Alt gegen Jung

Katharina Gusinovs
3 min readSep 27, 2019

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Ein Wochenende

Photo by Rod Long on Unsplash

Am Freitag, dem 20.09.2019, war der große Klimastreik, bei dem sich vor allem die Jugend auf der Straße versammelte. 1,4 Millionen Deutsche demonstrierten für eine (bessere) Zukunft und etwas, hinter dem sie wirklich stehen. Monatelang wurde jede Anstrengung ihrerseits abgetan. Die Kinder seien zu jung, zu dumm, zu naiv. Jedes Vorurteil gegen Kinder und Jugendliche wurde aufgewärmt, um ihre Meinung zu diskreditieren, aber am Freitag waren es so viele, dass ihre Meinung nicht mehr länger ignoriert werden konnte. Dachte man. Denn das Klimapaket der deutschen Regierung, das diese in einer anscheinend anstrengenden Nachtsitzung ausgebrütet hat, schafft weit weniger Tatsachen, als Friday’s For Future, Wissenschaftler‘innen und viele andere gefordert hatten. Die doch hauptsächlich älteren Politiker’innen der Regierungsparteien scheinen sich weniger um die Zukunft Deutschlands und der nächsten Generationen zu kümmern, als um ihre eigene nach der Politik. Wieder einmal bleibt die Jugend frustriert zurück und darf nun mit einem freundlichen “Ist mir egal, was du denkst” wieder in die Schule oder Universität gehen, um weiter zu lernen und irgendwann vielleicht einmal ernstgenommen zu werden.

Am Samstag, dem 21.09.2019, tauchte bei Twitter ein Video auf, in dem sich ein mittelalter Mann beschwert, dass er geduzt wurde von jemandem, der höchsten seit kurzem ein paar Haare vorzuweisen hat. Anscheinend korreliert die Anzahl der Körperhaare direkt mit dem Respekt, der dieser Person entgegengebracht wird. Er fährt fort und stellt dar, wie er dem Jungen erklärte, dass Klimaschutz zu teuer sei, nicht menschengemacht und er es noch bereuen würde, wenn er 18 ist. Kann man machen, ist aber nicht sehr respektvoll, gerade wenn man für sich Respekt einfordert. Scheinheiligkeit wird gerade im Umgang mit Jüngeren von Älteren gerne großgeschrieben. Respekt betrifft immer beide Seiten und ältere Generationen haben sich nicht zwingend welchen verdient.

Am Sonntag, dem 22.09.2019, saß ich in der Bahn und ein Bettler kam vorbei, um nach Geld für Essen zu bitten. Der alte, weiße Mann im Vierer neben mir antwortete darauf nur mit “Sie wissen, dass das verboten ist?” und ließ sich auch durch ein “Aber ich möchte nicht klauen” nicht erwärmen. Mein Mann und ich waren davon so verstört, dass wir aus Prinzip dem nächsten Bettler, der vorbeikam, Geld gaben. Für den alten, weißen Mann ein Grund uns zu erzählen, dass wir das nicht hätten tun sollen. Daraus ergab sich eine Diskussion, aber als junge Frau waren meine Argumente nicht viel wert. “Ich glaube, wir reden aneinander vorbei”, sagte er an einem Punkt. Vielleicht sind wir auch einfach anderer Meinung. Der Mann war es anscheinend gewohnt, auf andere herabzublicken und fühlte sich nicht nur mir, sondern auch seiner Frau gegenüber überlegen. Diese wurde mit einem unironischen “Sitz!” aufgefordert, wieder Platz zu nehmen, als sie ihre Jacke aufhängte. Respekt scheint für manche wirklich nur in eine Richtung zu existieren. Die ihre.

Diese drei Vorfälle an einem Wochenende stehen stellvertretend für so viele Situationen, in denen die jüngere Generation und vor allem ihre Meinung nicht respektiert wird, und sollen zeigen, dass diese Respektlosigkeit älterer Generationen leider Alltag ist. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass in Zukunft alles besser wird, weil meine Generation vieles richtig zu machen scheint. Aber nur falls bis dahin nicht alles für uns durch Vertreter’innen der älteren Generationen zerstört wurde, die sich lieber um Respekt und Geld kümmern, als um die Zukunft aller. Dieser Text soll auch nicht den momentanen Kampf von Jung gegen Alt und Alt gegen Jung befeuern. Wenn wir alle mehr Respekt und Toleranz aufbringen könnten und zusammen- statt gegeneinander arbeiten würden, könnten wir diverse Probleme sehr schnell und schmerzfrei lösen. Aber dafür müsste man auch den jüngeren Generationen zugestehen, dass sie eine Meinung haben (dürfen) und diese valide ist. Mit Respekt versteht sich.

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Katharina Gusinovs

…schreibt meist Gedichte & Essays, die u.a. ihre chronische Erkrankung thematisieren. Darüber hinaus ist sie Sprecherin, Redakteurin &Produzentin für Podcasts.