Mut zur Wut: Warum es sich lohnt, die eigene Wutkraft zu befreien

Julia Koch
7 min readAug 17, 2021

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Der Entschluss mich nun tatsächlich hinzusetzen und diesen Artikel zu schreiben fiel in dem Moment, in dem ich wütend wurde. In dem ich die Wut in mir aufsteigen spürte. Wut darüber, dass ich immer noch nicht schreibe. Und diese Wut hat mir nun den Impuls gegeben, aktiv zu werden, meine Handlungskraft zu spüren, mich zu entscheiden, es einfach zu tun. Ohne zu wissen wie. Ich nehme wahr, wie sich nun die Wut mit Freude vermischt. Freude darüber, in Aktion zu sein. Freude darüber, diese Wut überhaupt zu spüren und auch aktiv zu nutzen.

Die alte Landkarte der Wut und ihr unbewusster Ausdruck

Bis vor eineinhalb Jahren war mir überhaupt nicht bewusst, dass ich mein Leben lang meine Wut unterdrückt hatte. Schon als Kind wurde mir von meinem Eltern und anderen Bezugspersonen vermittelt: Wut ist etwas Negatives, Schlechtes — ein Gefühl, das es zu vermeiden gilt, weil es gefährlich, zerstörerisch und unvernünftig ist. Siehst du das auch so? Diese Sichtweise ist in unserer Kultur weit verbreitet. Clinton Callahan, Begründer des Ansatzes „Possibility Management“, bezeichnet sie als die „alte Landkarte der Wut“.

Viele Menschen sind nicht nur überzeugt davon, dass es falsch ist, wütend zu sein, sondern haben auch Angst vor ihrer eigenen Wut und der von anderen. Manche haben schon in der Kindheit erlebt, wie enge Bezugspersonen ihre Wut blind und explosiv an ihnen oder anderen Menschen ausgelassen haben. Und diese Erfahrung wirkt noch immer nach. Und wir alle haben als Kind erfahren, was passiert ist, wenn wir selbst wütend waren. Vielleicht haben wir Ärger oder zumindest genervte Blicke bekommen, wurden ignoriert, mit Liebesentzug bestraft, auf unser Zimmer geschickt, oder wir haben unseren Willen durchgesetzt und uns zu kleinen Tyrannen entwickelt. Wie wurde Wut in deiner Familie bewertet und gelebt? Und welche Schlussfolgerungen hast du daraus für dich gezogen?

In meiner Kindheit hatte Wut keinen Platz in meiner Familie. Ich habe damals gelernt, dass es besser ist, nicht zu fühlen und ein „vernünftiges und nettes Mädchen“ zu sein. Als Jugendliche hatte meine Schwester dann regelmäßige Wutausbrüche. Ein falsches Wort — insbesondere von meinem Vater — und sie ist explodiert wie ein Vulkan. Und er war total überfordert damit, fühlte sich traurig, ohnmächtig und hat keine Grenzen gesetzt. Heute ist mir bewusst, dass beide ihre Wutkraft nicht konstruktiv genutzt haben. Doch damals wurde ich Tag für Tag darin bestätigt, dass es nicht gut ist, Wut zu spüren und ihr Raum zu geben. So habe ich meine Wut weiter unterdrückt. Und war auch als Erwachsene noch stolz darauf, nicht wütend sondern verständnisvoll zu sein. Doch der Preis, den ich dafür gezahlt habe, war hoch. Und das sehe ich erst im Rückblick:

Ich habe später selbst in meinen Beziehungen keine klaren Grenzen gesetzt oder lange Zeit keine wirksamen Konsequenzen gezogen, wenn meine Grenzen ignoriert wurden. Und mich dabei als „Opfer“ oder als „Retterin“ meines Gegenübers gesehen — ohne bewusst Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Es fiel mir auch schwer, Nein zu sagen und Entscheidungen zu treffen. All das hat viel Lebensenergie gekostet. Heute weiß ich: Wenn du deine Wut nicht nimmst, nimmt sie dich. Auf dem einen oder anderen Weg. Wenn wir Wut unterdrücken, ist sie nicht weg. Vielleicht ist sie nach außen still, doch findet sie andere Bahnen. In meinem Fall zeigte sie sich auch durch Zähneknirschen und in Form einer inneren Kritikerin.

