schutz nehmen soll, ist keine Alternative. Dennoch finde ich es notwendig, zu differenzieren. Nicht jeder Mann, der sich schon einmal falsch verhalten hat, ist ein notorischer Belästiger. Und nicht jeder Mann, der Belästigungen von anderen Männern wahrgenommen und toleriert hat, verachtet Frauen. Zudem sind viele Männer selbst von Belästigungen betroffen. Diese ist nämlich keine Frage des Geschlechts, sie betrifft uns alle. Wenn wir das Problem als gesamtgesellschaftlichen Missstand bekämpfen wollen, müssen wir aufhören, Opfer und Täter entlang der Geschlechtergrenzen zu definieren. Wir alle sind Opfer, wir alle können aber auch zu Tätern werden.

2016 wurden in Österreich insgesamt 5253 Sexualdelikte angezeigt. Darunter fielen auch Missbrauch von Unmündigen und Kinderpornographie. Den starken Zuwachs an Anzeigen im Vergleich zu vorherigen Jahren erklärt der sogenannte “Po-Grapsch-Paragraph”: Jene gesetzliche Regelung, die seit 1. Jänner 2016 auch ungewünschtes Berühren an bestimmten Körperteilen strafrechtlich relevant macht. Strafbar ist, wer „eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt“. Die Formulierung “intensiv” soll vermeiden, dass auch enges Tanzen und dergleichen strafbar ist.

Die dafür verantwortlich zeichnende Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek wurde zuvor jahrelang belächelt, für eine derartige Regelung zu kämpfen. Nach der Kölner Silvesternacht zum Jahreswechsel 2015/16 verstummte jedoch das Lachen. Einen Tatbestand unter Strafe zu stellen, der hierzulande bisher oft zu gern als Bagatelle abgetan wurde, erschien nun plausibel und legitim.

Doch das Problem beschränkt sich nicht auf die Kategorie Mann oder ausländisch. Viel zu einfach wäre es, die Diskussion auf deren fehlendes kulturelles Verständnis der Beziehung zwischen Mann und Frau in unserer Gesellschaft zu reduzieren. Wie mit der Affäre um Weinstein u.a. nun wiedermal all zu offensichtlich wird, ist die Herkunft völlig irrelevant und unabhängig davon, dass es überall, Männer (und Frauen) gibt, die ihre Machtposition ausnutzen, um sexuelle Handlungen zu erzwingen. Ob in Hollywood, dem EU-Parlament oder in der Chefredaktion der Wiener Zeitung. Der einzige Unterschied zu vorangegangenen Diksussionen ist der, dass plötzlich Frauen in prestigeträchtigen Positionen — Schauspielerinnen, Politikerinnen, Journalistinnen — ihre Stimmen erheben. Ihre als wichtig angesehene gesellschaftliche Position bedingt das Ausmaß der Empörung.

Am Beispiel des von Heinisch-Hosek erkämpften Paragraphs wird allerdings sehr deutlich, wie unsachlich der Diskurs über sexuelle Belästigung, sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch geführt wurde und wird, vor allem dann, wenn es um namenlose Frauen als Betroffene geht. Eine gesetzliche Regelung, die Frauen die Möglichkeit gibt, eindeutiges Fehlverhalten zur Anzeige zu bringen, wird polemisch als “Po-Grapsch-Paragraph” verunglimpft. Die spontane öffentliche Reaktion war es, ihn als übertrieben, nicht notwendig und als emanzisches Getue abzutun. Unter dem Motto “Das-wird-man-ja-noch-tun-dürfen” stehlen sich viele vom Eingeständnis ihrer eigenen Schuld davon. Ein weiteres Problem, nämlich das der rein verbalen sexuellen Gewalt, wird mit dem Paragraph ohnehin nicht thematisiert. Auch Worte allein können verletzen, auch sie können zum Ausdruck sexueller Gewalt werden.

Bei all der notwendigen und gerechtfertigten Empörung können wir Frauen aber nur dann ein gesellschaftliches Umdenken erreichen, wenn wir die Männer nicht als Feinde, sondern als Verbündete im Kampf gegen sexuelle Gewalt erkennen. Mir erscheint es in der jetzigen Diskussion als sehr wichtig, nicht auf die Männer zu “vergessen” — wir brauchen sie als Unterstützung.

Emma Watson, als UN Women Goodwill Ambassador, versuchte bereits im Jahr 2014 auf diese Notwendigkeit aufmerksam zu machen. Bei ihrer Rede vor den UN-Delegierten im Zuge ihrer “HeForShe”-Kampagne warb sie dafür, die Männer als Partner im Kampf für Gleichberechtigung und Feminismus zu gewinnen:

https://www.youtube.com/watch?v=gkjW9PZBRfk

Der Kampf für Frauenrechte darf nicht als Synonym für Männerhass missbraucht werden. Umso weniger der Kampf gegen sexuelle Gewalt. Ihr Männer und Frauen, solidarisiert euch!

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Julia Wenzel

Media, Politics, Society. Vienna based. Was mich interessiert wird kommentiert.