Leistung und Gesundheit — eine dynamische Wechselbeziehung
Geschrieben von Holger HW Gabriel & Christian Puta
Hintergrund. Die Gesundheitsperspektive (Abbildung 1) von Kindern und Jugendlichen beinhaltet objektive und subjektive Dimensionen: Gesundheit und Krankheit sind objektiv beobachtbar, Gesundsein und Kranksein hingegen bleiben der subjektiven Bewertung vorenthalten.
Die Leistungsperspektive (Abbildung 1) beinhaltet die objektiv messbare und subjektiv empfindbare Leistung, Leistungsentwicklung. Die Bewertung sportlicher Leistungen erfolgt anhand individueller, sportlicher und gesellschaftlicher Normen.
Frage/Problemstellung. Ein hohes Maß an Gesundheit ist Voraussetzung für den leistungssportlichen Trainingsprozess. Es kann durchaus so sein, dass die punktuell höchste Leistungsfähigkeit mit dem Risiko einhergeht, langfristig gesundheitlich beeinträchtigt zu sein. Leistungssport ist nicht ohne gesundheitliche Risiken. Leistung und Gesundheit stehen demzufolge in einer dynamischen Wechselbeziehung und können ein gelingendes Leben ermöglichen.
Antwort.
- Sowohl die Gesundheitsperspektive als auch die Leistungsperspektive sind im (Nachwuchs)Leistungssport von entscheidender Bedeutung (Abbildung 1). Gesundheit ist nicht nur das Freisein von Krankheit und auch nicht nur Wohlbefinden. Gesundheit ist einerseits eine kleinere oder größere Funktionsfähigkeit in körperlicher, seelischer oder sozialer Hinsicht. Andererseits ist Gesundheit durch einen verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Funktionen gekennzeichnet. Die Bewertung sportlicher Leistungen erfolgt anhand individueller, sportlicher und gesellschaftlicher Normen. Die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen erfordert einen verantwortungsvollen Umgang mit körperlicher, seelischer und sozialer Gesundheit.
- In ihrer Entwicklung sollen Kinder und Jugendliche lernen, mit zunehmenden Alter Schritt für Schritt, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen (Selbstverantwortung). Solange diese Selbstverantwortung nicht noch vollständig ist, müssen andere Personen wie beispielsweise Eltern, Lehrer, Trainer, Ärzte eine stellvertretende Verantwortung wahrnehmen (Fremdverantwortung). Damit verbunden ist zugleich die Fürsorgepflicht und die Pflicht, Schädigungen von den Kindern und Jugendlichen fern zu halten.
- Ein wesentliches Risiko im (Nachwuchs-)Leistungssport ist die (vollständige) Instrumentalisierung der (Nachwuchsleistungs-)Sportler zugunsten fremder Interessen, z.b. ökonomischer, politischer oder gesellschaftlicher Herkunft. Eine solche Instrumentalisierung ist der Gesundheit abträglich und daher zu vermeiden.
- Ein wesentliches Potenzial des Nachwuchsleistungssport liegt darin, die leistungssportliche Lebensweise als einen körperlichen bzw. leiblichen Bildungs- und Reflexionsprozess (“Physical literacy”) zu begreifen und zu gestalten (Gabriel et al. 2016).
Zusammenfassung und Fazit. Eine wesentliche pädagogische Aufgabe im Nachwuchsleistungssport ist das Erlernen des Umgangs mit Verfügbarem, (noch) Unverfügbarem und unverfügbar Gewordenem. Potenziale und Ressourcen des Nachwuchsleistungssports liegen darin, die persönliche Entwicklung als Teil eines lebenslangen körperlichen Bildungs- und Reflexionsprozesses zu erleben und mitzugestalten.
Handlungsempfehlungen. Die Ziele einer gesunden Lebensweise im Nachwuchsleistungssport sind:
1. Verantwortlich Leben gestalten
2. (Leistungs)Grenzen (aner)kennen
3. Gesünder älter werden
Diese Ziele einer gesunden Lebensweise sind nicht auf den Nachwuchsleistungssport beschränkt, sondern sind Lebensübungen, die einen allgemeinen Wert darstellen können.
Quellen.
Gabriel, H., Puta, C., Arampatzis, A., and Granacher, U. 2016. Fazit und Ausblick der KINGS-Studie. Potenziale des Nachwuchsleistungssports für junge Menschen. Leistungssport 46 (6). Philippka Sportverlag: 37-39.