Wie ist es bei dir? Was passiert, wenn du dich über jemanden oder etwas ärgerst? Wie äußert sich deine Wut? Schluckst du sie herunter und sagst nichts? Bestrafst du durch Schweigen oder Ignorieren deines Gegenübers? Setzt du einen genervten Gesichtsausdruck auf oder nörgelst herum? Machst du Vorwürfe? Wirst du passiv-aggressiv und machst sarkastische Bemerkungen? Explodierst du irgendwann wie ein Vulkan? Oder nutzt du deine Wut klar, zielgerichtet und konstruktiv?

Wut als Kraftquelle für die bewusste Lebensgestaltung

Durch die Bücher von Clinton Callahan, Friederike von Aderkas und Vivian Dittmar (s.u.) habe ich gelernt: Unsere Wut hat eine Botschaft für uns und ist gleichzeitig eine enorme Kraftquelle, die wir entdecken und nutzen können. Wenn wir uns ärgern, wütend sind, dann stimmt für uns etwas nicht. Ein Bedürfnis wird nicht erfüllt. Doch haben die meisten von uns nie gelernt, bewusst und verantwortungsvoll mit der eigenen Wut umzugehen, um eine Veränderung herbeizuführen. In ihr steckt nicht nur eine Botschaft, sondern auch eine Kraft. Wut birgt ein enormes Potential an Energie, die wir aktiv und verantwortlich nutzen können. Für uns. Unser Leben. Unsere Beziehungen. Für mehr Klarheit, Lebendigkeit und Nähe.

Mit Wut kannst du: Nein sagen, Ja sagen, Dinge starten, Dinge beenden, Dinge ändern, ausmisten und Sachen loswerden, Klarheit schaffen, Ungerechtigkeit erkennen, Grenzen setzen, Integrität aufrechterhalten, Absicht zeigen, Entscheidungen fällen, Versprechen einhalten, Raum halten, aufmerksam sein, dich selbst beobachten, um das bitten, was du willst, für etwas oder jemanden einstehen, schützen und handeln. Das ist die neue Landkarte der Wut.

Als Erwachsene können wir uns dazu entscheiden, uns mit dieser neuen Landkarte der Wut durchs Leben zu bewegen. Wir können unserer Wut in einem geschützten Rahmen begegnen, sie bewusst fühlen und ihre Kraft nutzen. Bei mir begann diese Reise ohne die neue Landkarte in der Hand. Mein damaliger Partner wies mich immer wieder darauf hin, dass er in mir Wut wahrnahm, die ich zu dem Zeitpunkt selbst nicht spürte. Erst dann wurde mir überhaupt bewusst, dass ich meine Wut unterdrückte. Als er mir eines Tages vorschlug, im Wald meiner Wut mit meiner Stimme Ausdruck zu verleihen, habe ich mich auf dieses Experiment eingelassen. Das hat mich ziemlich aus meiner Komfortzone herausgeholt. Und gleichzeitig habe ich mich dabei so lebendig gefühlt wie selten in meinem Leben.

Einige Monate später habe ich in einem Frauenseminar erfahren, wie heilsam es ist, sich gegenseitig den Raum zu halten für das bewusste und verkörperte Fühlen der eigenen Gefühle und Emotionen. So stand ich zwischen zwei Frauen, die mir ihre Präsenz schenkten, und ließ meinen Körper mit Bewegungen und meiner Stimme ausdrücken, was in dem Moment aus mir heraus zum Ausdruck kommen wollte. In meinem Fall war es Wut. Ich hatte keine Ahnung, wo sie herkam. Und das war auch nicht wichtig. Die Wut war da und wollte gefühlt und zum Ausdruck gebracht werden. Und auch dieses Mal fühlte ich mich danach lebendig, befreit und innerlich ausgerichtet.

