Die unausgewogene Anpassung von Muskel und Sehne als Risikofaktor für Sehnenerkrankungen bei jugendlichen Athleten

KINGS Blog
3 min readDec 8, 2017

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Geschrieben von Falk Mersmann, Sebastian Bohm & Adamantios Arampatzis

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Hintergrund. In unserem Bewegungssystem kommt der Sehne die Aufgabe zu, die vom Muskel generierte Kraft auf das Skelett zu übertragen. Steigt im Zuge eines sportlichen Trainings oder durch die körperliche Reifung die Muskelkraft, muss sich auch die Widerstandsfähigkeit der Sehne erhöhen, damit die Beanspruchung der Sehne unverändert und das Gewebe trotz größerer Belastung unversehrt bleibt (siehe Abb. 1). Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Sehne so schnell an Belastungen anpassen kann wie der Muskel. Darüber hinaus müssten die Belastungsformen, durch die der Muskel kräftiger bzw. die Sehne widerstandsfähiger gemacht werden können, identisch sein. Bei Athleten im Kindes- und Jugendalter wirkt zudem die körperliche Reifung als zusätzlicher Faktor auf die Entwicklung des Muskel- und Sehnengewebes. Könnte sich dadurch das Risiko erhöhen, dass die Balance aus Muskelkraft und Widerstandsfähigkeit der Sehne gestört und die Beanspruchung der Sehne erhöht wird?

Abb. 1. Steigt die Kraft, die ein Muskel auf die Sehne ausübt, ohne eine entsprechende Anpassung der Widerstandsfähigkeit der Sehne, erhöht sich die Beanspruchung des Sehnengewebes bei maximalen Muskelanspannungen (links), und damit das Verletzungsrisiko. Bei einer ausgewogenen Adaptation hingegen bleibt die Beanspruchung der Sehne bei maximalen Kontraktionen des Muskels trotz höherer Belastung konstant (rechts).

Antwort. Tatsächlich ist die Erneuerungsrate des Sehnengewebes um ein vielfaches niedriger als die des Muskels [1]. Daher zeigt sich auch eine im Vergleich zum Muskel verzögerte Anpassung an erhöhte Belastung [2]. Dabei spielt auch die Art der Belastung eine entscheidende Rolle. Während die Muskelkraft auch durch Training im mittleren Intensitätsbereich [3] oder Sprungtraining [4] effektiv gesteigert werden kann, sind diese Belastungsformen eher ungeeignet um die Widerstandsfähigkeit von Sehne zu erhöhen [5,6]. Der im Jugendalter rapide ansteigende Sexualhormonspiegel fördert zudem die Trainierbarkeit des Muskels, während die Effekte auf die Sehne noch eher unklar sind [7]. Die konsequente Schlussfolgerung, dass sich bei jugendlichen Sportlern aus Sprungdisziplinen Muskel und Sehne im Trainingsprozess unausgewogen entwickeln können, konnte kürzlich bestätigt werden [8]. Ein Zusammenhang zu der Häufigkeit von Überlastungsbeschwerden der Sehne in diesen Disziplinen ist auf der Basis der aktuellen Studienlage als sehr wahrscheinlich anzunehmen [9].

Handlungsempfehlung. Es ist möglich die Widerstandsfähigkeit der Sehne gezielt zu fördern. Eine entsprechende Vorbereitung von Phasen erhöhter Belastung oder ein saisonbegleitendes Training könnte so die Verletzungsanfälligkeit senken. Trainieren kann man eine Sehne nur durch wiederholte Muskelanspannungen. Diese sollten wie folgt charakterisiert sein:

  • hoch-intensive Beanspruchung (~85–90% des isometrischen willkürlichen Maximums)
  • Anspannungsdauer von ~3 s (im hohen Intensitätsbereich)
  • 3–4 Mal wöchentlich 5 Sätze mit 4 Wiederholungen
  • die Arbeitsweise des Muskels (isometrisch, konzentrisch, exzentrisch) ist dafür unerheblich

Konkrete Übungshinweise für ein Sehnentraining sind hier [10] und im ergänzendem Material eines aktuellen Reviews [9] zu finden.

Quellen.

1. Heinemeier KM, Schjerling P, Heinemeier J, Magnusson SP, Kjaer M. Lack of tissue renewal in human adult Achilles tendon is revealed by nuclear bomb (14)C. FASEB J. 2013;27:2074–9.

2. Kubo K, Ikebukuro T, Maki A, Yata H, Tsunoda N. Time course of changes in the human Achilles tendon properties and metabolism during training and detraining in vivo. Eur J Appl Physiol. Springer-Verlag; 2012;112:2679–91.

3. Mitchell CJ, Churchward-Venne TA, West DWD, Burd NA, Breen L, Baker SK, et al. Resistance exercise load does not determine training-mediated hypertrophic gains in young men. J Appl Physiol. American Physiological Society; 2012;113:71–7.

4. Sáez-Sáez de Villarreal E, Requena B, Newton RU. Does plyometric training improve strength performance? A meta-analysis. J Sci Med Sport. 2010;13:513–22.

5. Arampatzis A, Karamanidis K, Albracht K. Adaptational responses of the human Achilles tendon by modulation of the applied cyclic strain magnitude. J Exp Biol. 2007;210:2743–53.

6. Bohm S, Mersmann F, Tettke M, Kraft M, Arampatzis A. Human Achilles tendon plasticity in response to cyclic strain: effect of rate and duration. J Exp Biol. 2014;217:4010–7.

7. Hansen M, Kjaer M. Influence of sex and estrogen on musculotendinous protein turnover at rest and after exercise. Exerc Sport Sci Rev. 2014;42:183–92.

8. Mersmann F, Bohm S, Schroll A, Marzilger R, Arampatzis A. Athletic Training Affects the Uniformity of Muscle and Tendon Adaptation during Adolescence. J Appl Physiol. 2016;121:893–9.

9. Mersmann F, Bohm S, Arampatzis A. Imbalances in the Development of Muscle and Tendon as Risk Factor for Tendinopathies in Youth Athletes: A Review of Current Evidence and Concepts of Prevention. Front. Physiol. 2017;8:Article987:1–18.

10. Mersmann F, Bohm S, Arampatzis A. Dsybalancen der Muskel- und Sehnenadaptation. Leistungssport. 2016;46:11–4.

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