Im Laufe der Zeit wurde mir immer deutlicher bewusst, dass es Zeit war, meine Wutkraft zu mir zu holen und ihr volles Potential für die Gestaltung meines Lebens und meiner Beziehungen zu nutzen. Als ich online nach Wut-Seminaren und -Kursen suchte, stieß ich auf den Rage Club. Der Rage Club ist ein sicherer Rahmen, in dem du in einer Gruppe von anderen Menschen deiner Wut begegnest und mit der neuen Landkarte der Wut experimentierst.

Heute bin ich in einem viel bewussteren Kontakt mit meiner Wutkraft, weiß um ihr Potential und kann sie immer besser für mich nutzen. Und ich bin weiter auf dem Weg, denn ich weiß: Da ist noch mehr drin! Wenn auch du spürst, dass die Zeit der unbewusst ausagierten oder unterdrückten Wut vorbei ist und du deine Wutkraft konstruktiv für dich und dein Leben nutzen möchtest, erfährst du hier mehr über den Rage Club: https://rageclub.mystrikingly.com/

Experimentiere mit deiner Wut

Ich habe ein kleines Experiment für dich: Schließe einmal für eine Minute deine Augen und presse deine Hände zu Fäusten zusammen. Und nimm dabei wahr, wie sich in dir anfühlt. Bereit? Und los!

Hast du es gemacht? Wenn nein: Sei ehrlich zu dir — warum nicht? Du kannst es auch jetzt noch machen. Das ist mein Ernst. Und los!

Wenn du es gemacht hast: Was du dabei gespürt hast, war ein Ausdruck von einem niedrigen Level an Wut. Als ich dieses Experiment zu ersten Mal gemacht habe, habe ich Entschlossenheit in mir wahrgenommen und den inneren Drang, aktiv zu werden. Was löst dieses niedrige Level an Wut in dir aus? Was nimmst du in dir wahr?

Und gleich noch ein Experiment: Was passiert in dir, wenn du dir vorstellst, diese Wut in dir größer werden zu lassen und ihr mit deinem Körper und deiner Stimme Ausdruck zu verleihen? Schließe kurz die Augen und stelle es dir vor, ohne tatsächlich in diesen Ausdruck zu gehen. Nutze deine Vorstellungskraft dafür. Und nimm dabei wahr, was in deinem Körper passiert.

Auch das ist mein Ernst. Lass dich auf dieses kleine Experiment ein. Und schließe jetzt dafür deine Augen.

Wie fühlst du dich jetzt? Ist in dir Wut, Angst, Traurigkeit oder Freude entstanden? Wenn auch nur in geringer Ausprägung? Und wo nimmst du das in deinem Körper wahr? Nimm dir einen Moment Zeit zum Nachspüren.

Hast du Wut gefühlt? Yeah! Komm in den Rage Club, um deine Wut zu befreien und als Kraft für dich zu nutzen.

Hast du Angst gefühlt? Yeah! Komm in den Rage Club und erforsche dort deine Wut und die Angst, die damit verbunden ist.

Hast du Traurigkeit gefühlt? Yeah! Komm in den Rage Club und lerne dort deine Wut kennen und für dich nutzen.

Hast du Freude gefühlt? Yeah! Komm in den Rage Club und genieße es, dich noch tiefer mit deiner Wutkraft zu verbinden.

Hast du weder Wut, noch Angst, noch Traurigkeit, noch Freude gefühlt? Yeah! Komm auch dann in den Rage Club. In unserer Gesellschaft lernen wir nicht, bewusst zu fühlen und unsere Gefühle voneinander zu unterscheiden. Doch es ist nie zu spät damit anzufangen. Und es ist nie zu früh damit anzufangen.

Nutze deine Wutkraft, um dich zu entscheiden, ob du deine Wutkraft befreien und für dein Leben nutzen wirst. Niemand kann es für dich tun. Niemand kann dich davon abhalten es zu tun. Nur du selbst.

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